In den Tiefen dieser Luzerner Seen leben keine Fische mehr
Der Kanton Luzern wollte wissen, wie es um die Fischpopulationen in Rot- und Baldeggersee steht. Nun veröffentlicht er erste Erkenntnisse – sie sind ernüchternd.
Der Rotsee und der Baldeggersee haben ein gemeinsames Problem. In ihnen gibt es zwar reichlich Wasser, doch Sauerstoff gibt es im kühlen Nass nur wenig. Der bedenkliche Zustand der beiden Luzerner Seen hat vor allem Auswirkungen auf deren Bewohner: die Fische.
Im Auftrag der kantonalen Luzerner Dienststelle für Landwirtschaft und Wald haben Forscher im Rahmen des «Projet Lac» deshalb überprüft, wie es um die Fischpopulationen in den beiden Seen steht. Der Kanton hat jetzt erste Ergebnisse zur gross angelegten Studie vorgelegt, welche im Herbst 2023 durchgeführt worden ist (zentralplus berichtete).
In der Tiefe ist tote Hose
Wer im Rotsee seine Angelrute tiefer als zwölf Meter gen Grund sinken lässt, fängt trotz Petri Heil wohl keine Fische. Wie der Kanton schreibt, konnten bei der von Wissenschaftlern durchgeführten Befischung unterhalb einer Wassertiefe von zwölf Metern keine Flossenträger nachgewiesen werden.
Im Baldeggersee sieht es kaum besser aus. Auch dort habe die Befischung gezeigt, dass die Tiere den Bereich zwölf Meter unterhalb der Oberfläche mieden, heisst es von Seiten des «Projet Lac». Der Baldeggersee mit seinen 5,2 Quadratkilometern Fläche ist am tiefsten Punkt 66 Meter tief. Beim rund 300 Meter langen Rotsee liegen zwischen den Wellen und dem Seegrund maximal 16 Meter.
Heimische Fischarten gibt es am meisten
Was die Fischarten anbelangt, welche die zwei Seen ihr Zuhause nennen, haben Rot- und Baldeggersee mehrheitlich die gleichen Tiere in ihren Gewässern. Laut Kanton dominieren Egli und Rotaugen. Der Egli ist der am meist gefangene Fisch in der Schweiz. Gemäss Informationen des Zoos Zürich ziehen Hobby- und Berufsfischerinnen zusammen jährlich gut 350 Tonnen davon aus den heimischen Gewässern.
Die Forscher fanden überdies grosse Bestände von nicht einheimischen Fischarten. Als Beispiel führt der Kanton in seiner Mitteilung Sonnenbarsch und Kaulbarsch auf. Der Sonnenbarsch kommt laut Wikipedia ursprünglich aus Nordamerika und hat sich mittlerweile in grossen Teilen Europas angesiedelt. Der Kaulbarsch hingegen hat keinen Sprung über den Atlantik hingelegt – er kommt aus Europa.
Wie die Dienststelle für Landwirtschaft und Wald in einem Infoblatt schreibt, ging 1987 erstmals ein Exemplar im Kanton Luzern an den Haken. Die Dienststelle vermutet, dass sich der Fisch durch den Transport von Köder- und Besatzfischen künstlich verbreitet hat, wodurch er seinen Weg unter die hiesige Brandung fand. Nebst den angeführten Arten fanden die Wissenschaftlerinnen auch andere Fischspezies in geringerer Anzahl.
Eier sterben ab ohne Sauerstoff
Das Phänomen, das den beiden Seen und ihren Fischen zu schaffen macht, heisst Eutrophierung. Diese beschreibt eine oft durch Menschen bedingte Anreicherung von Nährstoffen in ehemals nährstoffarmen Gewässern. Das führt zu mehr Algen und die Zersetzung der Pflanzen hat einen Sauerstoffmangel im Wasser zur Folge. In beiden Seen trete deshalb jedes Jahr vom späten Frühjahr bis im Herbst ein Sauerstoffmangel auf, wie der Mitteilung zu entnehmen ist. Das Problem ist im Kanton seit langem bekannt (zentralplus berichtete).
Der Sauerstoffmangel schränkt das Vorkommen von an die Tiefe angepassten Fischarten ein. Eine solche Art sind Felchen. Diese Fische legen am Grund des Sees ihre Eier. Weil es dort aber keinen Sauerstoff hat, stirbt jedes einzelne Ovum ab. Felchen, die aus dem Rot- oder Baldeggersee gezogen werden, würden deshalb seit Jahren künstlich gebrütet, schreibt der Kanton.
Das macht der Kanton
Die schlechten Bedingungen für die Fische werden in Luzern nicht einfach hingenommen. Der Baldeggersee beispielsweise wird seit über 40 Jahren künstlich belüftet. Die Anlage im Baldeggersee ist bald an ihrem funktionalen Lebensende und soll zusammen mit der Anlage für den Sempachersee, der ebenfalls künstlich belüftet wird, ersetzt werden (zentralplus berichtete).
Der Wasserqualität des Rotsees setzt vor allem Siedlungsabwasser zu. Seit den 1970er Jahren wird das betreffende Abwasser konsequent gesammelt und gereinigt. Seither habe sich dank dessen die Wasserqualität im See stetig wieder verbessert, wie es auf der kantonalen Website des Rotsees heisst.
Fischer sind nicht zufrieden
Der Kanton schreibt in seiner neusten Mitteilung denn auch, dass die bisherigen Bestrebungen im Gewässerschutz Wirkung zeigten. Die Bestrebungen seien jedoch aus Sicht der Fischerei noch nicht ausreichend und müssten fortgesetzt werden.
Der Mangel an Sauerstoff in den Luzerner Seen macht den lokalen Berufsfischerinnen schwer zu schaffen. «Von einer Genesung der Seen sind wir noch weit entfernt», sagte Berufsfischer und alt-Kantonsrat Andreas Hofer vor zwei Monaten gegenüber zentralplus.
Als Auslöser für das Problem sehen viele Leute Gülleabwässer, welche in die Seen gelangen und diese so mit Nährstoffen anreichern. Landwirte wehren sich gegen den Vorwurf (zentralplus berichtete).
Vierwaldstättersee auch schon untersucht
Das «Projet Lac» ist ein Forschungsprojekt des in Luzern beheimateten Wasserforschungsinstituts Eawag. Es hat zum Ziel, eine Bestandesaufnahme der Fischpopulationen in allen Schweizer Seen zu machen. Viele Seen wurden im Rahmen des Projekts bereits befischt, so beispielsweise der Vierwaldstättersee 2014 und der Sempachersee 2018.
Nebst den kantonalen Behörden arbeitet das Eawag beim «Projet Lac» unter anderem auch mit dem Bundesamt für Umwelt zusammen. Beim Projekt kommt eine standardisierte Untersuchungsmethode zum Zug, welche alle Teillebensräume eines Sees erfasst, was repräsentative Aussagen über die vorhanden Fischarten ermöglicht. Die Wissenschaftler arbeiten mit speziellen Netzen, aber auch Elektrofischerei.
Alle Ergebnisse zu den Studien über die Kiementräger im Rot- und Baldeggersee hat der Kanton noch nicht mitgeteilt. An der Herbstveranstaltung des kantonalen Fischereiverbandes am 20. November werden die gesamten Erkenntnisse präsentiert. Die betreffenden Berichte mit den Resultaten stellt der Kanton danach online zur Verfügung.
Nathan Affentranger ist seit März 2024 Praktikant bei zentralplus. Er hat einen Entlebucher Dialekt, eine Antipathie für Beamtensprache und ein Masterdiplom in Philosophie. Am liebsten schreibt er über die kleinen Absurditäten des Alltags.