Ulrich Scholbe

Wie dieser Mann gegen die Wegwerf-Gesellschaft kämpft

Ulrich Scholbe ist sehr engagiert im Repair Café Luzern – und repariert täglich kaputte Geräte. (Bild: Natalie Ehrenzweig)

Der ehemalige Elektroingenieur Ulrich Scholbe engagiert sich seit seiner Pensionierung als Freiwilliger sehr im Repair Café Luzern. Dort flickt er mit Besucherinnen ihre Geräte und freut sich, wenn er nebenbei sein Wissen aufdatieren kann.

Der Handyakku ist schwach geworden, der Mixer läuft plötzlich nicht mehr. Wir bringen die Geräte in den Ökihof zum Recyceln und trösten uns beim Kauf eines neuen Geräts damit, dass wir ja die alten zwar nicht repariert haben, aber dafür recyceln.

Guten Gewissens kaufen wir ein neues Handy ­­– ein neuer Akku ist teuer – oder einen neuen Mixer – der Neukauf ist günstiger als das Reparieren, wenn das überhaupt als Alternative angeboten wird. Laut Swico Recycling wurden in der Schweiz 2021 über 127'100 Tonnen Elektro- und Elektronikgeräte gesammelt und recycelt. Das macht im Schnitt pro Person gut 14,5 Kilo.

Sachen flicken liegt ihm im Blut

Ulrich Scholbe ist dies ein Dorn im Auge: «Bevor wir defekte Geräte recyceln, sollten wir versuchen, sie zu reparieren», findet der 68-Jährige. Er hat als Elektroingenieur gearbeitet. «Ich war Anwendungstechniker und war auch für die Umwelt-ISO-Zertifizierung zuständig. Dabei kam ich mit den Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen in Berührung. Und es ist traurig, aber sehr viel weiter als damals Ende der 90er-Jahre sind wir zum Teil heute noch nicht.»

«Nach dem Krieg hatten wir nichts. Und es war gar nicht möglich, Geräte gleich wegzuwerfen, man musste einfach alles flicken.»

Ulrich Scholbe

Als Ulrich Scholbe seinen 60. Geburtstag feierte, fing er an, sich Gedanken darüber zu machen, wie er seine Pensionierung verbringen will. Ihm fiel das holländische Projekt der Repair Cafés auf, das es in Luzern noch nicht gab. Als er dann pensioniert wurde, hatte inzwischen schon eine engagierte Gruppe im Neubad das Projekt Repair Café in Luzern gestartet (zentralplus berichtete). «Ich habe mich gemeldet und bin seither sehr engagiert», sagt der gebürtige Deutsche.

Sachen flicken liegt ihm im Blut: «Meine Eltern gehörten zur Kriegsgeneration. Nach dem Krieg hatten wir nichts. Mein Vater war Elektriker. Und es war gar nicht möglich, Geräte gleich wegzuwerfen, man musste einfach alles flicken.» Da habe er viel von seinem Vater gelernt.

Ein «Lehrblätz» war die erste Stereoanlage

«Von meinem ersten selbstverdienten Geld habe ich mir eine Stereoanlage gekauft. Darin, das wusste ich, gab es verschiedene Transistoren, die wollte ich testen. Ich habe das allerdings im laufenden Betrieb gemacht, so dass die Endstufe der Stereoanlage gleich beim ersten Einschalten durchbrannte. Danach habe ich immer zweimal überprüft, ob die Geräte ausgeschaltet waren, bevor ich daran gearbeitet habe», erinnert er sich lachend.

«Einen neuen Toaster bekommt man manchmal schon für weniger als 20 Franken. Ihn zu flicken ist teuer und dauert allenfalls ein, zwei Stunden.»

Ulrich Scholbe

Dass Ulrich Scholbe im Repair Café so engagiert ist, hat mehrere Gründe. Im Repair Café bringen die Leute nicht nur ihr kaputtes Gerät oder Textil, sondern sie flicken es mit den etwa zwanzig Freiwilligen des Repair Cafés zusammen – und bezahlen dafür nichts.

Ulrich Scholbe repariert täglich fürs Repair Café Luzern

«Mir gefällt diese soziale Interaktion mit den vielen interessanten Gesprächen. Und wir reden nicht nur über das Abfallproblem, sondern wir tun konkret etwas dagegen.» Zudem tüftle er gerne und gleichzeitig tue er etwas für die Umwelt.

Einmal im Monat wird das Repair Café im Neubad und einmal im Bourbaki angeboten. Hinzu kommt noch das Tüftelwerk (zentralplus berichtete). «Dort kann man auch komplexe Geräte wie Kaffeevollautomaten abgeben und die Freiwilligen des Tüftelwerks reparieren sie», so Ulrich Scholbe.

Im Schnitt flickt der Pensionär etwa eine Stunde pro Tag diverse Geräte von der elektrischen Zahnbürste über den CD-Player bis zum E-Piano oder Handy. «Meine Frau flickt zwar auch gerne Dinge, die man noch reparieren kann, doch bei ihr steht ihr Hobby – die Musik – eher im Fokus. Auch meine drei Buben (24, 25 und 30) könnten zwar basteln und reparieren, aber sie sind nicht so engagiert wie ich», meint er schmunzelnd.

Einige Tipps vom Reperaturprofi

Damit ein Gerät möglichst lange genützt werden kann und Ressourcen gespart werden, gebe es mehrere Schritte. Zuerst müsse eine gute Qualität gekauft werden. «So hält das Gerät länger und es sind dann auch Ersatzteile erhältlich», weiss der Experte.

Dann solle dem Gerät Sorge getragen werden und wenn es kaputt geht, sollte erst einmal geschaut werden, ob  es repariert werden kann. «Recyceln ist erst der letzte Schritt», betont er. Ausserdem müsse natürlich das Problem bewusst sein und es brauche die Bereitschaft, statt neu zu kaufen zu reparieren.

«Mit der Idee der Kreislaufwirtschaft sollten von den Herstellern auch Schaltpläne herausgegeben werden, das ermöglicht und vereinfacht viele Reparaturen.»

Ulrich Scholbe

Der Preis einer Reparatur sei oft ein Hindernis. «Einen neuen Toaster bekommt man manchmal schon für weniger als 20 Franken. Ihn zu flicken ist teuer und dauert allenfalls ein, zwei Stunden. Diese verrückt niedrigen Preise kommen aus China», bedauert Ulrich Scholbe.

Reparieren heisst: Jeden Tag dazulernen

Dabei gebe es seit März letzten Jahres in der EU – und hoffentlich demnächst auch in der Schweiz – ein Recht auf Reparatur. «Mit der Idee der Kreislaufwirtschaft sollten von den Herstellern auch Schaltpläne herausgegeben werden, das ermöglicht und vereinfacht viele Reparaturen», findet er. So mache es ihn schon nachdenklich, wenn Firmen zum Teil absichtlich schlechte oder ungeeignete Qualität bei gewissen Komponenten einbauen, von denen klar ist, dass sie bald kaputt gehen.

Doch bei allem Engagement für die Umwelt und fürs Repair Café Luzern: Auch Ulrich Scholbe ist schon an Geräten gescheitert. «Ich hatte mal ein Rührwerk, das lief nur immer sehr kurz, dann stellte es wieder ab. Habe ich den Stecker raus- und wieder reingesteckt, lief er wieder kurz, dann wieder nicht mehr. Nach etwa 10 Stunden habe ich aufgegeben», sagt er lachend.

Aber in der Regel findet der Experte eine Lösung. «Ich lerne immer noch viel und freue mich, wenn ich beispielsweise bei der ganzen Audioelektronik meine alten Fachkenntnisse wieder auffrischen kann, Neues lerne und bei erfolgreicher Reparatur ein dankbares Lächeln der Kunden und Kundinnen als Dank entgegennehmen kann», meint er.

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