Jäger laden schon die Flinte

Waschbären: Die Invasion mit dem Jöö-Effekt

Die Waschbären wandern unterdessen nicht nur zeitweise in die Schweiz ein, sondern bleiben und vermehren sich. (Bild: Chris Ensminger via Unsplash)

Rollt ein «Waschbären-Problem» auf Luzern zu? Es droht die Invasion aus dem Kanton Aargau: Dort müssen sich jetzt sogar Jäger mit den Waschbären befassen. zentralplus begibt sich auf Spurensuche.

Sie sind eine der härtesten Konkurrenz der Katzen – zumindest im Internet. Die putzigen Waschbären haben sich wegen ihres charmanten Augenaufschlags schon in manch ein Herz geschlichen. Und so dürften sich eventuell auch einige Waschbärenfans freuen zu lesen, dass die Tierchen sich immer mehr auch in der Zentralschweiz ausbreiten. Es gibt da allerdings einen gewaltigen Haken ...

Der Waschbär ist auch ein Problembär

So putzig die Waschbären mit ihrer «Banditen-Maske» auch sind, sie gehören nicht in die Schweizer Natur. Wildhüterin Heidi Vogler verschafft uns einen Einblick: «Der Waschbär ist eine neue Art, die in ein bestehendes Ökosystem kommt», sagt die Fachmitarbeiterin der Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa) im Kanton Luzern. Und daher kann das Auftauchen der Waschbären das Ökoystem massiv beeinflussen: Das kleine Raubtier verändert den Lebensraum, die Artenzusammensetzung und die Gesundheit der heimischen Tiere.

Heidi Vogler sieht bei den Waschbären aber auch ein Konfliktpotenzial mit den Menschen: «Der Waschbär ist anpassungsfähig und kann gut in Dörfern oder gar Städten leben. Er ist ein hervorragender Kletterer und gelangt so einfach in Dachstöcke. Dort sorgt er für Lärm und Unordnung.» Wie gross der Einfluss der Tiere auf unser Ökosystem konkret ist, kann noch nicht abschliessend gesagt werden.

Wie die Waschbären in die Schweiz gekommen sind

Ursprünglich kommen die Waschbären aus Nordamerika. Vor rund 100 Jahren wurden sie wegen ihres Felles nach Deutschland auf eine Farm gebracht. Dort sind einige Tiere ausgebrochen – ein klassischer «prison break». In den Dreissigerjahren des letzen Jahrhunderts wurden sogar einige Exemplare extra ausgesetzt, um die Fauna zu erweitern. Das war keine wirklich gute Idee: 2020 haben deutschen Jäger beispielsweise die unfassbar hohe Zahl von 200'000 Waschbären gefangen und getötet, um die Population in den Griff zu bekommen.

Doch die kleinen Räuber blieben nicht einfach in Deutschland. «Von Deutschland aus haben sich die Tiere vermutlich auch in die Schweiz ausgebreitet oder es gab Tiere, die aus Gehegen in der Schweiz ausgebrochen sind», sagt Vogler.

Die Karte von «Centre Suisse de Cartographie de la Faune (CSCF)» in Neuenburg gibt einen Einblick, wo Waschbären Menschen begegnet sind. Alle roten Punkte sind Sichtungen nach dem Jahr 2000, alle orangen Punkte sind Sichtungen vor dem Jahr 2000.

Verbreitung des Waschbären in der Schweiz (rote Punkte: Sichtung ab dem Jahr 2000, orange Punkte: Sichtungen vor 2000). Copyright: CSCF Neuchâtel (Bild: CSCF Neuchâtel)

Die Waschbären in Luzern

Die Daten beweisen: Waschbären sind auch in der Zentralschweiz unterwegs. Auch wenn die Karte aussieht, als ob die Region Masern hätte, dramatisch sei die Ausbreitung noch nicht. Wildhüterin Heidi Vogler bestätigt: «Wir bekommen vereinzelte Meldungen von Waschbärbeobachtungen. Diese sind aber schwer zu bestätigen. Im Jahr 2022 gab es einen gesicherten Fotofallennachweis, ansonsten sind uns keine Vorkommen im Kanton Luzern bekannt.»

Ob den Luzerner Wildhütern auch bald mehr Waschbären vor die Kamera tanzen?

Taucht ein Tier in Luzern auf, reagiert der Kanton. «Bei Beobachtungsmeldungen versuchen wir herauszufinden, ob es dort tatsächlich ein Vorkommen gibt. Zudem informieren wir jeweils die betroffene Jagdgesellschaft», sagt die Wildhüterin.

Jäger müssen Tiere erlegen

Dass Beobachtungen wichtig sind, zeigt auch der Blick in den Kanton Aargau. Dort hat die Population derart zugenommen, dass sich die Jäger mit den Tieren befassen müssen. Gegenüber Radio Argovia zeigt sich der zuständige Fachspezialist Reto Fischer besorgt: «Bisher hatten wir immer ein bis zwei Nachweise. Diese häufen sich nun aber und ich denke, die Population nimmt bei uns stärker zu, als im Augenblick vermutet.»

Seit 2016 ist es in Europa erlaubt, Waschbären zu schiessen. Dieses Recht könnte vermehrt im Kanton Aargau angewendet werden. «Die Jäger sind informiert, dass sie gebietsfremde Arten wenn möglich schiessen und der Natur entnehmen. So können sie keine grösseren Schäden anrichten. Hier müssen wir uns vorbereiten, dass das in Zukunft vermehrt stattfindet», sagt Reto Fischer, Fachspezialist Jagd vom Kanton Aargau gegenüber dem Sender.

Auch im Kanton Luzern ist es nicht ausgeschlossen, dass Waschbären ins Visier der Jäger geraten. «Die einheimischen Säugetiere und Vögel sollen gemäss Jagdrecht erhalten werden und die Ansiedlung und Ausbreitung von gebietsfremden Arten ist zu verhindern. Daher ist der Waschbär in der Schweiz jagdbar», sagt Vogler.

Bleibt zu hoffen, dass sich die Tiere in der Schweiz nicht mehr ausbreiten, als sie es schon getan haben.

Ausser natürlich im Internet. Mögen sie das Word Wide Web weiter erobern!

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7 Kommentare
  • Profilfoto von Jagt ist Mord
    Jagt ist Mord, 08.12.2022, 09:13 Uhr

    Was lernen wir aus diesem Text? Wenn man irgendwann, irgendwo in Luzern einem Waschbären begegnet, dann darf man sich am Anblick erfreuen jedoch niemals irgendwo einen Meldung machen. Kein Köder für mordende Jäger!

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    • Profilfoto von Peter Bitterli
      Peter Bitterli, 08.12.2022, 09:46 Uhr

      „Mort“, nicht „Mord“!

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  • Profilfoto von Peter Bitterli
    Peter Bitterli, 07.12.2022, 22:05 Uhr

    Die Zensoren hier kennen nicht einmal einen Beatles-Song ( „Rocky Raccoon“, Weisses Album), der jedem, wirklich jedem sofort durch den Kopf geht, wenn er auch nur den Titel dieses Artikels liest. Ja, die Bildung…!

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    Rolf, 07.12.2022, 18:30 Uhr

    Kann man die essen?

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      Hanswurst, 07.12.2022, 19:10 Uhr

      Ja sicher: Wie Katzen (I) oder junge Hunde (NW), am besten wohl gebeizt 😉

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  • Profilfoto von Stefan Ernst
    Stefan Ernst, 07.12.2022, 14:37 Uhr

    Wenn es um die Ausbreitung von uns geht, dann sind «einheimischen Säugetiere und Vögel» plötzlich völlig zweitrangig. Aber irgendwie muss man ja die Hobby-Ballerei im Wald begründen …

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      Hegard, 11.12.2022, 17:31 Uhr

      Viel Vergnügen wenn er sich im Dachstock einnistet

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