Das Weingut Sitenrain in Meggen kultiviert ausschliesslich sogenannte PIWI-Sorten. (Bild: Markus Käch)
Dauerregen und Mehltau – die Luzerner Winzer kämpften 2024 gegen eine Natur, die ihnen kaum eine Chance liess. Die Erntemenge fiel miserabel aus, doch die Qualität lässt hoffen.
Das Weinjahr 2024 wird den Schweizer Winzerinnen wohl noch lange in Erinnerung bleiben – und das nicht im positiven Sinne. Frost, Falscher Mehltau und Regenfälle haben die Ernte stark dezimiert (zentralplus berichtete). Gemäss dem Bundesamt für Landwirtschaft ist die Ernte 2024 damit die zweitschwächste der letzten 50 Jahre. Besonders betroffen war die Deutschschweiz, wo die Erträge im Vergleich zum Vorjahr um fast 37 Prozent zurückgingen. Doch trotz aller Widrigkeiten bleibt ein Hoffnungsschimmer: Die Qualität der Weine könnte überzeugen.
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«2024 hat nass angefangen und ist nass weitergegangen», fasst Kevin Studer, Mitinhaber des Weinguts Kastanienbaum in Horw, das Jahr zusammen. Bereits im Frühling war klar, dass es ein herausforderndes Jahr werden würde. «Wir hatten Probleme mit dem falschen Mehltau. Deshalb haben wir uns bereits Anfang August für eine rigorose Ertragsregulierung entschieden», erzählt er.
Das bedeutet: Ein Teil der Trauben wurde noch grün abgeschnitten, um die Kraft der Reben auf die verbleibenden Früchte zu konzentrieren. Trotz eines bis zu 50 Prozent reduzierten Ertrags zeigt sich Studer zufrieden: «Wir haben die Qualität erreicht, die wir wollten.»
Weil die Ernte aufgrund des nassen Wetters sehr spontan durchgeführt werden musste und die Trauben von Hand geerntet werden, sei das Weingut auf flexible Helfer angewiesen, die mit so viel Spontaneität umgehen können. «Ich glaube, vielen Menschen ist nicht bewusst, wie sehr die Landwirtschaft vom Wetter abhängig ist», sagt Studer. Das 2024 habe abermals gezeigt, dass die Natur Demut lehre.
Auch das Bioweingut Sitenrain in Meggen erlebte ein herausforderndes Jahr. Die Ernte 2024 musste Anfang September vorgezogen werden. «Wegen angekündigtem Regen haben wir uns entschieden, die Trauben eine Woche früher zu ernten», erzählt Betriebsleiterin Nora Breitschmid.
Da der Betrieb biologischen Weinbau betreibt, baut das Weingut nur pilzwiderstandsfähige Trauben, sogenannte PIWI-Sorten, an. «Für die Bioproduktion ist es essenziell, dass die Rebsorten robust sind», erklärt sie. Diese Sorten trotzen dem Mehltau besser. Synthetische Pflanzenschutzmittel seien nicht erlaubt, weshalb nur biologische Fungizide wie Schwefel oder Kupfer eingesetzt werden dürften. Um deren Einsatz zu minimieren, verwendet Breitschmid zusätzlich Bikarbonat – also Backpulver – und Fenchelöl. Doch diese biologischen Mittel wirkten nur an der Oberfläche und müssten bei häufigem Regen immer wieder erneuert werden.
Breitschmid kultiviert unter anderen die Traubensorte Solari. Diese ist bekannt für ihr exotisches Aroma. Da die Trauben im Sitenrain jedoch vorzeitig gelesen wurden, habe sich dieses Aroma nicht vollständig entwickeln können. «Unsere Trauben waren eigentlich noch nicht ganz reif», sagt Breitschmid. Entsprechend werde der Jahrgang 2024 ein leichteres Aroma aufweisen. Das sei jedoch das kleinere Übel, denn die voll ausgereiften Trauben wären vermutlich von Graufäule befallen worden – ein Pilz, der im Sitenrain ideale Bedingungen vorfindet, da dort häufig Nebel herrsche.
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Die Situation war im ganzen Kanton Luzern angespannt. Rebbaukommissär Beat Felder spricht von einem «sehr schwierigen Jahr». Die Erntemenge lag bei 430 Tonnen – nur 60 Prozent der Rekordernte des Vorjahres. Besonders problematisch war die Blütezeit, in der das feuchte und kalte Wetter die Befruchtung beeinträchtigte. «Man sagt dem ‹Verrieseln›», erklärt Felder. «Zum Teil hingen die Trauben ganz normal, doch der Ertrag war bescheiden, weil sie viel leichter waren.»
Neben Frostschäden und Pilzkrankheiten setzten auch Starenschwärme den Trauben zu. «Anfang Oktober dezimierten sie die Ernte dadurch zusätzlich», so Felder. Besonders auffällig: Während 97 Prozent der Luzerner Weine das AOC-Siegel erhielten, wurden ungewöhnlich viele Trauben für Rosé, Schaumwein oder Blanc de Noir verwendet – eine Konsequenz der geringeren Zuckergehalte.
Alkohol ist nicht mehr angesagt
Trotz allem sieht Felder eine Entwicklung, die langfristig Hoffnung macht: den anhaltenden Trend zu PIWI-Sorten. «Bald haben wir die Hälfte der Fläche mit PIWI bestockt. Da ist der Kanton Luzern in der Schweiz führend», sagt er. Die robuste Beschaffenheit dieser Rebsorten macht sie weniger anfällig für Krankheiten und erlaubt einen nachhaltigeren Anbau.
Neben den klimatischen Herausforderungen belasteten auch wirtschaftliche Faktoren die Branche. Laut dem Bundesamt für Landwirtschaft sind die Produktionskosten aufgrund der intensiven Pflege der Reben stark gestiegen. Gleichzeitig bleibt der Weinmarkt unter Druck: «Es wird weniger Alkohol konsumiert, und die Weinkeller sind noch gut gefüllt», beschreibt Breitschmid die angespannte Lage. In gewisser Weise gleiche sich der Markt durch den schlechten Jahrgang aus.
ist seit Oktober 2024 als Praktikantin bei zentralplus tätig. Als echte Lokalpatriotin liebt sie die Stadt Luzern und schreibt gerne über die Menschen, die hier leben. Sie mag es harmonisch, teilt aber auch gerne aus.