Wildsaison

Raben im Visier: Darum wird in Luzern nicht nur Wild gejagt

In der Schweiz werden jährlich Tausende Rabenvögel erjagt. (Bild: Lukasz Rawa / Unsplash)

Während in der Gastronomie überall Wild auf dem Teller landet, legen Luzerner Jägerinnen noch auf andere Tiere an, beispielsweise Krähen und Raben. Im Kanton Luzern wurden vergangenes Jahr 623 Rabenvögel vom Himmel geholt.

In der Gastronomie ist die Wildsaison angebrochen. Auf zahlreichen Speisekarten bieten Beizen Wildschwein, Hirschpfeffer oder Rehrücken an. Entsprechend emsig sind die Jäger unterwegs. Auch im Kanton Luzern. Während sich Restaurantgäste über die Vielfalt auf ihrem Teller erfreuen, machen Rehe, Rothirsche und Wildschweine nur einen Teil der bejagten Tiere aus.

Tausende Tiere werden nicht des Verzehrs wegen erlegt, sondern um die Ausbreitung zu stoppen, andere Tierarten zu schützen – oder weil sie Schäden anrichten. Wirft man einen Blick auf die Jagdstatistik des Bundes, fallen auch Tiere auf, die Luzerner, die nicht jagdversiert sind, überraschen dürften. Beispielsweise Vögel wie Raben oder Krähen.

Und die Raben waren Nimmermehr

Gemäss der Jagdstatistik des Bundes wurden im Jahr 2022 schweizweit rund 9600 Rabenvögel vom Himmel geholt. 623 im Kanton Luzern. Davon waren gemäss der Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa) über 500 Rabenkrähen, der Rest waren Saatkrähen, Kolkraben, Elstern und Eichelhäher.

Dass Jägerinnen mit ihren Flinten Jagd auf die Vögel machen, hat einen Grund. Die Vögel richten auf den Feldern der Luzerner Landwirte nämlich Schäden an. Und die können gemäss Josef Scherer vom Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband (LBV) gravierend sein. Raben und Co. tun sich besonders an gesätem Mais gütlich – und sorgen so im Frühjahr zu Ausfällen von 70 Prozent bis hin zum Totalverlust, sodass die Landwirte nachsäen müssen. Auch in den Herbstmonaten sorgen sie gemäss «Bauernzeitung» diesbezüglich für Ungemach.

Wie trickst man besonders kluge Vögel aus?

Blüht das Saatgut jedoch auf, ist es noch immer nicht auf der sicheren Seite. «Ernteschäden können Vögel bei Obst und vor allem Reben verursachen», so Scherer weiter. Allerdings entstehen grosse Ernteausfälle eher durch Wetterkapriolen oder wegen Schädlingen und Krankheiten. Wie das Zuger Kirschbauern oder Luzerner Weinbäuerinnen immer wieder erleben müssen.

Ein Land, zwei Jagdsysteme

In der Schweiz gibt es zwei Jagdsysteme, die sich je nach Kanton unterscheiden. Die Patentjagd erlaubt die Jagd auf dem ganzen Kantonsgebiet – mit Ausnahme der eidgenössischen und der kantonalen Jagdbanngebiete. Die Jäger müssen beim Kanton ein Patent kaufen und eine entsprechende Patentgebühr bezahlen. Mit dem Patent dürfen sie nun eine bestimmte Anzahl Tiere erlegen. Die Jagdzeit sei auf wenige Wochen im Herbst beschränkt, wie das Bundesamt für Umwelt schreibt. Im Kanton Zug gilt beispielsweise die Patentjagd.

Anders im Kanton Luzern. Hier kommt die Revierjagd zum Einsatz. Beim Revierjagdsystem verpachten die politischen Gemeinden das Jagdrecht durch mehrjährige Verträge an eine Jagdgesellschaft. Am Ende der Saison müssen die Jägerinnen dem Kanton melden, welche und wie viele Tiere sie erlegt haben. Die Anzahl Abschüsse hat einen Einfluss auf den Pachtzins.

Ernteausfälle müssen die Landwirte selbst berappen. Das kantonale Jagdgesetz sieht nämlich keine finanzielle Entschädigung durch die Gemeinde, die Jagdgesellschaft oder den Kanton vor. Unter anderem auch, weil mit den richtigen Abwehrmassnahmen grössere Schäden in der Regel vermieden werden können.

Die Betonung liegt auf «in der Regel», denn Rabenvögel gelten als besonders kluge – und auch soziale – Tiere. Die schwarz gefiederten Kerlchen auszutricksen, ist eine ziemlich herausfordernde Angelegenheit. Schnell erkennen sie einen Bluff und tanzen der aufwendig kostümierten Vogelscheuche frech auf der Nase herum.

Raben nützen anderen Tieren

Auch die Bejagung der Vögel sei eine sehr anspruchsvolle Sache, wie es seitens von Revierjagd Luzern, dem Berufsverband der Luzerner Jägerinnen und Jäger, heisst. Versagen alle Massnahmen und werden den Landwirtinnen die Vögel zu lästig, können sie einen Jäger aufbieten, der sich der Sache annimmt. Dies entweder mit gezielten Schüssen auf einzelne Tiere. Oder aber die Jägerinnen bauen einen getarnten Unterstand auf, stellen künstliche Lockkrähen auf und schiessen so über mehrere Stunden auf vorbeifliegende Rabenvögel. So erklärt das Jagdinspektorat das Vorgehen gegenüber der «Bauernzeitung».

In Luzern dürfen Raben- und Saatkrähe von Anfang August bis Mitte Februar von Jägern mit gültigem Jagdpatent erlegt werden. Die restliche Zeit fällt in die Schonzeit, die vom Bund vorgegeben wird. Es gibt aber auch Ausnahmen. So sind Rabenkrähen, die nicht brüten und in Schwärmen unterwegs sind, auf schadengefährdeten Kulturen ganzjährig jagdbar. Die Rabenvögel sind aber nicht nur schädlich für die Landwirtschaft. Sie übernehmen als Aasfresser auch eine Funktion als Putzequipe und picken Schnecken und Mäuse aus den Feldern. Zudem werden ihre alten Nester von anderen Vogelarten zum Brüten verwendet.

Reglose Vogelscheuchen taugen eher als Halloween-Dekoration als zur Rabenabschreckung. (Bild: Mateusz Raczynski / Unsplash)

In Emmen «jagt» der Fake-Uhu

Nebst dem Jagdgewehr gibt es auch gewaltfreie Lösungen. Auf Luzerner Bauernhöfen kommt je nach Betrieb eine ganze Palette verschiedener Massnahmen zum Einsatz. Der Kanton Luzern stellt auf seiner Website eine Liste mit möglichen Produkten vor, damit sich die krähenden Saatpicker vom Acker machen – buchstäblich. Und einige Massnahmen mögen dem Laien stellenweise etwas skurril erscheinen.

Eine Möglichkeit sind Attrappen. Die Gemeinde Emmen stellte beispielsweise 2021 im Herdschwandwald Fake-Uhus auf, um die Krähen und Raben abzuschrecken. Das sorge zwar kurzfristig für Ruhe, langfristig bezweifeln Vogelexpertinnen die Wirksamkeit der Massnahme jedoch (zentralplus berichtete). Nebst der Kunststoffeule gibt es auch andere Exemplare wie Flugdrachen, der in Form eines Raubvogels im Wind gleitet und so die Tiere verscheuchen soll.

Mit solchen Eulenattrappen sollen die Krähen aus Emmer Siedlungsgebieten vertreiben werden. (Bild: zvg)

Aufblasbare Vogelscheuchen und Kadaver zur Abschreckung

Alternativ gibt es auch aufblasbare Vogelscheuchen, Luftballons oder akustische Schreckanlagen mit Lautsprechern. Wichtig ist die Abwechslung, denn oft durchschauen die Rabenvögel innert wenigen Tagen einzelne Taktiken, die wir Menschen ihnen vor das Gefieder stellen. Nicht zuletzt ist auch nicht jede Massnahme für jeden Hof geeignet. Laut LBV sind beispielsweise akustische Schreckgeräte vor allem in Siedlungsnähe eher problematisch.

Laut Erfahrungsberichten des LBV wirkt hingegen die «Rupfung» recht gut. Bei dieser «Vergrämungsmassnahme» werden Federn von Rabenvögeln auf dem Feld ausgestreut. Dadurch entsteht bei den Tieren der Eindruck, als wäre einer ihrer Artgenossen angegriffen worden, woraufhin sie das Gebiet eher meiden. Denn so stolz die Raben und Krähen sind, sie sind nicht die unbestrittenen Könige der Lüfte. Natürliche Feinde sind beispielsweise der Habicht und der Falke.

Wenn die reinen Federn noch nicht ausreichen, können Landwirtinnen noch einen Gang höherschalten und eine tote Krähe ins Feld legen. Diese könne vorab bei der örtlichen Jagdgesellschaft bestellt werden, wie der Kanton Luzern schreibt. Damit der ausgelegte Kadaver nicht gleich vom nächsten Fuchs aus dem Feld gepflückt wird, gibt es auch Mittel, mit denen das tote Tier präpariert werden kann.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Rabenvögel nicht eines Tages ob dieser Schindluderei den Spiess umdrehen und wie in Alfred Hitchcocks Film «Die Vögel» zu Tausenden auf unseren Dächern hocken und die Schnäbel wetzen.

Verwendete Quellen
  • Jagdstatistik des Bundes
  • Schriftlicher Austausch mit Josef Scherer, LVB
  • Beitrag zu Raubvögeln vom Kanton Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit Heidi Vogler, Dienststelle Landwirtschaft und Wald
  • Schriftlicher Austausch mit Peter Krummenacher, Revierjagd Luzern
  • Artikel in der «Bauernzeitung» (Bezahlschranke)
  • Merkblatt zu Rabenvögeln von «Birdlife»
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