Wie ungleiche Brüder liegen der Zugersee und der Vierwaldstättersee in der Zentralschweiz. Während der Grössere gesund ist, kränkelt der Kleinere. Hohe Phosphoreinträge aus Landwirtschaft und Siedlungen haben den Zugersee zum belastetsten grossen See der Schweiz gemacht. Einst sollte der grosse Bruder mit seinem Wasser helfen.
zentralplus ist auf Unterlagen im Zuger Staatsarchiv gestossen, die zeigen, dass einst die Verbindung des Vierwaldstättersees mit dem Zugersee als beste Option galt, um das belastete Gewässer zu sanieren. ETH-Experten prüften diesen Plan gar vor fünf Jahren erneut.
Doch es gab einen Kurswechsel: Die Kantone Zug, Luzern und Schwyz wollen nun bis 2027 eine Zirkulationsunterstützung bauen. Im Winterhalbjahr soll bei Walchwil Druckluft in den See geblasen werden, um die Wasserzirkulation zu verbessern, Phosphor abzubauen und den Sauerstoffgehalt zu erhöhen. Wie im Luzerner Seetal (zentralplus berichtete).
Projektkosten am Zugersee: 11,2 Millionen Franken. Diesen Juli hat der Zuger Kantonsrat den Richtplaneintrag genehmigt, nun wird eine Kreditvorlage erarbeitet. Zug wird 80 Prozent der Kosten der Anlage zahlen und ist für die Planung verantwortlich. Denn der Kanton hat Erfahrungen mit Sanierungsplänen – wie die Unterlagen aus dem Staatsarchiv zeigen.
Vor 45 Jahren schlugen Ingenieure die Seeverbindung vor
1979 schlug ein Berner Ingenieurbüro vor, nährstoffarmes Wasser vom Vierwaldstättersee in den Zugersee zu leiten. Das überdüngte Wasser des Zugersees sollte dann in die Reuss abgeleitet werden. Die Eawag – das Wasserforschungsinstitut der ETH – vertiefte die Idee im Anschluss.
Hintergrund des Projekts: Die Phosphorwerte im Zugersee waren um den Faktor Sieben zu hoch. Trotz einer von der Gewässerschutzorganisation Zugersee-Küssnachtersee-Ägerisee gebauten Ringleitung mit zentraler Kläranlage in der Schönau bei Cham. Der Kantonsrat sah Handlungsbedarf.
Ein fünf Kilometer langer Stollen von Küssnacht nach Immensee
1988 erschien eine ausführliche Umweltverträglichkeitsprüfung, die heute im Staatsarchiv liegt. Experten verglichen neun verschiedene Massnahmen, den Zugersee zu sanieren und Hochwassergefahren einzudämmen.
Vier Varianten sahen eine Seeverbindung vor. Ein fünf Kilometer langer Stollen von der Küssnachter Bucht nach Immensee sollte 20 Kubikmeter Wasser pro Sekunde in den Zugersee leiten. Die Experten erwarteten keine negativen Folgen für den Vierwaldstättersee, da das Wasser nur etwa 160 Tage im Jahr übergeleitet werden sollte. Der Abfluss sollte auch nicht zunehmen, sondern nur zwischen Reuss und dem neuen Stollen aufgeteilt werden.
Auch ein Kraftwerk war geplant. Mit Turbinen in Rainmatt und Immensee hätte man jährlich 15 bis 20 Gigawattstunden Strom erzeugen können – genug für etwa 5000 Haushalte. Zur Ableitung des nährstoffbelasteten Wassers aus dem Zugersee waren verschiedene Verbindungen in die Reuss geplant: ein Kanal von der Lorze und ein unterirdischer Stollen ab Cham oder Risch.
Am Ende der Prüfung war das Urteil der Experten klar: Eine Seeverbindung mit einem Abfluss in die Reuss würde den Zugersee am besten sanieren. Es könne viel Wasser ausgetauscht werden und der Einfluss auf Flora und Fauna sei gering.
Das kostet die Verbindung von Zugersee und Vierwaldstättersee
Trotzdem geschah 30 Jahre lang nichts. Im Jahr 2019 beauftragte der Kanton Zug die Eawag erneut, Sanierungsmöglichkeiten zu prüfen. Die Experten verglichen wieder den Bau einer Seeverbindung mit anderen Massnahmen und errechneten ein Preisschild: 150 bis 180 Millionen Franken würde der Bau der Stollen und Kanäle kosten.
Der Betrieb würde zusätzlich eine Million Franken pro Jahr kosten. Weshalb die Experten, trotz der Effizienz einer Seeverbindung, für eine Belüftung warben. «Die Zirkulationshilfe als Massnahme mit relativ geringen Investitionskosten bringt eine gute Wirkung hervor.» Mit Baukosten von 11 Millionen Franken ist die jetzt geplante Anlage etwa 15-mal günstiger als eine Seeverbindung mit Tiefenwasserableitung gewesen wäre.
Belüftung des Zugersees ist nicht ausreichend
Peter Keller, Projektleiter beim Zuger Amt für Umwelt, sagt, dass es noch andere Gründe für die Belüftung gibt: «Die projektierte Zirkulationsunterstützung im Winter hat gegenüber der Tiefenwasserableitung den Vorteil, dass durch die Unterstützung der natürlichen Mischung im See auch die Sauerstoffverhältnisse verbessert werden.»
Nachhaltig seien aber weder die Belüftung noch die Stollen, schrieben die ETH-Experten 2019. Ohne diese künstliche Unterstützung würde sich die Situation im See direkt verschlechtern. Der Zugersee würde von der Massnahme also abhängig werden, egal, von welcher.
Deshalb hat der Regierungsrat per 2023 gemeinsam mit den Kantonen Luzern und Schwyz den «Zuströmbereich ZO Zugersee» ausgerufen. Dort dürfen Landwirtschaftsbetriebe nur noch 80 Prozent des Phosphorbedarfs ausbringen, wenn sie stark belastete Böden haben. Zusammen mit der neuen Belüftungsanlage soll der Zugersee so bis 2070 wieder gesunden.
seit 2022 im Journalismus, davor Politikwissenschaftler, Weltenbummler und Steinbildhauer. Bei zentralplus vom Praktikanten, zum Volontär bis zum Ressortchef alles durchlaufen. Heute Co-Redaktionsleiter mit einem Hang zu guten Texten.