Wer heute mit Gas heizt und bis 2040 seine Heizung nicht umgestellt hat, könnte ein Problem bekommen. Denn dann will Luzern, wie auch andere Schweizer Städte, den Gashahn zudrehen, um klimaneutral zu werden.
Der Ausbau erneuerbarer Energien wie Solar- und Windkraft wird daher auf Hochtouren vorangetrieben. Rund die Hälfte des Heizbedarfs der Stadt soll ausserdem durch See-Energie und Fernwärme gedeckt werden (zentralplus berichtete).
Das Fernwärmenetz steht bereits, die Energie stammt aus der Kehrichtverbrennungsanlage in Perlen. Doch bei der See-Energie besteht Nachholbedarf. Eine Milliarde Franken will der Energieversorger EWL daher in den nächsten 15 Jahren investieren. So kündigt er es am Dienstag an einer Medienkonferenz an.
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Die Stadt und EWL haben die Medien zusammengerufen, um vorzustellen, wie und wo der Ausbau geplant ist. Dabei geht es aktuell vor allem um die Standorte für unterirdische See-Energiezentralen.
EWL will See-Energie grösstenteils selbst zahlen
Martin Arnold, Mitglied der Geschäftsleitung von EWL, platziert direkt am Anfang einen Werbeblock. See-Energie sei gut und nachhaltig, und vor allem «ein regionales Produkt aus dem Vierwaldstättersee».
Die Stadt Luzern will sich nur notfalls an der Milliarde Franken für den Ausbau eines Netzes beteiligen. Arnold sagt: «EWL hat den Anspruch, alles möglichst aus eigener Hand zu finanzieren.» Der städtische Umwelt- und Mobilitätsdirektor Marco Baumann (FDP) fügt an: «Wenn Perimeter sich als nicht rentabel zeigen, könnte die Stadt Investitionsbeiträge vergeben.» Sprich: Subventionen beisteuern, wenn sich der Netzausbau nicht rechnet.
Doch was ist eigentlich geplant und wo? Um das zu verstehen, folgt eine kurze Erklärung zur See-Energie.
So funktioniert See-Energie
Damit Gebäude mit Seewasser geheizt werden können, muss das Wasser mit Rohren aus einer Tiefe von 40 Metern geholt werden. In einer unterirdischen See-Energiezentrale fliesst das Wasser dann an einem Wärmetauscher vorbei.
Im Video wird der Vorgang anschaulich erklärt:
Der Wärmetauscher entzieht Wärme aus dem Wasser und leitet diese in einen zweiten Rohrkreislauf und in eine zweite Energiezentrale. Dort findet erneut ein Wärmeaustausch statt. Der dritte Kreislauf führt dann direkt in die Wohnhäuser, wo die Wärme zum Heizen genutzt wird.
Energiezentralen sind unterirdisch
EWL-Projektleiter Marco Stephan sagt am Dienstag, Zentralen in jedem Haus seien zu aufwendig: «Wir sind überzeugt, die Anforderungen der Stadt können mit wenigen, grossen Energiezentralen am besten erfüllt werden.» Fünf Standorte für solche Zentralen haben EWL und Luzern gemeinsam evaluiert.
Eine Energiezentrale ist ein Bauklotz mit 2000 bis 3800 Quadratmetern Fläche. Der Bau soll grösstenteils unterirdisch entstehen, nur Zugänge oder Lüftungen sind sichtbar. Die Fläche über der Zentrale soll nach der zweijährigen Bauzeit wieder genutzt werden können. Aus 100 Standorten wurden folgende fünf Standorte ausgewählt.
Hier sollen die Zentralen entstehen
Carparkplatz beim Lido: Für die Erschliessung von Würzenbach soll eine See-Energiezentrale auf dem Carparkplatz Brüelmoos nahe dem Campingplatz entstehen. Die Cars könnten womöglich Ersatzhalteplätze auf dem nahen Autoparkplatz erhalten, kündigt Stadtrat Baumann an.
Tennisplatz an Haldenstrasse: Um das Gebiet Halde zu erschliessen, planen Stadt und EWL eine See-Energiezentrale unter den Tennisplätzen des Carlton Tivoli Tennis Clubs. Die Fläche ist bereits teils im Eigentum der Stadt.
Kunstrasen Wartegg West: Dort soll eine See-Energiezentrale entstehen, um die linke Reussseite zu bedienen. Die Parzelle gehört der Stadt. Dem SC Obergeissenstein, der dort trainiert, will die Stadt für die Bauzeit ein Kunstrasenfeld im Tribschen bei den FC Kickers organisieren.
Kleinmatt: Weil das Quartier weit von der See-Energiezentrale in Wartegg entfernt ist, soll beim Kulturzentrum Neubad eine weitere Energiezentrale entstehen – als Zwischenverteiler. Was das konkret für die Zwischennutzung Neubad bedeutet, ist noch nicht klar. Die Parzelle gehört teils der Stadt und teils Privaten.
Sportanlage Bruch: Ein Zwischenverteiler für das Bruchquartier ist auf der Sportanlage Bruch geplant. Das Areal ist Eigentum des Kantons, dieser habe eine Zusammenarbeit angekündigt, so die Stadt.
Das sind die aktuellen Pläne. Nun wollen die Stadt und EWL weiter nach Übergangslösungen während der Bauzeit suchen, zum Beispiel für den Tennisverein und die Cars. Mit Quartiervereinen und Grundeigentümern hätten bereits Gespräche stattgefunden, sie sollen «intensiviert» werden.
Bis Mitte 2025 sollen Ergebnisse zur technischen Machbarkeit und den städtebaulichen Studien vorliegen. Nach der Sicherung der Flächen rechnet EWL mit vier Jahren für die Planung und zur Umsetzung erster Bauvorhaben.
Auf die Stadt Luzern kommen viele Baustellen zu
Marco Baumann betont: «Wir sind auf das Commitment der Bevölkerung und Politik angewiesen, um das Grossprojekt zu realisieren.» Dass der Stadtrat das sagt, hat einen Grund. Schon jetzt fühlt es sich an, als sei die halbe Stadt Luzern eine Baustelle (zentralplus berichtete).
Denn: Auf dem Inseli gibt es bereits seit 35 Jahren eine See-Energiezentrale, die heute von EWL betrieben wird und beispielsweise ans KKL angeschlossen ist. Aktuell wird das Netz weiter ausgebaut. Im Zentrum von Luzern sollen 200 bis 250 Gebäude an die Seewärme angeschlossen werden. Dafür verlegt EWL zig neue Leitungen.
Martin Arnold von der EWL-Geschäftsleitung bestätigt am Dienstag, dass der Netzausbau in der Tat «herausfordernd» sei. EWL versuche allerdings Baustellen mit anderen Bauprojekten der Stadt oder des Kantons zu koordinieren, um die Einschränkungen für die Bevölkerung gering zu halten. Auch in Horw entsteht aktuell ein Netz (zentralplus berichtete).
In der Stadt Luzern werden nach dem Zentrum und Tribschen die Bereiche Wartegg, Obergrund, Neustadt, Kleinstadt, Kreuzstutz, Altstadt, Halde und Bellerive, Zürichstrasse, Würzenbach und Büttenen ausgebaut. Mit Zentralen – und natürlich mit zig Leitungen, die zu den Gebäuden führen.
Hinweis: In einer früheren Version wurde Marco Baumann fälschlicherweise als städtischer Baudirektor aufgeführt. Er ist aber Umwelt- und Mobilitätsdirektor. Die Stelle wurde angepasst.
hat Politikwissenschaften, Philosophie und Wirtschaft studiert und an der Universität Luzern zur Mobilität von Gesetzen geforscht. Seit 2022 bei zentralplus, zuständig für die Ressorts Bauen&Wohnen und Verkehr&Mobilität. Parallel absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern.