Vom Tornado bis zum 13-Zentimeter-Hagelkorn

Das sind die wildesten Unwetter in Luzerns Geschichte

In Luzern kam es im Sommer 2021 zu Überschwemmungen. Alte Dokumente zeigen: Es war auch schon schlimmer. (Bild: Emmanuel Ammon/ Aura)

Erdrutsche, sibirische Kälte oder fieser Hagel. Der Blick ins Archiv zeigt: Der Kanton Luzern ist bezüglich Wetterextremen mit allen Wassern gewaschen. Und: All die Überschwemmungen der vergangenen Jahre sind nichts gegen jene, die Luzern im Jahr 1342 ereilte.

Sie ist wieder da. Die Jahreszeit, in welcher der Himmel plötzlich ganz dunstig und gelb wird, in dem sich Cumulonimbusse kilometerhoch auftürmen und heftige Gewitter mit sich bringen. Mit dem Klimawandel werden auch die Wetterextreme grösser. Die Niederschlagsmenge bei Starkniederschlägen hat im Kanton Luzern seit 1901 um zwölf Prozent zugenommen. 

Hochwasser, Orkanböen und Murgänge sind jedoch im Kanton Luzern nichts Neues, wie ein Blick ins Schweizer Sturmarchiv zeigt.

Das wohl schlimmste Hochwasser Europas

«Der Schächen brach Mitte Juni aus und richtete grossen Schaden in Bürglen, Altdorf und in einem Teil von Schattdorf an. Auch die Reuss schwoll hoch an, und der See stieg dermassen, dass am 29. Juni das Wasser in der Barfüsserkirche in Luzern bis an den Hochaltar ging, was vorher noch nie geschehen war, und wurde so hoch, dass es daselbst ein geladenes Schiff getragen hätte.»

Dies schreibt die Urnerland Chronik zu einem Hochwasser, das so grausam gewesen sein muss, dass es fast 700 Jahre später noch Erwähnung findet in den Chroniken. Es handelt sich um das Magdalenenhochwasser, welches im Jahr 1342 ganze Teile Mitteleuropas zerstörte und möglicherweise das schlimmste Hochwasser des zweiten Jahrtausends im mitteleuropäischen Binnenland darstellte.

Das Ereignis trat nach einem offenbar schneereichen Winter ein und soll durch plötzliches Tauwetter begünstigt worden sein. Darauf folgte wieder Schnee, ein kühler Frühling und im Sommer Dauerregen. Viele Flüsse, gerade in Deutschland, sollen während der Katastrophe die höchsten je gemessenen Wasserpegel erreicht haben.

«Laub und Blatt sind von den Bäumen wegrasiert wie im November.»

Der «Walliser Bote» über den Hagelsturm 1861

Man erinnere sich an das grosse Unwetter am 28. Juni 2021, das über Luzern und Zug zog und grosse Hagelschäden verursachte. Der Hagel, der am 9. Juni 1861 über Luzern fiel, schien jedoch noch verheerender gewesen zu sein. Der «Walliser Bote» schrieb kurz darauf: «Am Sonntagnachmittag um 2 Uhr fuhr hinter dem Pilatus hervor über Luzern ein Hagel- und Unwetter, wie es hier vielleicht seit Jahrhunderten nicht oder gar nie erlebt wurde.»

Die gesamte Vegetation von Schwarzenberg über Littau, das Kriensertal bis hin nach Meggen seien «buchstäblich bis auf den letzten Halm verwüstet» worden. «Laub und Blatt sind von den Bäumen wegrasiert wie im November.» Die hühnereigrossen «Schlossen» haben dafür gesorgt, dass im Schweizerhof kaum eine Fensterscheibe heil geblieben sei. 23'441 Scheiben seien allein in der Stadt zu Bruch gegangen.

Ein Elefant der Menagerie, sprich des Zirkus, der in dem Moment in Luzern Halt machte, drohte gar aus seinem Zelt auszubrechen «und konnte nur zurückgehalten werden durch die angestrengten Bemühungen seines zufällig anwesenden Wärters, durch welchen allein er sich leiten lässt». Dies schreibt ein F. J. Kaufmann in einer ausführlichen Dokumentation zum Thema.

Tornado in Luzern? Und ob!

Tornados sind in der Schweiz sehr selten. Im Kanton Luzern, genauer gesagt in Nottwil, ereignete sich aber im April 1915 ein solcher. Die «Neue Zürcher Zeitung» schrieb damals: «In Nottwil am Sempachersee entwurzelte am Mittwoch, 7. d. M., abends ein heftiger Zyklon auf einem kleinen Komplex etwa 100 Obstbäume und hob ein Scheunendach ab.» Es handelte sich um ein Naturereignis, das in der Zentralschweiz höchst selten vorkommt. Das letzte Mal verursachte ein kleiner Tornado in Hohenrain 2020 Schäden.

Extremes Wetter ereilte Luzern und die ganze Schweiz im Februar 1929. Die Gewässer «gefroren» über eine längere Zeit, die Stadt verzeichnete bis zu minus 24,6 Grad Celsius. Im Luzerner Seebecken bildeten sich grosse Eisflächen, Eisschollen trieben die Reuss hinunter. Während der Bodensee gänzlich gefroren und zugänglich war, passierte das beim Vierwaldstättersee nicht. Überhaupt gibt es aus den vergangenen Jahrhunderten keine Aufzeichnung einer vollen Seegfrörni auf dem Vierwaldstättersee. Selbst als 1890/1891 während 84 Tagen Minustemperaturen herrschten, gefroren nur Teile des Sees.

Am 4. September 1936 kam es im Entlebuch zu einem verheerenden Unwetter, bei dem acht Personen ihr Leben lassen mussten. Sieben davon gehörten derselben Familie an, deren Haus von einem Erdrutsch verschüttet wurde. Der Sturm hatte vorgängig einen Erdrutsch verursacht.

Das Unglück aus dem Entlebuch wurde auch in der «Berner Woche» thematisiert. (Bild: Screenshot E-Periodica)

13 Zentimeter grosse Hagelkörner

Ende Juli 1958 ereignete sich im Kanton Luzern ein geschichtsträchtiges Unwetter mit Sturzfluten und teils bis zu 13 Zentimetern grossen Hagelkörnern. «Gleichzeitig war die Luft mit einem unheimlich tosenden Brausen erfüllt, denn es erhob sich gleichzeitig ein taifunartiger Sturm, der mit unvorstellbarer Schnelligkeit und Gewalt über die Gegend hinwegraste», schrieb die «Eidgenossenschaft» später. «Über weitere Flächen hinweg hat kein Baum den Sturm überstanden, und nur die kleinen und kleinsten Bäume, die sich unter ihm weggeduckt hatten, waren ungeschoren davongekommen und hatten nur ihre Früchte verloren.»

Am 16. Juni 1988 hatte die Luzerner Feuerwehr ordentlich zu tun. In der Stadt waren nach einem schweren Unwetter 500 Keller überflutet, ein Blitz äscherte ein Bauernhaus bei Willisau ein, ein Autofahrer wurde mit dem Hochwasser weggeschwemmt und verstarb. Ebenfalls in Willisau verlor ein Tank aufgrund des Unwetters bis zu 4000 Liter Öl. Die gesamten Schäden wurden auf 20 Millionen Franken beziffert. In Sempach wurde innert 40 Minuten eine Regenmenge von 75 Millimetern registriert.

Der Sturm, der alle vorherigen alt aussehen liess

Ein Sturm, der vielen Leserinnen noch geläufig sein dürfte, war jener, der sich Ende Dezember 1999 ereignete. Lothar fegte mit kaum je gesehener Heftigkeit über die Schweiz, Nordfrankreich und Süddeutschland. Er erreichte Spitzenböen bis 272 km/h und hinterliess ein Bild der Zerstörung. Insgesamt starben etwa 110 Menschen infolge des Sturms und während der Aufräumarbeiten. Darunter 88 in Frankreich und 14 in der Schweiz. In Luzern legte der Orkan etwa eine Million Kubikmeter Wald um. Der Schaden wurde später auf 1,35 Milliarden Franken beziffert.

Der Orkan Lothar zerstörte so manches Haus. (Bild: Emmanuel Ammon/ Aura)

2005 waren Gummistiefel in Luzern Trumpf: Obwohl diese beim damaligen Hochwasser nicht überall weiterhalfen (zentralplus berichtete). Sintflutartige Regengüsse hatten den Wasserspiegel des Vierwaldstättersees auf einen Höchststand katapultiert, dieser lag zwei Meter über dem Normalwert. Das Reusswehr wurde durch die schieren Wassermassen zerstört. Im Entlebuch kamen zwei Feuerwehrmänner bei einem Erdrutsch ums Leben, als sie versuchten, ein Haus vor dem Wasser zu sichern.

Diese drei Luzerner nahmen das Hochwasser 2005 locker. (Bild: Emmanuel Ammon/ Aura)

Nicht ganz so schlimm kam es im Sommer 2021. Die Situation entspannte sich wieder, bevor die Reuss an den kritischen Stellen übers Ufer treten konnte. Dafür war der Sommer 2021 gezeichnet von heftigen Unwettern, welche riesige Hagelschäden hinterliessen.

Bleibt nur zu hoffen, dass uns das Wetter diesen Sommer freundlicher gesinnt ist.

Die heftigen Hagelstürme haben bei zahlreichen Fotovoltaikanlagen irreparable Schäden hinterlassen. (Bild: Kaufmann Elektro/zvg)
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1 Kommentar
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    Hegard, 04.06.2023, 18:05 Uhr

    Das kann doch gar nicht sein,da gab’s noch keine Autos oder Industrie, Kerosinlampen,Massentierhaltung,von wo kam da der CO2 Ausstoss das das Klima veränderte🤔😵‍💫🤔

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