Stipendiengesetz Luzern

Umstrittenes «Luzerner Modell»

Auch an der Uni Luzern gibt das totalrevidierte Stipendiengesetz zu reden. Der Kantonsrat wird dieses in der September- oder November-Sesssion behandeln.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Stipendien und Darlehen ermöglichen Menschen eine Ausbildung zu absolvieren, deren Kosten sie nicht decken könnten. Um den heutigen Bildungsstandards gerecht zu werden, hat der Kanton Luzern das elf Jahre alte Stipendiengesetz totalrevidiert. Es soll im April 2014 in Kraft treten. Dabei setzt der Kanton vermehrt auf die Vergabe von Darlehen. Eine Praxis, die Diskussionsstoff birgt.

Bildung entwickelt sich. Entsprechend müssen auch die dazugehörigen Gesetze von Zeit zu Zeit angepasst werden. Um den Bildungsstandards gerecht zu werden, hat der Kanton Luzern im Juni das totalrevidierte Stipendiengesetz vorgestellt. Da wurden Stimmen laut.

Für Ärger sorgte vor allem eine Neuerung: Der Kanton will die Vergabe von Darlehen auf der tertiären Bildungsstufe (Universität, Fachhochschule, höhere Fachschule, Vorbereitungskurs für Berufsprüfung) verdoppeln. Dadurch erhöhen sich insgesamt die kantonalen Mittel, auch wenn das Stipendienvolumen auf dem bisherigen Niveau bleiben soll.

Verschuldung nimmt zu

Dass die vermehrte Vergabe von Kreditgeldern die Verschuldung junger Erwachsener fördert, liegt auf der Hand. Dieser Fakt sorgte beim Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) für viel Unmut. In einer Mitteilung schreibt er: «Es ist unzulässig, dass die Kantone ihren Finanzhaushalt auf Kosten von sozial Schwächeren entlasten und dass sich junge Menschen für ein Studium verschulden müssen.»

Es gibt kein Garant, dass ein hoher Bildungsabschluss automatisch zum sofortigen Einstieg ins Berufsleben führt, zumal die Berufspraxis immer mehr an Gewichtung gewinnt. Oftmals ist für den Studiumsabgänger vorerst ein schlecht oder gar unbezahltes Praktikum von Nöten, um den von seitens der Unternehmen erwarteten Praxiserfahrung gerecht zu werden. «Es ist ein Mythos, dass ein Uniabschluss automatisch ein hohes Einkommen mit sich bringt und Darlehen problemlos zurückbezahlt werden können», argumentiert der VSS.

Schwierigkeiten bei der Rückzahlung des Darlehens – es muss innert zehn Jahren geschehen – sind tatsächlich absehbar. Diesem Risiko wollte Samuel Flores, ehemaliger Student der Pädagogischen Hochschule in Luzern schon gar nicht ausgesetzt sein: «Mir wurden 4000 Franken angeboten – 3000 Franken als Stipendium und 1000 Franken als Darlehen. Das Darlehen nahm ich jedoch nicht an.» Er selbst sei äusserst vorsichtig, was die Aufnahme von Kreditgeldern angehe. Tatsächlich würde er in Zukunft ein Darlehen ablehnen und somit auf ein Studium verzichten. «Ich möchte keine Schulden», sagt Flores.

Harmonisierung zwischen den Kantonen

Im neuen «Luzerner Modell» ist ausserdem vorgesehen, dass Gesuchssteller neu ihren finanziellen Anspruch selbst online abklären können. Dies soll den administrativen Aufwand auf ein Minimum senken. Zudem hat sich Luzern mit dem neuen Gesetz die Grundlage für den Beitritt zum Stipendienkonkordat geschaffen. Mit diesem soll die Harmonisierung zwischen den Kantonen optimiert werden, bislang sind 13 Kantone dabei.

Das ist wichtig, weil die Beiträge je nach Kanton stark variieren. Im Kanton Neuchâtel beispielsweise lag 2011 das Durchschnittsstipendium pro Stipendiat bei weniger als 4000 Franken. Im Waadt hingegen erhielt ein Student ein Stipendium durchschnittlich in der Höhe von 9000 Franken. Luzern will sich von rund 5300 Franken auf 6700 Franken hieven. Der schweizweite Durchschnitt liegt bei 6300 Franken. «Der Beitritt zum Stipendienkonkordat ist ein klares Bekenntnis als Hochschulkanton und für die Universität Luzern ein wichtiges Signal», so Paul Richli, Rektor der Universität Luzern.

Behörden-Chaos

Ob und wie erfolgreich die Zusammenarbeit zwischen den Kantonen verläuft, wird sich noch zeigen. Schliesslich gibt es auch immer wieder kommunikative Schwierigkeiten innerhalb eines Kantons. Diese Erfahrung hat Nicole Sigrist gemacht, die mit einer berufsbegleitenden HF-Ausbildung begann und folglich mit einer 50-Prozent-Anstellung ein Stipendium benötigt: «Es gab Probleme, weil die zuständige Abteilung der Halbwaisenbeträge meinen Antrag nicht bearbeiten mochte, solange nicht klar war, wie der Entscheid der Stipendien ausfällt. Die Stelle für die Stipendien wollte meinen Antrag ebenfalls nicht bearbeiten, solange der Entscheid der Halbwaisenrente nicht gefallen ist.»

Diese Zuschieberei der Behörden – welche seit einem Jahr läuft – ist für Sigrist nicht nur ärgerlich, sondern hat einschneidende Konsequenzen: Sie hat bis heute kein Stipendium erhalten. «Unterdessen ist mein Antrag auf Stipendien für dieses Jahr abgelaufen. Nun muss ich einen neuen Antrag einreichen – jedoch erst für das Ausbildungsjahr 2013/2014. Das Jahr 2012/2013 kann ich wohl abschreiben, da mir beide Parteien keine Kostengutsprache ermöglicht haben.»

Bildungswege werden gleichwertig behandelt

Im totalrevidierten Stipendiengesetz sind auch erfreuliche Ansätze zu finden. Studierende aus tiefen Einkommensgruppen werden durchschnittlich höhere Stipendien erhalten. Und die neue Gesetzgebung sieht auch vor, alle Bildungswege gleichwertig zu behandeln. Somit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass verschiedene Wege zum gleichen Abschluss führen können. «Ob also ein Fachhochschulabsolvent auf dem klassischen Weg über die Berufslehre und Berufsmatura zum Hochschulabschluss gelangt oder via Gymnasium mit Praktikum, soll für die finanzielle Unterstützung keine Rolle mehr spielen», teilt der Kanton Luzern mit.

Das überarbeitete Gesetz sowie der Antrag zum Beitritt zum Stipendienkonkordat wird nun dem Luzerner Kantonsrat vorgelegt und voraussichtlich in der September- und der November-Session behandelt. Ab dem 1. April 2014 soll das neue Stipendiengesetz in Kraft treten.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Haesu
    Haesu, 08.08.2013, 16:19 Uhr

    Sparpolitik statt Bildungspolitik

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