5 Jahre Kulturzentrum Südpol

«Über kurz oder lang müssen wir mehr Gelder erhalten»

Der 2008 eröffnete Kulturwerkplatz Luzern-Süd. Heimat des Südpols. (Bild: Emanuel Ammon)

Nach fünf Betriebsjahren scheint sich das Luzerner Kulturzentrum Südpol immer mehr gefunden zu haben. Die anfänglich kritischen Stimmen sind zunehmend verstummt. Nun zeigt sich, dass die gesprochenen Mittel nicht für eine vollständige Bespielung des Hauses reichen. Die Nebenkosten verbrauchen einen grossen Teil jener Ressourcen, die nötig wären, um alle vier Bühnen des Hauses bespielen zu können.

Der Startschuss zum heutigen Südpol fiel mit der Schliessung des ehemaligen Kulturzentrums Boa. Es war damals allen Beteiligten klar, dass ein neues Haus die entstandene Lücke schliessen muss. Die Stadt Luzern präsentierte daraufhin das Projekt «Kulturwerkplatz Luzern Süd», welches die Musikschule der Stadt Luzern, das Luzerner Theater, das Luzerner Sinfonieorchester LSO, die Brassband der Bürgermusik sowie ein neues Kulturzentrum unter einem Dach vereinen sollte. Mittels Ausschreibungsverfahren konnten interessierte Projektteams ihre Betriebskonzepte für den Kulturteil des Gebäudes einreichen. Schlussendlich erhielt das Konzept «Südpol» den Zuschlag und das Haus öffnete im November 2008 seine Türen.

Der harzige Beginn einer neue Ära

Dabei stiess das neue Kulturhaus in der hiesigen Kulturszene auf wenig Gegenliebe. Einerseits kritisierten die ehemaligen Boa-Aktivisten die Ausrichtung des Hauses und lehnten es als Nachfolger der Boa kategorisch ab. Zudem schlossen sich mehrere Kulturschaffende als «Aktion Freiraum» zusammen und forderten einen «echten» Boa-Nachfolger, also ein selbstverwaltetes Kulturhaus mit tiefen Eintrittsbarrieren. «Diese kategorische Ablehnung war zu Beginn nicht einfach,» erklärt der heutige künstlerische Leiter, Patrick Müller: «Es gab bestimmte Kreise, die sich dem Südpol nicht annähern konnten, weil der Frust über den Boa-Verlauf noch immer zu gross war.» Heute hat sich diese Situation beruhigt, wie der für die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Remo Helfenstein bestätigt: «Nach einem harzigen Start ist der Südpol heute nicht mehr derart der öffentlichen Kritik ausgesetzt. Die Situation hat sich beruhigt.»

«Wir stehen immer noch auf der Startrampe»

«Mehr Mittel alleine reichen nicht»

Trotz Schliessung der Boa im Jahr 2007 ist die IKU Boa (Interessengemeinschaft Kulturraum Boa) noch heute aktiv und veranstaltet unter dem Label «Boa im Exil» diverse Veranstaltungen in immer wechselnden Lokalitäten. zentral+ fragte beim IKU-Boa Vorstandsmitglied Tom Burri nach, wie er die Entwicklung des Südpols einschätzt.
 
Für die IKU Boa war klar, dass der geplante Kulturwerkplatz nicht als Nachfolger von einer Boa in Frage kommen kann. Daher kam auch ein möglicher Umzug der Boa in den Kulturwerkplatz Süd nicht in Frage. «Die zwei Häuser sind nicht vergleichbar. Mir wurde klar, dass da etwas ganz Neues entstehen wird. Daher war ich auch ein Befürworter des Projekts, sah es als eine neue Chance,» erklärt Burri.
 
Inhaltlich stellt er dem Südpol ein gutes Zeugnis aus und besucht selbst öfters Veranstaltungen. «Die Inhalte sind gut. Die Konzerte und Theater zeugen von hoher Qualität. Der Südpol besetzt kulturelle Nischen und übt diese Funktion gut aus.» Probleme sieht Burri bei den hohen Kosten, die bei der Nutzung solch grosser Räume anfallen: «Die Nebenkosten, die moderne Technik. Das können hohe Hürden für Veranstalter sein.»
 
Angesprochen auf den Wunsch des Südpols, mehr Mittel zu erhalten, unterstützt Burri die Ansicht der Betreiber: «Wenn man im Bereich Theater mit Eigenproduktionen arbeiten will, dann braucht es mehr. Und der Südpol will das. Da reichen die 600'000 Franken nicht aus.» Burri fügt aber an, dass es alleine mit mehr Mitteln nicht gemacht ist: «Will man eine Nutzerbasis für die Zukunft schaffen, so sollte so ein Haus niederschwellig zugänglich und durchlässig sein: Junge wollen hingehen und auch mal spontan etwas tun. Sei es einen Filmabend organisieren oder eine Demo vorbereiten.»

Obwohl der Südpol für die IKU Boa keinen Nachfolger darstellt, sieht Burri zur Zeit keinen Bedarf an einem weiteren, selbstverwalteten Kulturhaus: «Die Besucher wären wohl da. Aber es fehlt der Zeitgeist. Im Moment ist von der Strasse kein Druck da, ich erlebe eher eine zufriedene Konsumhaltung. Das kann sich in den nächsten 3-4 Jahren ändern, aber im Moment sehe ich keine Basis.»

Nach fünf Betriebsjahren hält der Präsident des Trägervereins «Südpol», Roman Steiner fest, dass der Südpol «das erreicht hat, was er in dieser Zeit erreichen konnte.» Allerdings sei man auf dem Weg zur nächten Etappe: «Unser Verständnis ist es, die lokale Szene weiter zu entwickeln. Das braucht Zeit, eine Förderstätte entwickelt sich nicht einfach von heute auf morgen. Von daher stehen wir immer noch auf der Startrampe.» Auch Patrick Müller sieht den Südpol noch immer mitten in einem Prozess: «Als ich vor einem halben Jahr hier angefangen habe, fand ich ein Schiff vor, das auf Kurs ist. Was aber nicht heisst, dass hier fünf Jahre aufgebaut wurde und dieser Stand nun einfach gehalten wird.»

Patrick Müller ist bereits der dritte künstlerische Leiter des Südpols in nur fünf Jahren. Für Roman Steiner liegen diese vielen Wechsel bei einem solchen Projekt auf der Hand. Er betont, «dass inhaltlich immer die richtigen Personen die Funktion ausgeübt haben. Der Basler Philippe Bischof (Leitung von 2008-2011) sei der richtige Mann für den Aufbau gewesen und Max-Philip Aschenbrenner (2011-2013) aus dem bayrischen Deggendorf habe das Konzept weiter gestählt. «Auf dieser Vorarbeit kann nun der Luzerner Patrick Müller aufbauen,» erklärt Steiner, «positiv ist, dass wir mit ihm einen stärkeren Bezug zur lokalen Szene haben.» Tatsächlich hat die Verpflichtung von Müller, der sich in Luzern unter anderem als Mitveranstalter des B-Sides Festivals einen Namen machen konnte, vor allem bei den hiesigen Kulturschaffenden viel Goodwill entgegengebracht.

Es stellt sich die Frage, warum der Verein Südpol so lange zugewartet hat, eine Person aus der Region als künstlerischen Leiter einzustellen. Für Roman Steiner war das der einzig gangbare Weg: «Gerade am Anfang war es für einen Auswärtigen viel einfacher, mit dem Südpol zu starten. Ohne Verflechtungen und ohne Verbindungen zur Boa-Vorgeschichte.» Patrick Müller räumt ein, dass ein Lokaler die nötige Aufbauarbeit nicht hätte leisten können: «In der lokalen Szene war vor allem das Netzwerk für Tanz und Theater nicht vorhanden. Dieses Netzwerk haben Bischof und Aschenbrenner mitgebracht und aufgebaut. Heute kann ich davon profitieren – wir sind national wie international bestens vernetzt.» Trotzdem gibt Müller zu, den positiven Effekt in der Szene gespürt zu haben, dass nun einer aus der hiesigen Szene die Leitung übernommen hat.

Die Mittel reichen nicht für die Grösse des Hauses

Beim Bau des Südpols hat die Stadt Luzern mit der grossen Kelle angerührt. Das Kulturzentrum bietet vier Veranstaltungsräume, ein grosses Foyer und ein Bistro mit Küche. Das grosse Gebäude verursacht hohe Nebenkosten, Geld, dass laut Remo Helfenstein dann fehlt, wenn es darum geht, das künstlerische Programm zu gestalten: «Die Frage des Geldes ist ein konstanter Begleiter des Südpol. Um das Haus in voller Blüte bespielen zu können, braucht es mehr Mittel. Über kurz oder lang wird der Südpol in Zukunft mehr Gelder erhalten müssen, wenn wir das ganze Potential des Hauses ausschöpfen wollen.»

Patrick Müller verweist dabei auf Benchmarks zu anderen Schweizer Städten: «In Zürich erhält die Gessnerallee und in Basel die Kaserne beinahe viermal, die Berner Dampfzentrale dreimal mehr Mittel.» Auch der Vereinspräsident Roman Steiner betont, «dass es kein Geheimnis ist: Der Südpol muss kurz oder längerfristig besser finanziert werden.» Zurzeit erhält der Südpol total 600’000 Franken von der öffentlichen Hand.

Der Südpol reagiert auf diese Situation, in dem neben dem kulturellen Programm die Räumlichkeiten für Vereinsanlässe, Generalversammlungen und diverse andere Nutzungen vermietet werden. «Die Hälfte der Raumbelegungen sind dazu da, um Geld zu verdienen. So schaffen wir es auf einen Eigenfinanzierungsgrad von 70 Prozent,» erklärt Patrick Müller und stellt in Frage, ob es für ein Haus, mit diesem Leistungsauftrag Sinn mache, so viele Mittel ausserhalb der Kultur verdienen zu müssen. Das Team vom Südpol ist aber optimistisch, dass bald mehr Gelder fliessen werden. Laut Müller haben «die Meinungsbildner erkannt, dass der Südpol angesichts seiner Grösse unterfinanziert ist.»

«Natürlich dürfen es mehr Besucher sein»

In Sachen Besucherzahlen scheint sich langsam eine positive Tendenz abzuzeichnen. Patrick Müller unterscheidet dabei die Sparten Musik und Tanz / Theater: «Die Musik läuft gut. Oft besuchen 100 Personen ein Konzert, an dem ich mit 30 Personen gerechnet habe. Es entsteht so etwas wie ein musikalisches Stammpublikum.» Bescheidener gestaltet sich der Besucheraufmarsch in den Sparten Theater und Tanz. Obwohl Müller betont, «dass bei dieser Kunstform auch in Zürich nicht die Türen eingerannt werden.» Erfreulich sei dafür, dass der Südpol im Gegensatz zu Häusern in Zürich oder Bern ein rund zehn Jahre jüngeres Publikum anzieht.

Natürlich mache es die Lage vom Südpol nicht einfach, zum Beispiel fehlt das Laufpublikum, was der Lage geschuldet ist. Müller will dies aber nicht in Frage stellen: «Wir sind hier. Der Blick auf den Pilatus und der umliegende Autoindustrie-Charme machen das Areal zum perfekten Nährboden, um Kunst und Kultur zu produzieren.»

Er betont aber auch, dass es natürlich schön wäre, das Haus stünde mitten in der Stadt. So hätte man die Chance andere Werte zu zeigen. Die Kultur wäre näher bei den Menschen und es wäre einfacher zu vermitteln: «Hey. Seht her. Was wir machen ist wichtig.» Vereinspräsident Roman Steiner sieht in der Zukunft eine deutliche Aufwertung des Standorts:«Wir freuen uns auf die Öffnung Richtung Allmend, den Veloweg und natürlich auf den Zuzug der Musikhochschule in das Zentrum Mattenhof. Das wird auch den Südpol beleben.»

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