Ziehen Klima- und Frauenstreik in Luzern nicht?

Trotz Rekord an Kandidaten: Wahlbeteiligung bleibt unter den Erwartungen

Die Resultat der Wahlen werden jeweils mit Spannung erwartet, hier vor vier Jahren im Regierungsgebäude. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Wegen der Klimajugend und des Frauenstreiks erwarten Experten, dass die 50-Prozent-Marke bei der Wahlbeteiligung am 20. Oktober schweizweit wieder einmal geknackt wird. In den grossen Gemeinden im Kanton Luzern lässt der grosse Sprung bislang aber auf sich warten.

Zehn Tage vor den Wahlen steigt die Spannung: Wer schafft am 20. Oktober den Sprung nach Bundesbern? Wer – speziell im Kanton Luzern, dem nur noch neun statt zehn Nationalratssitze zustehen – wird abgewählt?

Das Interesse an den Wahlen ist dieses Jahr gross. Noch nie gab es in der ganzen Schweiz so viele Kandidatinnen und Kandidaten wie heuer. Der Trend zeigt sich auch im Kanton Luzern: Mehr als 250 Politikerinnen und Politiker wollen in den Nationalrat – ein rekordhoher Wert (zentralplus berichtete).

Rolle von Klima- und Frauenstreik

Mehr Köpfe mobilisieren mehr Wähler, scheint das Credo zu sein. Wer seinen Nachbarn, Tennisclub-Bekannten oder Coiffeur auf einer Liste sieht, wählt ihn eher als einen Unbekannte. Gut möglich, dass die Parteien gerade in Luzern hoffen, im Gerangel um die verbleibenden neun Sitze deswegen mehr Stimmen zu holen.

Steigt mit dem hohen Andrang auf die Sitze auch das Interesse an der Urne? Experten glauben jedenfalls an eine hohe Wahlbeteiligung. Es spreche alles dafür, dass sie erstmals seit Jahrzehnten schweizweit wieder die 50-Prozent-Marke knacke, sagte der national bekannte Politologe Claude Longchamp kürzlich gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Und er ist nicht der einzige Politikbeobachter, der zuversichtlich auf den Wahlsonntag blickt.

Als Grund dafür werden die Klimajugend und der Frauenstreik genannt. Beide Bewegungen haben 2019 tausende Menschen auf die Strassen gebracht. Das veranschaulicht: Der politische Druck der Basis ist gestiegen.

Stadt Luzern könnte an Marke herankommen

Ob sich das tatsächlich in der Wahlbeteiligung niederschlägt, ist zumindest im Kanton Luzern fraglich, wie ein Blick auf ausgewählte Gemeinden zeigt.

Aufgrund der Hochrechnungen erwartet zum Beispiel die Stadt Luzern eine Wahlbeteiligung von 48,5 Prozent, sagt Thomas Zumbühl, Leiter Wahlen und Abstimmungen. Zum Vergleich: Im Oktober 2015 gingen 49,77 Prozent der Stadtluzerner an die Urne. Im ganzen Kanton waren es leicht mehr, nämlich 50,9 Prozent (siehe Grafik).

Zwar haben in der Stadt Luzern bislang mehr Wähler ihr Couvert eingeworfen als vor vier Jahren: Am Mittwoch lag die Stimmbeteiligung bei 14,14 Prozent – 2015 lag der Wert am Vergleichstag bei 12,76 Prozent. Geht es so weiter, dürfte die 50-Prozent-Marke also geknackt werden.

Dass die Prognosen der Stadt gleichwohl zurückhaltender sind, hat mit einem speziellen Ausreisser von 2015 zu tun. Gemäss Zumbühl gingen damals am Wahlwochenende selber noch überdurchschnittlich viele Luzernerinnen und Luzerner wählen. Dass sich das wiederholt, sei nicht anzunehmen.

Dass die Klima- und Frauenstreikbewegungen besonders viele Menschen an die Urne locken, davon spürt das Urnenbüro der Stadt Luzern zahlenmässig bislang wenig.

Emmen und Kriens rückläufig

In der Stadt Kriens zeichnet sich ebenfalls kein Hoch ab. Bis am Donnerstag hätten rund 2'680 Wähler (14,3 Prozent) ihre Stimme abgegeben, sagt Sarah Deschwanden von der Krienser Stadtverwaltung. Vor vier Jahren waren es neun Tage vor dem Wahlsonntag knapp 600 mehr (17,5 Prozent).

In Emmen lag die Wahlbeteiligung am Mittwoch gar nur bei etwas mehr als 9 Prozent, wie André Gassmann, Leiter Kommunikation und Marketing, auf Anfrage sagt. «Nach den Schulferien nächste Woche wird dieser Wert erfahrungsgemäss noch stark steigen.» 

Allerdings wäre man in Emmen überrascht, sagt er, wenn sich die Prognose einer 50-Prozent-Wahlbeteiligung bewahrheiten würde. In der Tat wäre das eine markante Steigerung: Vor vier Jahren gingen in Emmen 39 Prozent aller Wahlberechtigten an die Urne.

Die abstimmungsfaulste Gemeinde

Noch weniger sind es jeweils in Dierikon. Die Gemeinde im Rontal zählt jeweils zu den Schlusslichtern in Sachen Wahlbeteiligung. Bei den kantonalen Wahlen vergangenen Frühling etwa machte nur jeder Vierte von seinem Recht Gebrauch (24,7 Prozent).

Bis am Donnerstagmorgen warfen 10,9 Prozent aller Stimmberechtigten ihr Wahlcouvert ein, sagt der Gemeindeschreiber auf Anfrage. Das liege ungefähr im Rahmen von 2015. Immerhin besteht Hoffnung, dass diesen Herbst mehr zur Wahl schreiten als im Frühling: Damals zählte Dierikon zehn Tage vor den Wahlen eine Beteiligung von lediglich 8 Prozent.

Gründe mannigfaltig

Aufgrund der Zahlen dieser Gemeinden ist für den Kanton Luzern also kaum mit einem Höhenflug zu rechnen. Über die Gründe kann nur spekuliert werden. In Dierikon zum Beispiel ist man überzeugt, dass mehr Köpfe aus dem Dorf – nur gerade ein Kandidat auf der Liste der Jungen CVP ist aus Dierikon – stärker mobilisieren würden.

Vielfach ist auch zu hören, dass der Listenboom möglicherweise einen negativen Einfluss haben könnte. Im Kanton Luzern stecken dieses Jahr 33 Wahllisten im Couvert – ein Drittel mehr als 2015, als 21 Listen zur Auswahl standen.

Immerhin: Bei den kantonalen Wahlen im Frühling stieg die Wahlbeteiligung im Vergleich zu 2015 an. Und wird das Bundesparlament gewählt, zählt der Kanton Luzern nicht zu den Politikverdrossenen. Dass die Wahlbeteiligung unter die 50-Prozent-Marke fällt, ist bislang nur beim Tiefpunkt 1995 geschehen. Davor und seither wollten immer mehr als die Hälfte der Stimmberechtigten mitreden, wer sie in Bundesbern vertritt.

Hinweis: Alles zu den Wahlen aus Luzerner Sicht gibt's in unserem Dossier.

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