Geschäft am Luzerner Löwengraben baut aus

Trend nachhaltige Mode: Diese Frauen wollen höher hinaus

Rebekka Sommerhalder hat 2015 das Bekleidungsgeschäft «Glore» am Löwengraben eröffnet.

Luzern hat Läden, die ganz bewusst nachhaltige Kleidung anbieten. Das Geschäft läuft gut, Corona habe den Menschen geholfen, noch bewusster zu konsumieren. Das spürt sowohl die Boutique Mai an der Waldstätterstrasse als auch Glore am Luzerner Löwengraben. Letzterer will jetzt gar noch grösser werden.

Nachhaltigkeit ist im Trend. Ob beim Essen (zentralplus berichtete) – oder eben auch in den Kleiderschränken.

Ein lokaler Laden, der auf nachhaltige Mode setzt, ist Glore am Löwengraben. Hier hängen seit sieben Jahren Hemden und Kleider an den Bügeln, die so produziert wurden, dass weder Mensch noch Natur Schaden nehmen. Kürzlich vermeldete Inhaberin Rebekka Sommerhalder News: «Wir bauen den Laden aus, weil wir mehr Platz benötigen.»

Ihr Plan: Büro, Nähatelier und Lager zügeln, Leichtbauwände einschlagen und so mehr Platz schaffen. Für die Secondhandabteilung Second Love und neue Ideen: In einem Loungebereich will das Glore-Team künftig zu Podiumsgesprächen und Workshops laden.

Grösser denken und werden – und das mitten in der Corona-Pandemie. Das klingt doch ein bisschen verrückt. Zumal man das Gefühl hat, dass Corona andere Themen wie Klimawandel und Umweltschutz in den Hintergrund gedrängt hat. Diesen Eindruck teilt Rebekka Sommerhalder. «Zumindest nehmen diese Themen in der Öffentlichkeit und medial weniger Platz ein. In meinem persönlichen Umfeld hingegen beobachte ich, dass die Pandemie, die alle beschäftigt, auch andere Gedanken auslöst. Nämlich: Wie möchte ich leben, was ist mir wichtig – und was möchte ich konsumieren?»

Glore will Nachhaltigkeit weiter vorantreiben

Warum denkt Sommerhalder in Pandemiezeiten nun grösser? «Uns ist bewusst, dass wir noch lange nicht am Ziel sind, wenn wir wirklich eine Veränderung bewirken wollen. Und auch wenn Corona das grosse Thema Nummer 1 ist, das uns alle bewegt und fordert, so glauben wir: Wir müssen jetzt auch andere wichtige Themen vorantreiben.»

«Wir verstehen uns immer mehr als eine Plattform. Als einen Ort des Austauschs, der Sensibilisierung und der Inspiration.»

Rebekka Sommerhalder, Glore

Sommerhalder erklärt rückblickend, dass es vor sieben Jahren mit der Gründung von Glore der erste logische Schritt war, Kundinnen möglichst einfach möglichst attraktive und nachhaltige Kleidung anzubieten.

«Aber im Kern geht es uns darum, dass Menschen anders konsumieren, weniger einkaufen. Wir verkaufen zwar fairer produzierte Kleidung. Aber sie wird immer noch neu produziert. Wir benötigen Ressourcen und Energie – obwohl wir eigentlich schon genügend Kleidung für alle auf der ganzen Welt hätten. Also wollen wir Mode ganzheitlicher denken und einen zukunftsfähigen Umgang damit fördern. Deshalb verstehen wir uns immer mehr als eine Plattform. Als einen Ort vom Austausch, der Sensibilisierung und der Inspiration.»

Rebekka Sommerhalder, die 35-jährige Geschäftsführerin von Glore.

Kleidung flicken und wiederverwenden

Das heisst: Nicht nur Orte schaffen, wo man mit gutem Gewissen neue Jeans kaufen kann, sondern die Gedanken im Kopf ändern, neue Verhaltensweisen vorantreiben, bewusster und weniger konsumieren.

Das Glore-Team peilt Workshops an, in denen Luzerner zum Beispiel lernen könnten, kaputte Kleidung zu flicken. Auch Tauschpartys sind angedacht – an denen im Idealfall Menschen zusammengebracht werden, die einen ähnlichen Modestil und eine ähnliche Figur haben.

Wie das Geschäft mit nachhaltiger Mode läuft

Viele sind sich gewohnt, für wenig Geld viel zu bekommen. Aber die Bereitschaft, für nachhaltige Mode einen höheren Preis zu bezahlen, wachse, sagt Sommerhalder. Das Geschäft mit nachhaltiger Mode läuft gut. «Grundsätzlich sind wir mega zufrieden mit dem, was wir in den letzten sieben Jahren aufbauen konnten», so die 35-jährige Geschäftsinhaberin. «Für viele sind wir wie eine der ersten, wenn nicht sogar die erste Adresse, wenn sie nachhaltige Kleidung einkaufen möchten.» Die Pandemie ist «herausfordernd, aber nicht existenzbedrohend». So lag der Umsatz der geöffneten Monate in den beiden Pandemiejahren nur knapp unter den Umsätzen aus der Zeit davor. Harziger lief die Eröffnung des Glore-Stores in Zürich, den Sommerhalder kurz vor dem ersten Lockdown 2021 eröffnet hat. «Da sind wir zahlenmässig noch ganz am Anfang.»

«In den letzten fünf Jahren wurde nachhaltige Mode salonfähig – wir haben das Bild abgeschüttelt, dass nachhaltige Mode unförmig ist und kratzt.»

Melanie Kunz, Boutique Mai

Sommerhalder spricht von einer Zwickmühle: «Schlussendlich sind wir Teil des Kapitalismus. Am Ende des Tages, am Ende der Woche, des Monats und des Jahres schauen auch wir unseren Umsatz an.» Schliesslich müssen ja auch ihre Löhne, die Miete und die Kleidermarken bezahlt werden. «Wir wollen aber unsere Kundinnen und Kunden nicht dazu bringen, mehr Kleider einzukaufen. Unser Ziel ist es, mehr Menschen zu animieren, weniger zu kaufen – und die im besten Fall bei uns.»

Betritt eine Kundin den Laden, so gehe es nicht darum, die Einkaufstüten möglichst zu füllen. «Sondern gemeinsam herauszufinden, was ihrem Stil entspricht und so eine Garderobe aufzubauen, die man über Jahre gerne hat.» Schrankleichen sollten der Vergangenheit angehören – genauso das Wegschmeissen von intakter Kleidung.

In der Karte erfährst du, wo du sonst noch überall nachhaltig Shoppen kannst.

Boutique Mai: Melanie Kunz schöpft Hoffnung in jüngere Generationen

Auch die Boutique Mai an der Waldstätterstrasse setzt auf faire und nachhaltige Kleidung. Seit Frühling 2006 führt Melanie Kunz die Boutique. Sie kann ebenfalls auf eine treue Kundschaft zählen. «So haben sich auch die Lockdowns während der Pandemie nicht in den Zahlen niedergeschlagen. Der Umsatz ist in etwa gleichgeblieben.»

Die Geschäftsführerin sagt, dass sich das Bild von nachhaltiger Mode in den letzten Jahren sehr gewandelt hat. «In den letzten fünf Jahren wurde nachhaltige Mode salonfähig – wir haben das ‹Seide-Wolle-Bast-Image› abgeschüttelt, das Bild, dass nachhaltige Mode unförmig ist und kratzt.»

Melanie Kunz hat 2006 die Boutique Mai eröffnet. (Bild: scharfsinn)

Nachhaltige Mode sei zwar nach wie vor eine Nische, aber das Bewusstsein wachse. Insbesondere die Pandemie hat nochmals für einen Schub gesorgt. «Corona hat bei den Menschen, bei denen das Bewusstsein für faire und nachhaltige Kleidung schon einigermassen vorhanden war, geschärft und diesen Prozess beschleunigt.» Auch beobachtete sie, dass viele Luzernerinnen in Krisenzeiten wie diesen lokale Geschäfte unterstützen.

«Die ganze Klimajugend und die Fridays-for-Future-Bewegung bringen ein grundlegend anderes Mindset mit und konsumieren sehr bewusst.»

Rebekka Sommerhalder, Glore

In die Zukunft blickt Kunz verhalten optimistisch. «Ich hoffe nicht, dass nachhaltige Mode nur ein kurzer Trend ist – sondern dass die Dringlichkeit wahrgenommen wird. Dass es bei den grossen Massen ankommt, dass es nicht so weitergeht, wie der Textilhandel heute funktioniert.» Wenn sie sehe, wie ihre Kinder in der Schule lernen, welche Reise ein T-Shirt hinter sich hat, bis es an unserer Kleiderstange hängt und wie die Herstellungsbedingungen sind, so schöpft sie Hoffnung in die jüngeren Generationen. «Jüngere Menschen müssen wieder lernen, zu verzichten. Eine Vorstellung vom Wert der Ware zu erhalten und Qualität vor Quantität zu setzen. Denn Massenproduktion ist nie nachhaltig, keine Frage.»

Studien zeigen, dass jüngere Generationen eher bereit sind, tiefer in den Geldbeutel zu langen. Auch Sommerhalder glaubt, dass die Jungen einen Wandel mit sich bringen. «Die ganze Klimajugend und die Fridays-for-Future-Bewegung bringen ein grundlegend anderes Mindset mit und konsumieren sehr bewusst.»

Auch die Grossen springen auf den Nachhaltigkeitszug auf

Werden nachhaltige Modelabels einst zum Massenmarkt – oder immer eine Nische bleiben? Sommerhalder betont die Wichtigkeit politischer Massnahmen. Mit der Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung – den Sustainable Development Goals – scheint zumindest theoretisch ein wenig Bewegung in die Sache zu kommen. «Schliesslich muss sich schnell etwas verändern, sonst stehen wir bereits in zehn Jahren vor massiven Problemen.»

Immer mehr fällt auf, dass auch grosse, internationale Modekonzerne nachhaltige Kleiderlinien haben. Reines Green-Washing oder der Druck, auf den Trend Nachhaltigkeit aufzuspringen? Keine einfache Frage. Sommerhalder vermutet, dass es auch in grossen Unternehmen Menschen gibt, die nachhaltige Mode aus ehrlichem Interesse pushen. Und andere, die sich damit «primär bis ausschliesslich» ein grüneres Image verpassen wollen.

«Meiner Meinung nach sind aber die treibende Kraft die kleineren Läden, die voll und ganz auf Nachhaltigkeit setzen und dies in jeder Kleiderfaser umsetzen. Die kleineren Läden setzen die grösseren von unten unter Zugzwang – und natürlich müssen auch die Grossen mitziehen, weil wir die notwendige Veränderung alleine nicht schaffen.»

Verwendete Quellen
  • Website Glore
  • Website Boutique Mai
  • Telefongespräch mit Rebekka Sommerhalder
  • Telefongespräch mit Melanie Kunz
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