zentralplus wagt den atemberaubenden Selbstversuch

Trainieren mit Schutzmaske: Der letzte Schnauf wird fürs Fluchen gebraucht

Die Probandin allein mit den eigenen, maskierten Spiegelbildern. (Bild: wia)

Was man sich bis vor einem Jahr überhaupt nicht hätte vorstellen können, ist nun Realität: In geschlossenen, öffentlichen Räumen muss mit Maske trainiert werden. Wir haben den Selbstversuch gewagt und wurden sowohl positiv als auch negativ überrascht.

Während des Lockdowns wurden wir alle weicher. Um die Hüften, am Bauch, an allen Backen. Die Fitness- und Sportcenter waren geschlossen, man musste sich mit umfunktionierten Wasserflaschen behelfen, um den stählernen Bizeps mit improvisierten Gewichten bei Laune zu halten. Youtube-Yogasessions mit viel zu gut gelaunten Vorturnern feiten uns vor dem endgültigen Vergammeln.

Mit der Zunahme der Coronafälle im Oktober fürchteten viele, dass uns dasselbe Schicksal erneut ereilen werde. Doch der Bundesrat war gnädig. Fitnesscenter dürfen geöffnet haben, sofern sie ein gescheites Schutzkonzept haben. Und so lange die Besucher mit einer Maske trainieren.

Nun weiss jeder, der schon einmal mit Maske zum Zug gerannt ist, dass körperliche Betätigung mit Stoff vor der Nase deutlich anstrengender ist. Nicht wenige Menschen klagen im Zusammenhang mit dem Maskentragen ohnehin über Schwindel, Kopfweh und Atemnot.

Zwei Tests stehen an

Wie soll denn das beim Training funktionieren? Wagen sich überhaupt noch Sportsfreunde in die hiesigen Anstalten? Kann man mit Maske die gleiche körperliche Leistung erbringen wie sonst? Wir wollen es wissen und wagten den Selbstversuch. Zwei Selbstversuche, um genau zu sein. Zum einen unter Aufsicht im Fitnesscenter. Zum anderen in der Boulderhalle, wo die Maske seit einigen Wochen ebenfalls Pflicht ist.

One Training Center in Baar, Freitagabend um 17.30 Uhr. Platzangst muss man hier nicht haben. Nur wenige der Cardiogeräte sind besetzt. Eine überschaubare Menge an Trainierenden tummelt sich hingegen in den hinteren Ecken bei den Gewichten. Wir treffen auf Fitnesstrainer Giusi, der uns durchs Training begleitet. Er erklärt: «Freitagabende sind generell ruhig. Hinzu kommt, dass im Moment tatsächlich mehr Leute ihr Konditionstraining draussen absolvieren.»

Unser Trainer Giusi erklärt, wie man die Übung korrekt ausführt. (Bild: wia)

Er sagt weiter: «Zwar kommen zurzeit wegen der Coronamassnahmen kaum neue Fitnessnutzer dazu. Doch sind die bestehenden Mitglieder grundsätzlich sehr treu und sie kommen trotz Maskenpflicht.»

Ein junger Kerl geht an uns vorbei. Seinen Muckis nach zu urteilen ist er nicht das erste Mal hier. Seine schwarze, mit Metallteilen versehene Stoffmaske wirkt taff, er grüsst den Fitnesstrainer im Vorbeigehen dennoch freundlich.

Mehr Ächz als ohne Maske?

Auch wir wollen pumpen gehen. Naja, oder jedenfalls testen, wie sich das Krafttraining mit Einwegmaske anfühlt. Wir beginnen am Boden, fernab der Geräte und werden sogleich in die Unterarmstütze beordert. Die Maske stört bei dieser statischen Übung kaum. Doch kommen wir bereits bei der zweiten Übung mehr ins Schnaufen, als es uns lieb ist.  Im Ausfallschritt und mit gerader Körperhaltung sollen wir das hintere Knie bedächtig in Richtung Boden senken, der vordere Fuss steht auf einer leicht wackeligen Matte. Das Ganze wird mehrmals wiederholt. Ächz! Aber ist es tatsächlich mehr Ächz! als ohne Maske? Kaum. Auf diese Erkenntnis hin gibt’s gleich noch einen Kniebeuger.

Auch bei den weiteren Übungen, die Giusi an verschiedenen, auf unsere Bedürfnisse abgestimmten Kraftgeräten vorzeigt, kommen wir zum selben Schluss: Anstrengend ist das Training auf jeden Fall. Doch das Tragen der Maske fällt da kaum ins Gewicht.

Im Fitnesscenter ist es an diesem Freitagabend recht ruhig. (Bild: wia)

Ganz anders sieht es im Ausdauerbereich aus. Dass dort der Sauerstoffbedarf durch die Maske leicht gestört wird, merkt man durchaus. «Wir raten unseren Besuchern, dass sie besser einen Gang runterschalten und nicht am Limit trainieren sollen», sagt Giusi. Sollte sich jemand besonders verausgaben, werde der Besucher vom One-Team darauf angesprochen. Giusi absolviert sein Ausdauertraining aktuell ebenfalls lieber an der frischen Luft. «Das macht im Moment sicher mehr Sinn, wenn man sich das einrichten kann.»

Das Fazit: erstaunlich positiv

Eine Stunde später – wir haben uns insbesondere aufs Rückentraining konzentriert – verlassen wir das Fitnesscenter mit zwei Erkenntnissen. Zum einen, dass die Maske beim Trainieren, zumindest im Kraftbereich, gar nicht so schlimm ist. Jedenfalls nicht schlimmer als das eigentliche Training. Zum anderen: dass uns am nächsten Tag ein Muskelkater erwarten wird. Und zwar an Muskeln, von deren Existenz wir bis vor einer Stunde nichts wussten.

Als die neu entdeckten Muskeln wieder geschmeidig und schmerzfrei sind, folgt der zweite Versuch. Diesmal in der Boulderhalle im Zuger Freiruum.

Wo zum Henker sind meine Tritte?

Auch hier ist am Montagabend genug Platz vorhanden, der Mindestabstand kann locker eingehalten werden. Nach dem Aufwärmen folgt – noch guten Mutes – eine erste Kletterroute. Eine, die im Prinzip nicht besonders anstrengend ist und die wir bereits aus einer Zeit vor der Maskenpflicht kennen. Doch gelingen will sie auch nach mehreren Versuchen nicht.

Das hat mehrere Gründe. Die Maske nämlich verdeckt die Sicht auf die Tritte. Bewegungen, die wir unmaskiert ohne viel Federlesens tätigten, wollen und wollen einfach nicht gelingen. Informationen, die unser Gehirn ohne Maske «en passant» aus dem Augenwinkel erhalten hätte, müssen wir nun aktiv mit Blicken nach unten einholen. Das ist gewöhnungsbedürftig. Irgendwann gelingt die Route dann doch noch. Mit deutlich mehr Denkarbeit und Frustpotenzial als gewohnt.

Ein Balanceakt, der durch die Maske erschwert wird. (Bild: wia)

Im Gegensatz zum Krafttraining scheint uns die Maske beim Bouldern tatsächlich die Luft abzuschnüren. Nicht immer nämlich können alle Bewegungen kontrolliert durchgeführt werden, gerade dynamische Züge erfordern Explosivkraft und entsprechend Schnauf. Erklettert man anspruchsvolle Routen, muss alles stimmen. Kraft, Körperspannung, Balance sind gefragt, daneben auch Strategie. Das richtige Timing etwa bei Fusswechseln, das Ausloten verschiedener Varianten. Viele kleine Details kommen zusammen. Ist man konzentriert, gelingt eine Route deutlich leichter. Wenn dann beim Einatmen jedoch nicht ganz so viel Luft die Lungenflügel erreicht, ist das frustrierend. Und bringt die Kletterin aus dem Konzept respektive flugs runter auf die Matte.

Erwartungen ablegen und los geht's

Wir klettern an besagtem Tag also deutlich unter Niveau, keuchen die Wände hoch, der letzte Schnauf wird gebraucht, um in seemännischer Manier zu fluchen. Bis wir irgendwann japsend unser Schicksal akzeptieren. Dass diese Maske nun halt einmal ein Teil der Gegenwart geworden ist. Dass sie uns wohl noch eine Weile begleiten wird und wir mit ihr leben müssen.

Und dann geht’s plötzlich besser. Sind die Erwartungen erst einmal heruntergeschraubt, gelingen auch die schwereren Routen. Denn eigentlich ist es ja toll, dass es durch ein Stücklein Stoff möglich wird, dass Läden, Schulen und eben Fitnesscenter – bis dato – offen bleiben und uns das Rumturnen zwischen Sofa und Stubentisch erspart bleibt.

Auch in der Boulderhalle sind die Menschenmengen überschaubar. (Bild: wia)
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3 Kommentare
  • Profilfoto von MvR
    MvR, 19.11.2020, 12:21 Uhr

    Das Problem bei mir ist nicht die Maske an sich sondern dass mir die Brille beschlägt. Ich habe schon mehr als 1 Dutzend verschiedene Maskentypen ausprobiert und die einzigen die funktionieren würden sind FFP2 Masken. Aber damit kriege ich dann beim Trainieren definitiv nicht genügend Luft. Und ohne Brille geht nicht und deshalb gehe ich momentan nicht mehr ins Training und vermisse es sehr.

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  • Profilfoto von Rudolf
    Rudolf, 17.11.2020, 17:18 Uhr

    Man schafft die Übungen mit der Mund-Nase-Abdeckung tatsächlich, wenn man etwas weniger Gewicht nimmt und weniger Wiederholungen macht.

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  • Profilfoto von Adi
    Adi, 17.11.2020, 17:14 Uhr

    Die Universitäten machen zu aber trainieren darf man noch.
    Was für eine Gesellschaft…

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