Airbnb-Debatte erhält neuen Schwung

Touristen oder Wohnungen? Bauprojekt in Luzern heizt Debatte an

Ein Haus an der Theaterstrasse in Luzern wird derzeit umgebaut. Mario Stübi, Präsident des Mieterverbands, ist darüber eher nicht erfreut. (Bild: bic)

An der Theaterstrasse in Luzern entstehen derzeit 30 möblierte Kleinstwohnungen. Zielgruppe: Menschen, die sich vergleichsweise kurz in Luzern aufhalten. Beim Mieterverband glaubt man, mit der Airbnb-Initiative etwas gegen diese Entwicklung in der Hand zu haben. Der Vermieter bleibt derweil gelassen.

Es ist ein Bauprojekt, das vor ein paar Jahren wohl kaum für Aufmerksamkeit gesorgt hätte. Von aussen betrachtet weist wenig darauf hin, dass in dem Haus an der Theaterstrasse 13 in Luzern etwas im Gange ist, das die öffentliche Debatte beleben könnte. Erst wer das Plakat am Baugerüst genauer betrachtet, erkennt: Die Innenräume der Liegenschaft werden künftig nicht mehr gleich daherkommen wie bisher.

Anstatt den herkömmlichen werden hier künftig 30 möblierte Kleinstwohnungen stehen. Die bisherigen Mieterinnen mussten raus. Angeboten werden die Mietobjekte vom Unternehmen Cityflats. «Schöne Möbel, flauschige Frottée- und Bettwäsche, Geschirr, Kochutensilien: es steht alles für Dich bereit», heisst es auf der Website des Unternehmens. Ausserdem würden die Wohnungen einmal im Monat im Auftrag der Firma geputzt.

Wird auch hier für Kurzaufenthalter gebaut?

Es braucht nicht viel Fantasie, um zu erkennen, dass sich das Angebot in erster Linie an Leute richtet, die sich vergleichsweise kurz in Luzern aufhalten. Zumal es auf der Homepage weiter heisst: «Ein Engagement auf Zeit. Du bleibst flexibel, da unsere Kündigungsfrist bei zwei Monaten liegt.»

In der Stadt Luzern des Jahres 2021 wirft ein solches Projekt Fragen auf. Irritiert zeigt sich etwa der Mieterinnen- und Mieterverband Luzern. «Mit diesem Umbau wird Wohnraum für Einheimische vernichtet. Zugunsten von kurzen Aufenthalten von Touristinnen und Touristen von einem bis wenige Tage», kritisiert Präsident Mario Stübi, der für die SP im Stadtparlament sitzt.

Seine Partei kämpft gemeinsam mit der Juso, dem Mieterinnen- und Mieterverband sowie dem Hauseigentümerverband Casafair gegen die kommerzielle Kurzzeitvermietung von Wohnungen via Airbnb und Co. Ihre kürzlich eingereichte Volksinitiative fordert, dass diese Art der Vermietung auf 90 Tage im Jahr beschränkt wird (zentralplus berichtete).

«Nicht für Touristen»

Stellt sich also die Frage, warum eine Liegenschaftsbesitzerin mit Blick auf die aktuellen politischen Diskussionen rund um Tourismus, Wohnraum und Airbnb ein solches Projekt lanciert. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Airbnb-Initiative in der Bevölkerung mehrheitsfähig sein könnte und die Diskussion ja nicht mehr ganz neu ist.

«Unsere Mieterinnen sind Menschen, die einen mehrmonatigen bis mehrjährigen Aufenthalt in Luzern absolvieren.»

Alexander Galliker, Architekt und Mitinhaber von Cityflats

Die Vermietungsfirma Cityflats ist Teil der TAT Immobilien Holding AG mit Sitz in Luzern. Inhaber der TAT-Gruppe sind der Luzerner Architekt Alexander Galliker sowie dessen Geschäftspartner Thomas Reumschüssel. Auch das Unternehmen, dem das Haus an der Theaterstrasse gehört, ist Teil der TAT-Gruppe.

«Die Cityflats haben nichts mit Airbnb zu tun, da sich solche Angebote eher an Touristinnen und Touristen mit einem Interesse an Kurzaufenthalten richten. Unsere Apartments haben jedoch eine Mindestmietdauer von vier Monaten», schreibt Alexander Galliker auf Anfrage. Er bestätigt, dass wegen des Umbauprojektes an der Theaterstrasse zwei Mietparteien gekündigt wurde. Es sei bei Umbauten und Totalsanierungen nicht unüblich, dass einzelne Kündigungen erfolgen müssen.

Wohnungen für Leute in Ausbildung oder mit Temporärjob

Das Projekt an der Theaterstrasse ist nicht das erste von Cityflats. Das Unternehmen vermietet in Luzern schon seit einigen Jahren diverse Apartments. «Die durchschnittliche Mietdauer dieser Ein-Zimmer-Apartments beläuft sich aus unserer Erfahrung auf neun Monate. Einige Mieter leben auch mehrere Jahre in unseren Wohnungen», erklärt Galliker.

Und weiter: «Unsere Mieterinnen sind Menschen, welche einen mehrmonatigen bis mehrjährigen Aufenthalt in Luzern absolvieren. Dies meist aufgrund einer Arbeitsstelle oder Ausbildung.» Mit dem Umbau schaffe man folglich zusätzlichen Wohnraum für diese Menschen. Das Konzept habe sich in der Hochschulstadt Luzern bewährt. Galliker betont zudem, dass mit dem Umbauprojekt die Wohnfläche um mehr als 80 Prozent vergrössert werde. Statt 294 würden es künftig deren 530 Quadratmeter sein.

Gallier betont zudem, dass genau solche Wohnungen von in Luzern lebenden Leuten nachgefragt würden und das Angebot sich «sinnvollerweise nach der Nachfrage richten» sollte, um Knappheiten zu vermeiden. «Bisher gab es an der Theaterstrasse 13 lediglich drei Wohnungen, wovon eine nicht mehr vermietet war. Bewohnt wurde das Gebäude von insgesamt vier Personen», so Galliker.

Das Bauprojekt steht kurz vor dem Abschluss.

Greift die Initiative beim Projekt gar nicht?

Das Projekt fällt demnach gar nicht unter die Bestimmungen der Airbnb-Initiative. Zum einen, weil sich also diverse Mieter länger in Luzern aufhalten sollen, zum anderen wegen des Vermietungskonzepts. Denn die Initiative fusst auf dem Gesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Luzern und greift nur bei Mieterinnen, die sich weniger als zwei Monate im Kanton aufhalten.

Ist die Airbnb-Initiative mit Blick auf das Projekt an der Theaterstrasse letztlich ein Tropfen auf den heissen Stein? Weil es für die Vermieter trotzdem Möglichkeiten gibt, lukrative Kleinstobjekte für (ausländische) Kurzaufenthalter zu realisieren?

«Für Studierende ist eine Wohngemeinschaft immer noch die günstigste Unterkunft.»

Mario Stübi, Präsident Mieterverband

Mario Stübi verneint, denkt bereits einen Schritt weiter und warnt trotz allem vor dem Neubauprojekt «Es gibt keinerlei Garantie, dass der Anbieter seine Objekte nicht nach einer Weile ganz oder teilweise auf Plattformen für touristische Kurzzeitvermietungen wie Airbnb anbietet, sollte das Geschäft mit diesen Longstay-Apartments nicht wie gewünscht laufen», hebt er die Wichtigkeit der Airbnb-Initiative aus Sicht seines Verbandes hervor.

Denn gerade Geschäftsreisen blieben mit der Pandemie noch eine Weile ziemlich unattraktiv. «Und für Studierende ist eine Wohngemeinschaft im Übrigen immer noch die günstigste Unterkunft», so Stübi. Er bleibt bei seiner Ansicht, wonach das Umbauprojekt an der Theaterstrasse Wohnraum für Einheimische vernichte.

Weiter will man zumindest beim Mieterinnen- und Mieterverband will man keine Kenntnis davon haben, dass bei in Luzern wohnhaften Personen eine Nachfrage nach Objekten besteht, wie sie bald an der Theaterstrasse zu haben sind. Grundsätzlich geht Präsident Mario Stübi mit Vermieter Alexander Gallier zwar einig, dass die Schaffung von Wohnraum positiv zu betrachten sei. «Ich bezweifle aber, dass Luzernerinnen und Luzerner bereit sind, für kleinere Wohnungen höhere Mieten zu bezahlen. Denn diese Apartments sind massiv teurer als herkömmliche Wohnungen», sagt Stübi mit Blick auf die auf der Homepage von Cityflats präsentierten Mietpreise und trotz der Ankündigung, dass künftig mehr Menschen an der Theaterstrasse wohnen werden als heute.

Debatte dürfte nicht ruhiger werden

Obwohl sich das Projekt nicht direkt an Touristinnen richtet, wird es sicher zur immer emotionaler werdenden Debatte rund um das Thema Wohnraum beitragen. Mario Stübis Ausführungen lassen zudem erahnen, dass in absehbarer Zeit auch Vermietungsangebote wie diejenigen von Cityflats aufs politische Tapet kommen könnten – zumindest scheint das nicht ausgeschlossen. Vielleicht ist die Airbnb-Initiative also erst der Anfang einer neuen Runde im Luzerner Wohnraumstreit.

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5 Kommentare
  • Profilfoto von Michel von der Schwand
    Michel von der Schwand, 18.08.2021, 09:48 Uhr

    Anstelle immer alles regulieren zu wollen, sollte sich die Stadt vom Heimatschutz- und Denkmalschutz-Fetischismus lösen. Nicht jedes Gebäude ist schützens- oder erhaltenswert. Man kann sich getrost auch mal von etwas Altem verabschieden. Der Bewilligungsprozess ist äusserst bemühend. Beamte spielen sich auf, lassen sich Zeit und beanstanden plötzlich Dinge, welche bereits genehmigt worden sind. Etwas mehr Flexibilität wäre äusserst wünschswert. Nicht verwunderlich, dass sich Hausbesitzer überlegen, wie und mit welchem geringen Aufwand der maximale Ertrag erwirtschaftet werden kann. Lukrativ ist immer noch die Platzschaffung für das horizontale Gewerbe. Zwar frequentiert nicht jeder Beamter gerne solche Liegenschaften, aber es «läpert» sich so oder so etwas zusammen. Holdrio!

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    Kommentarschreiber, 16.08.2021, 15:11 Uhr

    @zentralplus
    Um die statistische Relevanz eurer Meinungsumfragen abschätzen zu können, wäre jeweils die Anzahl der an einer Umfrage Teilnehmenden noch interessant. Liesse sich das nicht einfach bewerkstelligen?

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      Redaktion zentralplus, 16.08.2021, 16:25 Uhr

      Lieber Remo Genzoli
      Besten Dank für den Input, wir werden dies gerne intern besprechen.

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    Rentner J,, 15.08.2021, 07:29 Uhr

    Bestens fürs Gewerbe geeignet,

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  • Profilfoto von Jörg
    Jörg, 15.08.2021, 07:28 Uhr

    Naja bestens für einschlägies Gewerbe geeignet

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