Warum braucht der reiche Kanton Zug überhaupt Tourismus?
Dominic Keller ist seit Januar 2023 Geschäftsführer von Zug Tourismus. (Bild: zvg)
Zug gilt als Wirtschaftsstandort, nicht als Tourismus-Hotspot. Doch der Tourismus-Chef hat Pläne, gegen touristischen Schwergewichte wie Luzern und Zürich zu bestehen.
Geht es um Tourismus in der Zentralschweiz, denken viele in erster Linie an Luzern oder die umliegenden Berggipfel. Der Kanton Zug steht hingegen bei den wenigsten Reisegästen zuoberst auf der Liste der Wunschdestinationen. Klar, der Geschäftstourismus in der Stadt Zug floriert. Unter der Woche sind Hotels in Zug oft ausgebucht. Übers Wochenende bleiben die Betten aber eher leer.
Darum unternimmt Zug Tourismus verschiedene Anstrengungen, um die Region beliebter zu machen. Wie die aussehen und wo die Tourismusorganisation in Zukunft hin möchte, wollen wir von Dominic Keller, CEO von Zug Tourismus, wissen.
zentralplus: Herr Keller, warum braucht der reiche Kanton Zug überhaupt Tourismus?
DominicKeller: Tourismus bringt nicht nur Gäste, sondern auch Mehrwert für die Bevölkerung, lokale Wirtschaft, Gastronomie und Hotellerie. Zudem trägt er zur Standortattraktivität bei – für Unternehmen, Talente und Einwohner gleichermassen. Zug ist ein dynamischer Kanton, der nicht nur als Wirtschaftsstandort, sondern auch als Lebensraum überzeugt. Ein starker Tourismus unterstützt dieses Gesamtbild, stärkt den lokalen Handel und schafft Erlebnisse für Gäste und Einheimische.
zentralplus: Sie haben das Amt als Chef von Zug Tourismus Anfang 2023 übernommen. Was hat sich im Tourismus seither geändert?
Keller: Seit Januar 2023 haben wir den Tourismus in Zug gezielt weiterentwickelt, indem wir die Vernetzung zwischen Wirtschaft, Politik, Kultur und Freizeit gestärkt haben. Als langjähriger Bewohner von Zug – ich lebe seit 14 Jahren in der Stadt – kenne ich die lokalen Strukturen, die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die Bedürfnisse der Bevölkerung sehr gut. Dieses Wissen hat mir geholfen, gezielt Massnahmen zu ergreifen, die Zug als attraktive Destination für Gäste weiterentwickeln und gleichzeitig die Interessen der Einheimischen berücksichtigen.
zentralplus: Können Sie ein paar konkrete Beispiele nennen?
Keller: Zuerst haben wir eine klare strategische Ausrichtung erarbeitet, die sowohl eine Marketingstrategie als auch eine Nachhaltigkeitsstrategie umfasst. Ein wichtiger Meilenstein war unser Beitritt zum Swisstainable-Programm des Schweizer Tourismusverbands, mit dem wir nachhaltige Angebote in der Region fördern. Darüber hinaus haben wir den Ausbau von Kooperationen mit innovativen Partnern aus der Region vorangetrieben. Die Zusammenarbeit mit anderen Tourismusregionen wurde intensiviert, insbesondere im Bereich der Digitalisierung, um Synergien zu nutzen und Zug als moderne, vernetzte Destination zu positionieren. Unsere Initiativen wie die Zug Card (zentralplus berichtete) oder verstärkte Aktivitäten im Eventbereich tragen dazu bei, neue Zielgruppen anzusprechen.
zentralplus: Sie möchten die Region Zug auch national bekannter machen. Wie soll das gelingen?
Keller: Als Austragungsort der National Summer Games 2026 von Special Olympics Switzerland bereitet sich Zug darauf vor, dieses nationale Sportevent vom 28. bis 31. Mai 2026 zu hosten (zentralplus berichtete). Zudem präsentiert sich Zug beim Sechseläuten 2025 in Zürich mit einem Stand am Lindenhofplatz (zentralplus berichtete).
zentralplus: Inwiefern hat es Zug als Tourismusdestination schwieriger als andere Orte in der Schweiz?
Keller: Zug ist keine klassische Tourismusdestination mit weltbekannten Sehenswürdigkeiten wie Luzern oder Zürich. Unsere Herausforderung liegt darin, die Einzigartigkeit von Zug – die Kombination aus dynamischer Wirtschaft, hoher Lebensqualität, naturnaher Erholung – gezielt zu kommunizieren. Zug wird als touristischer Geheimtipp für stilvolle Kultur- und Design-Erlebnisse, entspanntes Innenstadt-Sightseeing, grosse Momente am Ägeri- und Zugersee und vielfältige Outdoor-Erlebnisse in der Region wahrgenommen. Während Luzern und Zürich stark auf internationalen Städtetourismus setzen, ist Zug besonders für Business-Gäste und Kurzaufenthalte attraktiv. Unser Ziel ist es, diesen Mix strategisch weiterzuentwickeln.
zentralplus: Hat Zug überhaupt genügend Hotels für einen wachsenden Tourismus?
Keller: Die begrenzte Hotelkapazität bleibt eine der grössten Herausforderungen in der Region. Besonders zu Spitzenzeiten. Dies wirkt sich auf die Übernachtungsmöglichkeiten für Touristen, Geschäftsreisende und Veranstaltungsgäste aus. Daher setzt sich Zug Tourismus aktiv dafür ein, Investitionen in zusätzliche Beherbergungsangebote zu fördern und alternative Unterkunftsformen attraktiver zu gestalten.
zentralplus: Wie sieht es mit alternativen Unterkunftsformen wie etwa einem Campingplatz aus?
Keller: Ein Campingplatz ist aktuell in der Stadt Zug leider nicht geplant, sollte aber eine sinnvolle Ergänzung für das Beherbergungsangebot in Zug sein. Er würde neue Zielgruppen wie Natur- und Outdoor-Touristen, Budget-Reisende und die wachsende Van-Life-Community ansprechen. Zudem fördert Camping nachhaltigen Tourismus und trägt zur regionalen Wertschöpfung bei, indem es Gäste in die Stadt bringt, die lokale Gastronomie und Freizeitangebote nutzen.
zentralplus: Welche Art von Tourismus will Zug konkret fördern?
Keller: Wir wollen nicht Masse, sondern gezielte Mehrwerte für Gäste und Einheimische schaffen – mit nachhaltigen, hochwertigen und authentischen Erlebnissen. Business-Tourismus spielt eine grosse Rolle, aber auch Individualreisende entdecken Zug als Rückzugsort. Im Freizeittourismus liegt unser Fokus vor allem auf dem Markt Schweiz. Da gibt es noch viel Potenzial in der Romandie oder auch im Tessin.
zentralplus: Warum gerade das Tessin und die Romandie?
Keller: Das Tessin und die Westschweiz haben eine hohe Kaufkraft und ein ausgeprägtes Interesse an qualitativ hochwertigen Freizeit- und Kulturerlebnissen. In den letzten Jahren wurden zudem die ÖV-Verbindungen aus dem Tessin und der Westschweiz ausgebaut und verbessert, was die Erreichbarkeit von Zug weiter optimiert hat.
zentralplus: Spielt es auch eine Rolle, dass beispielsweise Lugano und Genf auch immer mehr zum Krypto-Hub werden, wie es Zug schon ist?
Keller: Die Entwicklung von Lugano und Genf als Krypto-Hubs bietet spannende Synergien. Zug ist weltweit als «Crypto Valley» bekannt und zieht führende Unternehmen der Blockchain-Branche an. Die wachsende Vernetzung zwischen diesen Städten stärkt nicht nur den Wirtschaftsstandort Schweiz, sondern eröffnet auch neue Chancen im Business-Tourismus. Konferenzen, Netzwerkevents und Fachbesucher profitieren von diesen Verbindungen – und das wollen wir gezielt fördern.
zentralplus: Bis jetzt haben wir viel über Gäste aus der Schweiz gesprochen. Wie sieht es mit Touristinnen aus dem Ausland aus?
Keller: Für Zug Tourismus ergibt es derzeit keinen Sinn, die aktive Marktbearbeitung ausserhalb Europas intensiv zu betreiben. Einerseits fehlen uns die Mittel für eine gezielte Bearbeitung dieser Fernmärkte, andererseits sehe ich dies als Aufgabe von Schweiz Tourismus, die international breiter aufgestellt sind.
Dieser Artikel ist der erste Teil einer Reihe über den Zuger Tourismus. Das Interview wurde in schriftlicher Form geführt.
Arbeitet seit 2020 bei zentralplus und betreut den Bereich Gastronomie.
In Luzern und Zug aufgewachsen und schon seit bald 20 Jahren als Texter und Autor unterwegs. Steht privat gerne am Herd und war während mehreren Jahren als Assistenz einer Luzerner Störköchin tätig.