Trotz mehr Ausflüglern schliessen der «Hintergeissboden» und das Restaurant Zugerberg. Renya Heinrich von Zug Tourismus verlangt jetzt ein Gesamtkonzept für den Zugerberg.
«Personalmangel, an den Gästen liegt es nicht», entgegnet Manuela Pally auf die Frage, weshalb sie den Betrieb ihres Gasthofs Hintergeissboden auf dem Zugerberg per Ende Februar aufgibt. Die in der Berggastronomie erfahrene Wirtin hat das Restaurant im Dezember 2018 übernommen, nachdem sie zwei Jahre auf dem Gasthof ausgeholfen hatte. (zentralplus berichtete).
Flexibilität gehört zum Geschäft in Restaurants wie dem «Hintergeissboden». Mit schönen Wochenendtagen könne sie Schlechtwettertage gut ausgleichen, meint Pally. «Nur brauche ich dann schnell mal vier bis fünf Personen mehr in der Bedienung.» Zudem sei jüngst sei eine Person in Pension gegangen, die sie regelmässig als Joker habe einsetzen können. Und der Koch, der sie unterstütze, sei eigentlich auch schon pensioniert.
Personalsituation zu oft auf tönernen Füssen
Aus ihren Äusserungen wird deutlich: Das andauernde Jonglieren mit Personal ist ihr zu heikel geworden. Im Ernst- oder Notfall droht die Qualität zu leiden, was den Ruf und damit das Geschäft schädigen könnte. Dass sie daher mit dem «Hintergeissboden» abgeschlossen hat, ist nachvollziehbar. Den Entscheid hat sie bereits im letzten Sommer gefällt.
«Ich staune immer wieder, wie gross das Einzugsgebiet des Zugerbergs ist. Die Leute kommen teils von weit her zu uns.»
Manuela Pally, Wirtin Restaurant Hintergeissboden
Sie äussert sich entsprechend unbeschwert, schiebt aber noch nach, dass die höheren Sozialkosten sowie die gestiegenen Kosten für Lebensmittel und Strom die Ausgangslage für die Gastronomie nicht eben vereinfachen. Zugleich hält sie aber auch fest: «Ich staune immer wieder, wie gross das Einzugsgebiet des Zugerbergs ist. Die Leute kommen teils von weit her zu uns.»
Mit der Korporation Zug, der Eigentümerin des Restaurants, habe sie sich stets sehr gut verstanden. Nach vier coronabedingt eher schwierigen Jahren biete sich nun eine «tolle Ausgangssituation» für die Nachfolge. Der Hintergeissboden profitiert schliesslich mit 30 Minuten Gehdistanz ab Bergbahnstation von einer guten Lage. «Ich denke aber, dass ein Wirtepaar dank Arbeitsteilung mit der schwankenden Arbeitslast viel besser umgehen kann als ich als Einzelbetreiberin», gibt sie zu bedenken.
Doppelte Lücke im Gastronomieangebot
Die Korporation Zug hat die Pacht für den «Hintergeissboden» auf 1. April 2023 ausgeschrieben. Am 15. Dezember ist die Frist für Interessenten abgelaufen. Auf Nachfrage bei Korporationsschreiber Daniel Schwerzmann wird deutlich, dass er noch weit davon entfernt ist, eine Nachfolgelösung zu präsentieren. Kann also gut sein, dass das Restaurant Hintergeissboden auch noch im April zu bleiben muss.
Gleichzeitig klafft auf dem Zugerberg bereits eine Lücke im gastronomischen Angebot. Das während der aufwändigen Erneuerung des Trassees vorübergehend geschlossene Restaurant Zugerberg ist mit der Neueröffnung der Bergbahn am 11. Dezember nicht wieder aufgegangen.
Was infolge Pensionierung des vormaligen Pächters per Anfang 2022 vorderhand so bleibt. Bis Sommer 2023 wird laut Karin Fröhlich, Sprecherin der Zugerland Verkehrsbetriebe, das Institut Montana die Räumlichkeiten für Seminare zwischennutzen.
In Bergbahnnähe bald nur noch «Vordergeissboden» offen
Damit ist klar: Der Zugerberg nimmt den Frühling 2023 zwar mit frisch renoviertem Bergbahntrasse, aber gleichzeitig auch mit gastronomischer Schlagseite in Angriff. Wer oben in der Nähe der Bergbahn einkehren will, kann das nur noch im «Vordergeissboden» tun. Eine Einkehrmöglichkeit bietet zwar auch die Alpwirtschaft Brunegg. Doch dauert es auf Schusters Rappen 45 Minuten dort hin.
Dass der Zugerberg den Zugern als Naherholungsgebiet für viele Wanderer, Ruhesuchende, Biker und Naturliebhaber ganz besonders am Herzen liegt, ist Karin Fröhlich von der ZVB nur allzu bewusst. «Dazu gehört aber auch ein gutes gastronomisches Angebot», wie sie hervorhebt. Mit der zu erwartenden kleineren Misere kann sie also alles andere als zufrieden sein.
«Es gibt tatsächlich Zugerinnen und Zuger, die sich bei mir schon darüber beklagt haben, dass immer mehr Ausflügler von ausserhalb kommen.»
Renya Heinrich, Geschäftsleiterin Zug Tourismus
Und Renya Heinrich, Geschäftsleiterin von Zug Tourismus, streicht heraus: «Der Zugerberg bietet enormes Potenzial. Dass er von der Stadt aus in weniger als einer halben Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist, bietet ein seltenes Plus.» In ihrem Portfolio, das sie zur Beförderung des Zuger Erlebnistourismus bewirbt, ist der Zugerberg als Perle positioniert. Entsprechend arbeitet sie mit ihrem Team sehr aktiv daran, ihn mit Marketingmassnahmen bekannter zu machen.
Der Zugerberg nur den Zugern
Damit stösst Heinrich überraschenderweise auch auf Kritik: «Es gibt tatsächlich Zugerinnen und Zuger, die sich bei mir schon darüber beklagt haben, dass immer mehr Ausflügler von ausserhalb kommen. Wir sollen den Zugerberg weniger ins Schaufenster stellen und bewerben.»
Dies sorgt bei der Tourismusexpertin, deren klarer Auftrag es ist, die Erlebniswerte des Kantons Zug herauszustreichen, für gelindes Befremden. «Umso mehr, wenn ich gleichzeitig höre, dass die Gastronomie in solchen Gebieten unter den Schlechtwettertagen leidet.»
«Dem Zugerberg fehlt es an einem ganzheitlichen Konzept für Gastronomie und Tourismus»
Renya Heinrich
Renya Heinrich kennt den Zugerberg, auch als aktive Outdoorsportlerin. Sie sei schon auf dem Berg gewesen, ohne dass nur eines der drei Restaurants offen gehabt habe. «Dem Zugerberg fehlt es an einem ganzheitlichen Konzept für Gastronomie und Tourismus», stellt sie mit ernüchternder Klarheit fest. «Das Bedürfnis nach Erholung und mehr Naturnähe ist unbestritten vorhanden. Ebenso die Bereitschaft, sich diese Erlebnisse bei fast jedem Wetter zu gönnen.»
Es braucht ein Tourismus- und Gastrokonzept auf dem Zugerberg
Sie verweist auf die Bündner Touristenorte Lenzerheide, Davos oder Laax. Diese bewirtschaften inzwischen auch die Zwischensaisons mit Erfolg und haben sich damit zu Ganzjahresdestinationen gemausert. Renya Heinrich ist der Ansicht, dass auch die Betriebe auf dem Zugerberg noch viel mehr herausholen können. Der Zuger Hausberg kann nach ihrer Meinung zur florierenden Tourismusdestination werden.
«Wenn jeder weiter für sich allein wirtschaftet, geht viel Potenzial verloren.»
Renya Heinrich
«Doch braucht es dafür ein Gesamtkonzept, hinter dem alle Beteiligten stehen können. Wenn jeder weiter für sich allein wirtschaftet, geht viel Potenzial verloren.» Kritik ist leicht geäussert. Kann sie sich denn vorstellen, dass Zug Tourismus sich aktiv und unterstützend einbringt?
Renya Heinrich ist sich bewusst, dass sie die einzelnen Herausforderungen der Restaurantbetreiber nicht im Detail kennt und bittet daher um etwas Nachsicht. Um Schuldzuweisungen gehe es ihr nicht.
Zug Tourismus bietet gerne Support an
Das Marketingwissen bei Zug Tourismus sei gross, tourismusfördernde Projekte zu unterstützen, sei eine Kernaufgabe ihrer Organisation. «Bei der Weiterentwicklung des Ausflugsziels Zugerberg arbeiten wir gerne mit», bekräftigt Renya Heinrich. «Zug Tourismus kann mit Konkurrenzanalysen dienen. Auch bei der Ausarbeitung des Konzepts können wir mithelfen.»
Die Geschäftsführerin von Zug Tourismus lässt damit vermuten, dass die sich anbahnende Gastrokrise auf dem Zugerberg auch zur Chance werden könnte. Nämlich, wenn man viel koordinierter und verkaufsorientierter zusammenarbeite als bis anhin.
Renya Heinrich wird das nichts mehr angehen, weil die Heimwehbündnerin demnächst zu Chur Tourismus wechselt. Aber das siebenköpfige Team erhält in Kürze mit Dominic Keller einen erfahrenen neuen Geschäftsführer, der schon lange in Zug lebt und den Zugerberg auch gut kennt (zentralplus berichtete).
- Telefon mit Renya Heinrich, Zug Tourismus
- Telefon mit Manuela Pally, Restaurant Hintergeissboden
- Telefon mit Daniel Schwerzmann, Schreiber Korporation Zug.
- E-Mail-Verkehr mit Karin Fröhlich, Zuger Verkehrsbetriebe