Abstimmung am 27. November

Neue Gondelbahn: An der Rigi kommt es zum Showdown

Noch steht die Seilbahn zwischen Weggis und Rigi-Kaltbad vor einer unsicheren Zukunft. (Bild: Rigi.ch)

Das Gondelbahn-Projekt an der Rigi beschäftigt die Gemeinde Weggis seit Jahren. Im November kommt es zur wegweisenden Abstimmung. zentralplus fasst zusammen.

Wenn die Stimmbevölkerung einer Gemeinde über eine Änderung im Zonenplan abstimmt, klingt das zuerst immer sehr trocken. Zu technisch die Vorlage, zu unkonkret die Auswirkungen. Anders ist es am 27. November in Weggis.

Auch dort stimmen die Einwohnerinnen über eine solche Änderung im Zonenplan ab. Doch die Abstimmungsvorlage bringt weitreichende Veränderungen mit sich. Und darum gehen in Weggis und weit über die Gemeinde hinaus seit Monaten, eher wohl schon seit Jahren, die Wogen hoch. Es geht um die Zukunft der Seilbahn zwischen Weggis und Rigi Kaltbad. zentralplus fasst zusammen.

1. Die Ausgangslage

Die bestehende Seilbahn hat das Ende ihres Lebenszyklus erreicht. Sie ist seit über 50 Jahren in Betrieb. Diesen Herbst hat sie ihre allerletzte Konzession für weitere fünf Jahre erhalten. Ende 2027 bleiben die beiden Gondeln in der Tal-, respektive Bergstation stehen.

Damit es nicht so weit kommt und die Verbindung zwischen Weggis und Rigi Kaltbad auch in Zukunft gewährleistet ist, planen die Rigi Bahnen eine Erneuerung der Seilbahn.

2. Der Seilbahnkorridor

Hier wird es bereits knifflig. Denn die Weggiser stimmen am 27. November nicht über das neue Seilbahn-Projekt ab. Sondern wie erwähnt lediglich über eine Änderung im Zonenplan: «Teilrevision Zonenplan Seilbahnkorridor und Bergstation Rigi Kaltbad» heisst der nüchterne Titel der Abstimmungsvorlage.

Die Visualisierung zeigt die künftige Bergstation. (Bild: Rigi Bahnen)

Doch die Abstimmung ist wegweisend: «Bei einer Ablehnung des Seilbahnkorridors könnte keine neue Bahn gebaut werden», sagt Rigi Bahnen CEO Frédéric Füssenich auf Anfrage. Somit würde die bestehende Seilbahn weitere fünf Jahre laufen und käme dann zum endgültigen Stillstand.

Der Seilbahnkorridor schafft nämlich die raumplanerische Grundlage für den Bau einer Seilbahn. Ohne Korridor keine Seilbahn. Als die Seilbahn Weggis-Kaltbad gebaut wurde, gab es diese Bestimmung noch nicht. Nun, mit der Erneuerung der Seilbahn, ist sie fällig. Auf welche Art und Weise die Bahn erneuert wird, ist dabei irrelevant.

3. Das Projekt

Die Abstimmung zum Seilbahnkorridor läuft also unabhängig zum geplanten Projekt. «Im Sinne der Transparenz», wie Füssenich sagt, haben die Rigi Bahnen aber bereits kommuniziert, dass die heutige Pendelbahn durch eine Gondelbahn ersetzt werden soll. Bei einer Pendelbahn verkehren immer zwei Gondeln in entgegengesetzter Richtung bergauf respektive bergab. Bei einer Gondelbahn hingegen hängen mehrere kleine Gondeln an ein und demselben Drahtseil und zirkulieren zwischen Berg und Tal. Gondelbahnen kennt man vor allem von Skigebieten oder auch von der Seilbahn Kriens-Krienseregg-Fräkmüntegg.

«Bei einer Gondelbahn hat jeder Gast einen Sitzplatz und kann die wunderschöne Aussicht auf den Vierwaldstättersee geniessen.»

Frédéric Füssenich, CEO Rigi Bahnen

21 Gondeln mit je zehn Sitzplätzen sollen so künftig zwischen Weggis und Kaltbad zirkulieren. Damit steigt die Kapazität der Seilbahn von heute 650 auf 850 Passagiere pro Stunde an. Ursprünglich planten die Rigi Bahnen gar eine Verdoppelung der Personenkapazität. Wegen der Corona-Pandemie sah sich das Unternehmen aber gezwungen, das Projekt aus finanziellen Gründen zu redimensionieren. Nun wird das Projekt die Rigi Bahnen schätzungsweise 25 Millionen Franken kosten.

Blick aus einer Gondel auf den Vierwaldstättersee im Herbst.
So würden die neuen Gondeln aussehen. (Bild: Rigi Bahnen AG)

Bei der Wahl für eine Gondelbahn handelt es sich um einen unternehmerischen Entscheid. Die neue Bahn ermöglicht einen flexibleren Betrieb als die bisherige Pendelbahn. Und sie bietet vor allem mehr Komfort. Frédéric Füssenich sagt: «Anstatt in einer Grossraumkabine mit 70 Personen dichtgedrängt auf Kaltbad zu fahren, hat bei einer Gondelbahn jeder Gast einen Sitzplatz und kann die wunderschöne Aussicht auf den Vierwaldstättersee geniessen.»

4. Die Gegner

Obwohl die Weggiserinnen im November also nur über den Korridor abstimmen, ist zum Projekt der Rigi Bahnen schon einiges bekannt. Aber auch nicht besonders viel. Und das sorgt für Kritik.

Im Zentrum dieser Kritik steht der Schutzwald an der Südwestflanke der Rigi. Der Wald schützt die tiefer gelegenen Siedlungsgebiete vor Steinschlag. Acht Umweltschutzverbände, darunter WWF, Pro Natura und der Landschaftsschutzverband Vierwaldstättersee, haben darum Einsprache gegen die Zonenplanänderung eingereicht (zentralplus berichtete). Sie kritisieren, dass die Auswirkungen des Neubaus auf den Schutzwald unklar seien, weil kein konkretes Projekt vorliege.

«Zusammengefasst soll der Stimmbürger über eine Vorlage abstimmen, deren tatsächlichen Auswirkungen aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht erkennbar sind.»

Auszug aus der Einsprache der Umweltverbände

In der Einsprache heisst es: «Zusammengefasst soll der Stimmbürger über eine Vorlage abstimmen, deren tatsächlichen Auswirkungen aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht erkennbar sind.» Eine Rodungsbewilligung und eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) seien eine zwingende Voraussetzung für die Einzonung. Diese wiederum «können nur durchgeführt werden, wenn das geplante Projekt ebenfalls spruchreif vorliegt.»

Bahnen-CEO Frédéric Füssenich hält dem entgegen, dass sich die Rigi Bahnen und die Gemeinde Weggis an das vom Bundesamt für Verkehr (BAV) vorgegebene Verfahren halten. Und er wischt auch die Bedenken zur künftigen Funktion des Schutzwalds vom Tisch: «Der Schutzwald wird auch bei einer Gondelbahn seine volle Funktion wahrnehmen können», hält Füssenich fest.

5. Weitere Kritik

Zur Kritik der Umweltschutzverbände zum Vorgehen der Rigi Bahnen kommen Bedenken wegen des Landschaftsbilds hinzu. Denn die Rigi ist ein Objekt im Inventar der Schweizer Landschaften und Naturdenkmäler (BLN). Fraglich ist deshalb, wie sich die neue Gondelbahn auf dieses Landschaftsbild auswirken würde.

Zwar liegt ein Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (EHNK) vor. Dieses datiert aus dem Jahr 2019 und kommt zum Schluss, dass die neue Gondelbahn zu keiner «schweren zusätzlichen Beeinträchtigung des BLN-Objekts führen wird.» Allerdings seien im Verlauf der Planung weitere Abklärungen nötig, um sicherzustellen, «dass das Vorhaben tatsächlich zu einer höchstens leichten zusätzlichen Beeinträchtigung führen wird.»

Die Landschaften der Rigi gelten als Naturdenkmäler. Die neue Gondelbahn darf dieses Landschaftsbild nicht beeinträchtigen. (Bild: Rigi-Bahnen)

Auch in diesem Punkt reagieren die Umweltverbände mit Unverständnis. Gemäss Gesetzgebung zum Natur- und Heimatschutz müsste ein neues Projekt klare Verbesserungen gegenüber der jetzigen Situation mit sich bringen. «Es darf die bereits bestehende schwere Beeinträchtigung des BLN-Objekts
sicher nicht noch vergrössern», heisst es in der Einsprache.

6. Diese Akteure reden ebenfalls mit

Die Kritik an der Änderung des Zonenplans beschränkt sich nicht auf die Umweltverbände. Nebst ihnen gibt es noch die Gruppierung um René Stettler, der sich seit Jahren gegen den Massentourismus an der Rigi einsetzt. Im Jahr 2017 hat er eine erste Petition «Nein! zu Rigi-Disney-World» lanciert und über 3'000 Unterschriften dafür gesammelt.

Im Hinblick auf die Gondelbahn-Pläne der Rigi Bahnen lancierte Stettler eine zweite Petition mit dem Namen «Rigi: 800'000 sind genug!». Auch diese haben rund 4'000 Personen unterzeichnet. Auf der entsprechenden Website sprechen sich die Petitionäre für einen 1:1-Ersatz der bestehenden Pendelbahn aus.

In der Zwischenzeit hat sich auch eine Gruppierung gebildet, die sich für die Gondelbahn-Pläne einsetzt (zentralplus berichtete). Die «IG Pro Gondelbahn Weggis» hofft dank der neuen Bahn auf eine «gute und schnelle Verbindung» zwischen Weggis und Kaltbad. Die Interessengemeinschaft führt zudem das Argument ins Feld, dass die Hälfte der Arbeitsplätze in Weggis oder Rigi Kaltbad direkt oder indirekt mit dem Tourismus zusammenhängen. Da die Region vom Tourismus lebe, sei eine Modernisierung der Bahn notwendig.

Die Website der IG listet mehrere hundert Sympathisanten auf, die das Projekt unterstützen. Ein Grossteil davon wohnt in Weggis, hinzu kommen einige weitere Sympathisanten aus der Region.

7. Das weitere Vorgehen

Am 27. November stimmt die Gemeinde Weggis über die Zukunft ihrer Seilbahn ab. Stimmt sie der Umzonung zu, sind die 22 bestehenden Einsprachen abgewiesen. Den einsprechenden Parteien ist es dann möglich, Beschwerde gegen den Entscheid zu erheben.

Mit einem Ja zur Umzonung liegt der Ball wieder bei den Rigi Bahnen. Diese werden als Nächstes dem Bundesamt für Verkehr das Plangenehmigungsverfahren vorlegen müssen. Frédéric Füssenich rechnet damit, dass die Bahnen das Projekt spätestens im Frühjahr beim Bund eingeben können. In dieser Eingabe sind dann alle Details zum Projekt enthalten. Die Plangenehmigung entspricht dem Vorgehen einer Baubewilligung bei einem Gebäude.

Darum gibt es auch hier wieder eine öffentliche Auflage, bei der sich den betroffenen Parteien und insbesondere den Umweltverbänden eine erneute Gelegenheit zur Einsprache bietet. Erst wenn die möglichen Einsprachen behandelt sind und das BAV die Plangenehmigung erteilt, können die Rigi Bahnen mit dem Bau der Anlage beginnen.

Ist dieser abgeschlossen, bedarf es einer weiteren Bewilligung seitens des BAV. Dieses muss den Rigi Bahnen noch die Betriebsbewilligung erteilen. Erst danach – wenn überhaupt – werden die ersten Gondeln die Rigi-Flanke in Richtung Kaltbad hochschweben können.

Verwendete Quellen
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


1 Kommentar
  • Profilfoto von Hanswurst
    Hanswurst, 23.10.2022, 12:49 Uhr

    Als ich letztmals per Schiff von Luzern nach Vitznau fuhr und die Westflanke der Rigi ob Weggis betrachtete, dann fielen mir im Wald schmale, schräge Schneisen auf, die wohl dem forstlichen Unterhalt dienen, dann der riesige Schrägmast der Pendelbahn. Was in dieser wunderschönen BLN-Landschaft objektiv stört, sind der ungebremste Zubau und die Verstädterung der Abhänge mit meist minderwertiger Architektur. Gleiches, wahrlich unschönes Bild z.B. in Gersau, Brunnen oder Ennetbürgen. Nun müssen die Rigibahnen die alte Pendelbahn ersetzen, sinnvollerweise durch eine moderne Gondelbahn.
    Und hier laufen der Landschaftsschutzverband Vierwaldstättersee, WWF und Pro Natura plötzlich sturm. In Anbetracht oben geschilderter, seit Jahrzehnten laufender Landschaftsverschandelung frage ich mich schon, was denn diese Verbände bislang geleistet haben? Anscheinend nichts, vernehme diesbezüglich auch nie etwas in der Presse. Ein weiterer Witz sind die Gegenargumente Schutzwald und Steinschlag: Wer glaubt denn, dass durch die wenigen zusätzlichen, wohl weniger hohen Masten und den Niederhalteschnitt der Schutzwald in Gefahr sei, soll sich vielleicht mal zuerst um oben erwähnte Schneisen kümmern. Und wozu haben dann die Weggiser:Innen millionenteure Dämme und Steinschlagnetze errichtet? Diese Umweltschutzverbände erweisen sich in dieser Sache als unglaubwürdig, im Gegensatz vielleicht zum Herrn Stettler, der wohl berechtigterweise den Overtourism auf der Königin der Berge beklagt.

    👍0Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon