Halbzeitbilanz der Luzerner Regierung

Top oder Flop? Die Luzerner Regierung im Leistungstest

Die Regierungsräte Guido Graf (rechts) und Marcel Schwerzmann ziehen Bilanz.

 

(Bild: giw)

Kahlschlag bei der sozialen Wohlfahrt, Einsparungen bei Sicherheit, Abwälzung der Kosten auf Gemeinden: Die Regierung und der Kanton Luzern hinterlassen in der öffentlichen Wahrnehmung derzeit keinen guten Eindruck. Während sich Graf und Schwerzmann auf die Schultern klopfen, fällt die Bilanz der Opposition düster aus.

«Ich nehme an, Sie sind mit uns zufrieden», fragte Guido Graf mit einem Lächeln auf den Lippen die anwesenden Journalisten im Anschluss an die Pressekonferenz. Am Mittwoch präsentierte die Luzerner Regierung ihre Halbzeitbilanz zur laufenden Legislatur.

Gesundheitsdirektor Guido Graf und Finanzdirektor Marcel Schwerzmann zeigten die wichtigsten Entwicklungen in politischen Dossiers wie Finanzen und Steuern, sozialer Wohlfahrt, Bildung oder Gesundheit auf. Dabei klopfte sich die Regierung trotz zuweilen heftiger Kritik von Bevölkerung und Parteien selbst auf die Schultern.

Doch wie sehen das die Parteien, die nicht in der Regierung vertreten sind? zentralplus verteilt Punkte von 1 bis 6. Die Fraktionschefinnen der Opposition haben ihrerseits die wichtigsten Aspekte unter die Lupe genommen.

Die politische Jury in der Übersicht:

  • Die Regierung hat sich, vertreten durch zentralplus, selbst bewertet. Und zwar mit dem Zylinder, das Symbol republikanischer Macht. 🎩
  • Für die Grünen urteilt Fraktionschefin Monique Frey. Sie verteilt Sonnenblumen, die kommen bei der Partei sowohl auf dem Logo als auch bei Aktionen auf der Strasse gerne zum Einsatz. 🌻
  • Für die SP bewertet Fraktionschefin Ylfete Fanaj. Sie verteilte keine Punkte und fand: in allen Bereichen klar ungenügend. Deshalb vergibt sie jeweils nur eine Rose, das Wapppengmüse ihrer stürmischen Jungpartei.🌹
  • Michèle Graber, GLP-Fraktionsleiterin, steht für Umweltschutz und Wirtschaftsfreundlichkeit zugleich – was passt da besser als ein Elektroauto? 🚙
  • SVP-Fraktionsschef Guido Müller überlässt das Urteil dem Volk: «Es liegt an den Luzerner Wählerinnen und Wähler, bei den nächsten Wahlen Noten zu verteilen und entsprechend zu handeln.»
  • FDP-Fraktionspräsident Andreas Moser war nicht erreichbar für eine Stellungnahme.

Steuern und Finanzen

Wie hoch ist die Steuerlast der Bevölkerung? Sind die Kantonsfinanzen im grünen Bereich? Und wie sieht es mit den Schulden aus?

Regierungsrat: 🎩🎩🎩🎩 Insgesamt 450 Millionen Franken weniger Steuern müssen Firmen und Privatpersonen seit 2011 zahlen. Und auch die Tiefsteuerstrategie geht langsam auf (zentralplus berichtete). 35 von 83 Gemeinden verzeichnen heute höhere Unternehmenssteuereinnahmen als vor der Halbierung der Firmensteuern vor sechs Jahren. Gegenüber dem Jahr 2000 reduzierten sich die Staatsschulden von 2,5 Milliarden auf heute 360 Millionen Franken, die Zinslast reduziert sich dadurch pro Jahr um 63 Millionen. Weiter sank die Abhängigkeit von Beiträgen aus dem Nationalen Ausgleichsfonds (NFA). Die Regierung ist auf dem richtigen Weg.

Doch man hat auch Fehler gemacht: Die Ausfälle bei der NFA wurden unterschätzt. Ausserdem hätte es finanzieller Reserven bedurft, um die Steuerausfälle durch die tieferen Steuern zu überbrücken.

Monique Frey, Grüne: 🌻 «Seit Jahren Negativmeldungen und keine nennbaren Erfolge. Seit Jahren Abbau, obwohl die Bevölkerung wächst.»

Michèle Graber, GLP: 🚙🚙  «Die Fehleinschätzung der Auswirkungen der Steuerstrategie auf den Finanzausgleich ist unverständlich, zumal die Funktionsweise des neuen Finanzausgleichs seit langem bekannt ist. Ausserdem nimmt sie mit der neuen Schuldenbremse in Kauf, dass der Kanton auch in der Zukunft wieder in budgetlose Zustände fällt, was rechtsstaatlich nicht tolerierbar ist. Besonders schwer wiegt, dass die Regierung Kritik in der Finanzpolitik nicht ernst nimmt und stur an ihren Positionen festhält.»

Ylfete Fanaj, SP:🌹 «Abbaupakete von bis zu 500 Millionen Franken können kein gutes Zeugnis sein!»

Bildung und Kultur

🎩🎩🎩🎩🎩: Eine neue Wirtschaftsfakultät an der Universität Luzern, das Departement Informatik an der HSLU sowie der neue Standort Design und Kunst in der Viscosistadt oder die geschaffene Informatikmittelschule: Im Bildungsbereich wurde das Angebot ausgebaut, verkündet der Regierungsrat an der Medienkonferenz. Ausserdem nimmt die Anzahl Studierenden in Luzern zu. Regierungsrat Reto Wyss betonte wiederholt, dass ihn die Sparmassnahmen in der Kultur schmerzen.

🌻: «Die Halbierung der Gelder für die Freie Szene ist ein Verrat am Kulturkompromiss. Durch die Erhöhung der Unterrichtsverpflichtungen an den Schulen hat sich die Fluktuation bei den Lehrpersonen noch erhöht und der Beruf weiter an Attraktivität verloren. So beschädigt die bürgerliche Mehrheit das Bildungssystem langfristig.»

🚙🚙🚙: «Das Scheitern von Salle Modulable, die versuchte Schliessung der Fachklasse Grafik, eine Zwangsferienwoche, die Senkung der Lehrerlöhne und die Verschlechterung der Anstellungsbedingungen, Gratis-Einladung der Kantonsräte ins Kino während dem budgetlosem Zustand: Häufig wurde in diesem Bereich nicht sehr geglückt agiert und kommuniziert.»

🌹: «Lehrpersonen sind frustriert und müssen länger arbeiten. Und die Zwangsferien waren nur peinlich. Das Informatikdepartement in Rotkreuz war ein Erfolg für Zug und eine Niederlage für Luzern. Ausserdem wurden die Mittel der Kulturschaffenden massiv gekürzt.»

Justiz und Sicherheit

 

Ist Luzern sicher oder müssen sich die Bürger auf der Strasse fürchten? Und kann die öffentliche Hand das Gesetz durchsetzen?

🎩🎩🎩🎩🎩🎩: Der Aufbau der Abteilung Wirtschaftskriminalität, plus 13 Polizisten und der Ausbau der Justizvollzugsanstalt Grosshof: Luzern ist sicher.

🌻: «Die geplanten Abbaumassnahmen bei Polizei, Strafverfolgung und Gericht führen zu einer Ökonomisierung der Justiz und schaden der Sicherheit.»

🚙🚙🚙🚙: «Die Regierung agiert hier unauffällig. Der Sicherheit beim Datenschutz wird zu wenig Rechnung getragen. Hingegen macht die Regierung bei der Krisenbewältigung der Polizei einen guten Job.»

🌹: «Abbau pur in diesem Bereich. Die Polizei ist chronisch überlastet und unterbesetzt, Luzern ist das Mekka für Kriminelle. Dazu kommen die frustrierenden Arbeitsbedingungen für das Personal.»

Gesundheit und Soziales

 

Kommen die Kantonsbewohner in den Genuss einer umfassenden Gesundheitsversorgung? Werden Familien und ärmere Menschen ausreichend unterstützt?

🎩🎩🎩🎩🎩🎩: Als Erfolg wertet die Regierung die Auslagerung des Kantonsspitals. Doch auch für den Neubau des Zentrums für Notfall- und Intensivmedizin LUKS und die Gesamtsanierung der Augenklinik loben sich Graf, Schwerzmann und Co. Ausserdem leistet der Kanton stolze 2,7 Milliarden Franken an die die soziale Wohlfahrt, sei durch die individuelle Prämienverbilligung, Ergänzungsleistungen oder Mutterschaftsbeihilfe. Es habe ein Leistungsausbau stattgefunden, sagt Guido Graf.

🌻🌻: «Der Wert einer Gesellschaft misst sich daran, wie sie mit den schwächsten Mitgliedern umgeht. Nach all den Abbaurunden für Familien, Alleinerziehende, AsylbewerberInnen und sozial an den Rand der Gesellschaft gedrängten Menschen, gibt es keine gute Note für den Regierungsrat. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer mehr. Dies bestätigt auch Lustat Anfang dieser Woche: Jeder 13. Einwohner ist arm – Tendenz steigend. Das sind aktuell knapp 30’000 LuzernerInnen. Und dieses Jahr wird die Armutsquote wohl noch steigen wegen den Rückforderungen des Kantons auf bereits ausbezahlte Prämienverbilligungen.»

🚙🚙🚙: «Das Grundproblem, die alljährlich zu hohen Kosten im Gesundheitswesen, harrt immer noch einer Lösung. Es müsste ein Downgraden von Spitälern oder gar ein Schliessen von mindestens einem Spital ins Auge gefasst werden können. Doch die Regierung hat den Mut nicht, diese Problematiken wirklich anzugehen. Die 13-Punkte-Liste für Ambulant-Behandlungen sind ein erster kleiner Versuch vonseiten der Regierung, die Kosten senken zu helfen. Bei der Übernahme der Betreuung von Asylsuchenden und Flüchtlingen von Caritas war die Regierung längere Zeit überfordert, nun hat sie Tritt gefasst. Eine Verbesserung im Berich der Integration von Asylanten ist immer noch möglich. Der zuständige Regierungsrat Guido Graf versucht durch Rundumschläge vermehrt mediale Aufmerksamkeit zu erhalten.»

🌹: «Die Asyl- und Flüchtlingsstrukturen der Caritas wurden politisch motiviert zerschlagen und nun aufwändig wieder aufgebaut. Die Prämienverbilligungskürzungen und -rückforderungen sind einfach skandalös!»

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Verkehr und Mobilität

Läuft der Verkehr flüssig auf den Strassen? Überzeugt das öV-Angebot?

🎩🎩🎩🎩🎩: Mit der umfassenden Umgestaltung des Seetalplatzes hat die Regierung ein wichtiges Strassenverkehrsprojekt abgeschlossen. Auch beim öffenlichen Verkehr ist die Regierung mit dem Bau von Busknoten in Emmenbrücke, Rothenburg, Ebikon, Horw und Kriens-Mattenhof auf gutem Weg. Dass es da und dort noch Stauprobleme gibt, die Stadt sich immer noch gegen die Spange Nord wehrt und der Durchgangsbahnhof verspätet kommt, sind Wehrmutstropfen (zentralplus berichtete).

🌻🌻: «Der Regierungsrat forciert den Ausbau von Strassen und setzt auf den Bypass mit Spange Nord. Er arbeitet leider nicht gleich intensiv für den Durchgangsbahnhof. Er setzt seine Prioritäten falsch. Die abwartende Haltung zur Vorfinanzierung schadet dem Projekt.»

🚙🚙🚙🚙: «Anstatt neue, innovative Lösungen zu unterstützen, welche die Stadt und Agglomeration vom Autoverkehr entlasten, hält die Regierung mit dem Agglomerationsprogramm der dritten Generation an untauglichen Lösungen fest, welche nur zu Mehrverkehr und einer stärkeren Umweltbelastung führen. Umweltpolitisch sinnvolle Massnahmen wie beispielsweise eine ökologischere Motorfahrzeugsteuer, Mobility Pricing oder Reduzierung des Pendlerabzugs werden hingegen nicht unterstützt.

Positiv zu werten ist der Einsatz der Regierung für den Tiefbahnhof. Ein Erfolg ist ausserdem das Projekt Seetalplatz, welches gut vorbereitet und umgesetzt wurde. Beim Hochwasserschutzprojekt Reuss, das neu aufgegleist werden musste, lernte die Regierung dazu.»

🌹: «Beim Durchgangsbahnhof gibt es fast nur noch Durchhalteparolen, erreicht hat man nicht wirklich viel. Zudem wurden die öV-Beiträge gekürzt.»

Kommunikation

 

Kommunikation ist eine Führungsaufgabe – gelingt es der Regierung, Bevölkerung und Parteien von ihrem Vorgehen zu überzeugen?

🎩🎩🎩: Guido Graf räumte ein – bei der Kommunikation gibt es Nachholbedarf. Man müsse näher bei der Bevölkerung sein und das eigene Vorgehen verständlicher kommunizieren.

🌻: «Die Art und Weise der Kommunikation der Regierung zum Beispiel zu Gesundheitsthemen wie ambulant vor stationär (Affekthascherei), indem öffentlich Forderungen an die Spitäler rausgegeben werden, unterminiert das Vertrauensverhältnis und belastet eine gute, ruhige und zukunftsgerichtete Zusammenarbeit. Grundsätzlich informiert der Regierungsrat und kommuniziert nicht. Mittlerweile organisiert er nicht mal mehr eine Medienkonferenz zum Budget 2018.»

🚙🚙🚙: «Anstrengungen werden unternommen und es wurde die letzten zwei Jahre öfters kommuniziert. Die Kommunikation ist nicht immer geglückt und hat noch Verbesserungspotential. Das Legen der Schwerpunkte und die Priorisierung ist teilweise unglücklich.»

🌹: «Das Vertrauen der Bevölkerung ist gemäss Bevölkerungsumfrage auf dem Tiefstpunkt. Es ist keine Strategie erkennbar und die Sensibilität fehlt gänzlich.»

Wirkung und Erfolg

Setzt sich die Regierung im Parlament und vor dem Volk durch mit den eigenen Projekten? Erreicht sie ihre Ziele?

🎩🎩🎩🎩🎩: Einige Abstimmungen hat die Regierung verloren. Da wäre beispielsweise die Erhöhung des Steuerfusses oder die Halbierung der kantonalen Musikschulbeiträge im Mai 2017. Und auch im Parlament kann man sich nicht immer durchsetzen. Doch der grosse Wurf, die Steuerstrategie, läuft ganz im Sinne der Regierung. Weiter wurden in den vergangen Jahren umfassende Verwaltungsreformen umgesetzt: Da wären beispielsweise die Auslagerung der Spitäler, die Reduktion der Anzahl Kantonsratssitze von 170 auf 120 und die Verkleinerung der Regierung von sieben auf fünf Mitglieder. Die Massnahmen reduzierten die Verwaltungskosten total um zwölf Prozent.

🌻: «Da sind sich Politikerinnen und Politiker von links bis rechts sicher einig, dass der Regierungsrat nicht vom Fleck kommt. Ehrlicherweise muss man natürlich sagen, dass der bürgerliche Kantonsrat die Vorlagen der Regierung noch verschlimmbessert!»

🚙🚙🚙🚙: «Die Regierung hat unglücklich agiert und ist erfolglos in den Finanzfragen, Stichworte sind die gescheiterte Steuerfusserhöhung und das Budget. Es fehlt das Auftreten als Einheit in diesem Bereich.»

🌹: «Der Leistungsausweis dieser Regierung ist klar ungenügend! Keine Einheit, keine Strategie, keine Führung erkennbar. Jeder wurstelt vor sich hin, der Kanton hangelt sich von einem Finanzloch zum nächsten.»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von M. Moser
    M. Moser, 26.10.2017, 15:04 Uhr

    Nach diesem Desaster folgt das nächste. In der Regierung ist man sich offensichtlich nicht mal bewusst das die Finanzierung des Kantons auf neue Beine gestellt werden muss. Man macht munter weiter klopft sich gegenseitig auf die Schulter und der Kantonsbürger wird einfach weiter zur Kasse gebeten… Wie wäre es wenn man mal nicht den einzelnen Kantonsbürger belastet sondern einfach mal juristische Personen und Unternehmen entsprechend besteuern würde? Die Tiefsteuerstrategie für Unternehmungen des Herrn Säckelmeisters hat nämlich versagt.

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  • Profilfoto von David L
    David L, 26.10.2017, 13:49 Uhr

    Die Luzerner Regierung hat offenbar nicht nur den Anstand sondern auch noch jeden Bezug zur Realität verloren.
    Dass man sich lächelnd auf die Schultern klopft, während man die Kanton wieder und wieder sehenden Auges gegen die Wand fährt ist unerträglich.

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