Neue Technik revolutioniert Ticketkauf

Top oder Flop? Das taugt die VBL-App

Mit der neuen VBL-App «Fairtiq» kann das Ticket via Mobiltelefon gelöst werden.

(Bild: les)

Die Luzerner Verkehrsbetriebe vbl haben eine neue App auf den Markt gebracht, bei der die Fahrgäste ihr Ticket in sekundenschnelle via Mobiltelefon lösen können. zentralplus hat die Neuerung getestet. Und Fragen gestellt zu Schwarzfahrern, überhöhten Rechnungen und Datenschutz.

Die Verkehrsbetriebe Luzern (vbl) haben diesen Donnerstag eine neue App lanciert, welche die öV-Nutzung revolutionieren soll. «Fairtiq» heisst das Ding und es funktioniert ganz simpel. Steigt man in den Bus ein, wischt man einmal über die aufs Handy geladene App, steigt man wieder aus, wischt man zurück. Dank einer Ortung des Geräts per GPS kann nachvollzogen werden, wohin der Fahrgast fährt. Am Ende der Fahrt wird dem Passagier das preisgüngstigste Billett verrechnet, das via Kreditkarte oder Handyrechnung abgerechnet wird. Sollte man das Auschecken vergessen, erhält man nach einer gewissen Zeit automatisch eine Erinnerung.

zentralplus hat die App getestet und war beeindruckt, wie einfach Busfahren sein kann. Mit dem 2er Bus fuhren wir von der Haltestelle Hirzenhof bis zum Bahnhof. Die App realisert, dass wir uns am Hirschenhof befinden. Mit einem Wisch nach rechts gebe ich der App zu wissen, dass ich nun Bus fahre.

Am Bahnhof Luzern angekommen, wird wieder nach links gewischt. Die App berechnet nun das günstigste Ticket. Dieses kostet in diesem Fall 2.50 Franken. Verrechnete wurde das normale Einzelbillett für Kurzstrecken, mit dem wir sechs Haltestellen weit fahren könnten.

Das war ganz einfach. Was aber, wenn wir mit dem Bus weiterfahren möchten? Das gedruckte Zonenbillett konnte ich ja mehrmals brauchen – nämlich bis es abgelaufen war. Weiter geht die Busfahrt über die Seebrücke bis zum Schwanenplatz. Und tatsächlich, die App erinnert sich an die vorherige Fahrt und verrechnet nur noch 50 Rappen. Warum 50 Rappen?

Das erklärt vbl-Mediensprecher Christian Bertschi: «Sie haben ein Kurzstreckenbillett benötigt für Hirzenhof bis Bahnhof. Anschliessend wieder ein Kurzstreckenbillett von Bahnhof bis Schwanenplatz. Günstiger wäre in diesem Fall aber gewesen, wenn Sie ein Zonenbillett für eine einfache Fahrt innerhalb der Zone 10 kaufen. Dieses kostet 3 Franken. Mit diesem Billett können sie 1 Stunde in der Zone 10 fahren. Zwei Kurzstreckenbillette (je 30 Minuten gültig) kämen Sie auf 5 Franken. FAIRTIQ berechnet Ihnen also automatisch den günstigsten Preis. Wenn Sie nun vier oder fünfmal pro Tag Kurzstrecke fahren, so sollte die App Ihnen am Ende des Tages den Betrag einer Tageskarte berechnen.»

In unserem Test haben wir auch geprüft, was geschieht, wenn man das Auschecken vergisst. Die Zeit im App lief zwar weiter, währenddessen wir uns bereits durch chinesische Reisegruppen hindurch kämpften und die Aussicht auf der Kapellbrücke genossen. Doch nach einer Viertelstunde meldete sie sich die App per Push-Meldung und wir bestätigten, dass wir tatsächlich nicht mehr im Bus sitzen. Die App realisierte, welche Route effektiv gefahren wurde und berechnete den richtigen Preis. zentralplus-Fazit: Die App ist bubieinfach.

Trotzdem bleiben einige Fragen offen. zentralplus hat diese an vbl-Kommunikationschef Christian Bertschi gestellt.

zentralplus: Herr Bertschi, was bringt diese neue App?

Christian Bertschi: Unsere Kunden wollen Lösungen, die einfach zu bedienen und überall verfügbar sind. Mit der App fällt das Ticketlösen im Voraus weg, was das Busfahren stark vereinfacht.

zentralplus: Brauche ich Angst vor einer saftigen Rechnung zu haben, wenn ich das Auschecken vergesse? Ich kann mich ja zu Fuss, per Velo oder Auto in die gleiche Richtung wie der Bus bewegen. Wie funktioniert die Ortung?

Bertschi: Das App reagiert auf verschiedene Sensoren. Das Handy misst verschiedene Schwingungen, wenn etwa jemand den Bus verlässt und aufs Fahrrad wechselt. Und falls tatsächlich eine Fahrt verrechnet würde, die man nicht gemacht hat, wird direkt in der App auf die Kundenreklamationsplattform verwiesen. Aus Erfahrung mit unserer anderen App «öV-Ticket» passiert dies aber sehr selten und es kann meist eine einvernehmliche Lösung mit dem Kunden gefunden werden.

zentralplus: Wie funktioniert die Kontrolle? Ich kann ja zu betrügen versuchen und erst wischen, wenn ich einen Kontrolleur sehe und die restliche Zeit schwarz fahren.

Bertschi: Unsere Angebote richten sich an ehrliche Fahrgäste. Da auf der App die Uhrzeit mitläuft, sieht man, wie lange die Fahrt schon dauert. So kommen wir möglichen Schwarzfahrern schon auf die Schliche

zentralplus: Thema Datenschutz: Ist es nicht heikel, wenn die vbl weiss, wo sich der Fahrgast befindet?

Bertschi: Nein, wir haben das natürlich mit dem eidgenössischen Datenschutzbeauftragen angeschaut. Wie kennen lediglich die Handynummer, haben aber keine Daten über den Mensch dahinter. Diese Daten brauchen wir auch nicht. Wir brauchen lediglich die Daten des Reisewegs, um am Ende der Reise für den Kunden den günstigsten Fahrpreis zu berechnen.

zentralplus: Nun sind die Verkehrsbetriebe in Fribourg, im Engadin und eben in Luzern beteiligt. Wie sieht die Zusammenarbeit mit der SBB aus?

Bertschi: Es herrscht ein grosser Wettbewerb mit den Ticket-Apps. Auch mit der SBB haben wir Gespräche geführt und sie haben sich für unsere Lösung «Fairtiq» interessiert. Bei der SBB müssen erfahrungsgemäss sehr viele Instanzen durchlaufen werden, bis eine Neuerung tatsächlich eingeführt wird. Wir kleineren Verkehrsbetriebe haben es da einfach und werden nun unsere Erfahrungen mit der neuen App sammeln.

zentralplus: Kann ich aber mit der SBB fahren – oder auch mit dem «Rottaler» oder dem «Rothenburger»?

Bertschi: Das ist kein Problem. Die Aufteilung der Ticketkosten innerhalb des Tarifverbundes Passepartout funktioniert genau gleich wie bisher, wenn jemand das Billett am Automaten löste.

zentralplus: Werden die Ticketautomaten langfristig verschwinden?

Bertschi: Die Automaten sind ein grosser Kostentreiber. vbl verfügt mit seinen Partnern über 300 Kästen, einer kostet im Unterhalt pro Jahr einige tausend Franken. An gewissen Standorten werden wir überprüfen, ob es beispielsweise auf beiden Strassenseiten einen Automaten braucht. Aber es gibt auch viele Kunden, die weiterhin ihr Ticket am Automat lösen werden, deshalb werden diese auch langfristig bleiben.

zentralplus: Wie viel kostete die Entwicklung der neuen App?

Bertschi: Die Entwicklung der App kostete rund eine Million Franken, vbl ist einer von vier Partnern.

zentralplus: Hat die App Schwächen?

Bertschi: Wenn man dies als Schwäche ansehen möchte: Das Mobiltelefon ist natürlich an eine Person gekoppelt. Es ist deshalb nicht möglich, Tickets für Familien oder Gruppen zu lösen. Wir werden aber laufend Kundenrückmeldungen einbauen und so die App stetig verbessern.

Im Video wird nochmals erklärt, wie die App genau funktioniert:

 

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