Luzerner sind sensibilisiert

Tierschutz: Straffälle nehmen zu

November: Die Stiftung Tier im Recht, welche den Kanton Luzern seit Jahren kritisierte, verteilt Lob. Die Verurteilungsquote sei hoch, die Bussen ebenso. (Bild: Symbolbild Emanuel Ammon/AURA)

Tierschutz gewinnt immer mehr an Bedeutung. Dies zeigt sich bei der Zahl der Tierschutzstraffällen im Kanton Luzern, die beim Veterinärdienst registriert sind. Es geht um Fischsterben, Tierhaltung – ja gar um sexuelle Handlungen mit Tieren. Der Luzerner Kantonstierarzt Otto Ineichen schätzt, dass die Zahl von 79 Straffällen im 2013 in den kommenden Jahren zunehmen wird.

Drama, Horror oder Krimi: Die Straffälle im Bereich Tierschutz in der Region lesen sich wie Filme. Die Szenen aber sind real.

«Der Beschuldigte begibt sich in eine Rinderstallung. Dort zieht er seine Hose bis zu den Knien herunter, entblösst sein Geschlechtsteil und streckt dieses dem Kopfbereich eines Kalbes entgegen», so beschreibt die Zuger Staatsanwaltschaft den Anfang eines «Zoophilie»-Falles. Das Kalb aber zeigt keine Anstalten, etwas zu tun. «Daraufhin wird er von einer Frau ertappt, die mit ihrer minderjährigen Tochter den öffentlich zugänglichen Stall betritt.»

450 Meldungen

Es ist wohl eines der extremeren Beispiele aus einer breiten Palette von Straftaten gegen den Tierschutz aus dem letzten Jahr. Die meisten Tierschutzstraffälle aus der Innerschweiz werden im Kanton Luzern verzeichnet. Hier setzt sich der kantonale Veterinärdienst dafür ein, dass der Tierschutz eingehalten wird und zeigt Verstösse an. Der Veterinärdienst wird hauptsächlich auf Meldungen aus der Bevölkerung hin aktiv.

Lückenhafte Meldungen

Andere Zahlen bei den Tierschutzstraffällen publiziert die Stiftung Tier im Recht in ihrer jährlichen Analyse der Schweizer Tierschutzstrafpraxis. In den Jahren 2010 und 2011 sind die Fallzahlen deutlich tiefer als die des Veterinärdienstes Luzern. Die Stiftung schreibt beispielsweise von 34 Fällen im Jahr 2010, während der Veterinärdienst doppelt so viele, nämlich 70 aufführt. Deutlicher ist der Unterschied gar im 2011: Beim Veterinäramt sind 67 Tierschutzstrafverfahren vermerkt, bei der Tierschutzorganisation lediglich 17. Für das Jahr 2012 sind die Zahlen mit 49 Fällen wieder identisch. Für 2013 hat die Stiftung noch keine Zahlen publiziert.

Warum diese Abweichung? Der Luzerner Kantonstierarzt Otto Ineichen erklärt es so: «Die Meldepflicht der Kantone an das Bundesamt wurde per 2011 neu eingeführt, was in der Anfangsphase zu lückenhaften Meldungen führte.» Mittlerweile funktioniere die Meldepflicht aber einwandfrei. Der Versuch, die Zahlen bei der Stiftung zu korrigieren, blieb hingegen erfolglos.

Laut dem Luzerner Kantonstierarzt Otto Ineichen gingen 2013 beim Veterinäramt 450 Meldungen aus der Bevölkerung ein. 270 betrafen die Nutztierhaltung, 180 die Heimtierhaltung. Zum Vergleich: 2012 gingen 470 Meldungen aus der Bevölkerung ein, wovon 290 Nutztiere und 180 die Heimtiere betrafen. Diese Meldungen seien aber mit Vorsicht zu geniessen, sagt der Kantonstierarzt «Das ist lediglich die Zahl der Meldungen. Ob an diesen etwas dran ist, wissen wir erst, wenn wir den Fall überprüft haben.»

In vergleichsweise wenigen Fällen kommt es zu einem Strafverfahren. Laut dem Veterinärdienst waren es im letzten Jahr 79 Tierschutzstraffälle. Zum Vergleich: 67 solcher Fälle wurden im Jahr 2011 registriert – 2010 waren es 70. «Die Zahl der Strafverfahren sind also in den letzten Jahren – mit Ausnahme 2012 – im Rahmen der üblichen jährlichen Abweichungen konstant», sagt Ineichen über diese Entwicklung. Für die Zukunft schätzt er, dass die Zahl in den nächsten Jahren steigen wird. Dies aus mehreren Gründen. «Einer davon ist, dass die Bevölkerung zunehmend sensibilisiert für das Tierwohl ist.»

Das oben genannte Strafverfahren blieb übrigens ohne Folgen für den Beschuldigten. Der Mann wurde weder angeklagt, noch musste er eine Busse bezahlen. Der Fall wurde eingestellt, da für eine sexuelle Belästigung ein Strafantrag durch die Frau, die den Beschuldigten in besagter Position angetroffen hatte, fehlte. Für das Delikt der sexuellen Handlung mit Tieren reichte der Vorfall nicht aus.

Besserer Vollzug

Für die Stiftung Tier im Recht (TIR) sind tiefe Zahlen bei den Tierschutzstrafverfahren kein Zeichen für einen tierfreundlichen Kanton. Im Gegenteil. Wie die Tierschutzorganisation in der jährlichen Analyse der Schweizer Tierschutzstrafpraxis schreibt, geht sie von einer hohen Dunkelziffer von Straftaten aus, die schlicht nicht angezeigt werden. Im Bericht 2012 besonders angeprangert werden konservative und ländliche Gebiete. Die Befürchtung: Straftaten werden schlicht nicht angezeigt, der Tierschutz zu wenig ernst genommen.

Zur Verdeutlichung: Bis 2006 wurde im Kanton Uri kein einziges Tierschutzstrafverfahren registriert, seither liegen die Zahlen jeweils unter zehn Fällen pro Jahr. Sie schreibt: «Es ist davon auszugehen, dass die höheren Fallzahlen nicht etwa auf einen tatsächlichen Anstieg an Tierschutzverstössen, sondern vielmehr auf einen verbesserten Vollzug des strafrechtlichen Tierschutzes zurückzuführen sind.»

Kantonstierarzt unter Beschuss

Luzern ist der Tierschutzorganisation seit Jahren ein Dorn im Auge. So schrieb die Stiftung im letzten Jahresbericht: «Die TIR hat mehrfach auf die rechtswidrige Praxis des ehemaligen Luzerner Kantonstierarztes hingewiesen, ihm bekannte Tierschutzstraffälle nicht zur Anzeige zu bringen, sondern in Form von Verwaltungsverfahren abschliessend zu beurteilen.» Er habe damit nicht nur die Anzeigepflicht verletzt, sondern auch einen konsequenten Strafvollzug vereitelt und unterband damit die abschreckende Wirkung des strafrechtlichen Tierschutzes. 

Das war vor zwei Jahren. Der damalige Kantonstierarzt ging 2012 in Pension. Seit 2014 ist Otto Ineichen amtierender Kantonstierarzt. Er war der stellvertretende Kantonstierarzt. Zu seinem Vorgänger will Ineichen nichts kommentieren. Er weist aber den Vorwurf der zu tiefen Fallzahlen zurück und betont: «Die Zahl der Strafverfahren sind in den letzten Jahren konstant.»

Mehr Ressourcen für Tierschutz

Der kantonale Veterinärdienst wird im Bereich Tierschutz nicht nur bei Meldungen aus der Bevölkerung fürs Tierwohl aktiv. Er führt periodisch risikobasiert unangemeldete Tierhaltungskontrollen in Heim- und Nutztierhaltungen durch und kontrolliert, ob das Tierschutzgesetz eingehalten wird. Zudem führt der Veterinärdienst seit zwei Jahren sogenannte Schwerpunktkontrollen durch. Dies wurde möglich, weil der Dienst personell verstärkt wurde. «Das gibt uns die Möglichkeit vermehrt Schwerpunktkontrollen durchzuführen.»

Im vergangenen Jahr lag das Augenmerk auf folgende Schwerpunktthemen: «Kontrolle der Auslaufpflicht der angebundenen Rinder, Witterungsschutz, Ausbildungspflicht von Hundehaltern.»

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