Luzerner Künstler Thurry Schläpfer verstorben

«Thurry Schläpfer war einer der wenigen, die Farbe in diese Stadt brachten»

Mit dem Velo auf Tour: So traf man Thurry Schläpfer nicht selten in der Stadt an. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Thurry Schläpfer, Luzerner Künstler und Stadtoriginal, ist im Alter von 60 Jahren verstorben. Mit seinem Tod verliert die Stadt nicht nur einen einzigartigen Künstler. Weggefährten erinnern sich an einen optimistischen und humorvollen Menschen.

Schläpfer fiel auf mit seinem rollenden Atelier: Mit seinem Elektrovelo drehte er seine Runden in der Stadt. Sein Gefährt war geschmückt mit Bändern, Federn, Anhängern – gar eine Blockflöte thronte an der Lenkstange. Und das Wichtigste: Auf seinem Gepäckträger hatte Thurry Schläpfer stets seinen Koffer mit seinen gemalten Bildern gepackt.

Wenn er zeichnete, war das für ihn eine «geistige Übung». Es sei eine Form von Geschichten erzählen, wie er in einem früheren Bericht von zentralplus sagte: «Ich mische dabei Motive aus Buddhismus, Science Fiction und Märchen.»

Man kannte das Gesicht von Thurry Schläpfer in der Stadt. Nun ist der Luzerner Künstler die Tage im Alter von 60 Jahren verstorben, wie mehrere Personen gegenüber zentralplus bestätigen.

Immer aufgestellt

Presse- und Dokumentarfotograf Emanuel Ammon hat Schläpfer gut gekannt. «Die Daten seiner Vernissagen waren in meiner Agenda immer fett eingeschrieben», sagt Ammon. Die beiden teilten sich auch dasselbe Stammcafé: das «Arlecchino» an der Habsburgerstrasse. «Thurry war ein guter, aufgestellter Typ, das sieht man in seinen Augen», sagt Ammon. Schläpfer sei ein Allrounder gewesen. Einer, der mit dem Elektrovelo aufbrach, die Welt beobachtete und entdeckte. Den Koffer mit seinen Bildern hatte Schläpfer immer dabei. Und er zog sie hervor, sobald er im «Arlecchino» erschien und sie an den Mann bringen wollte.

«Er hat immer das Beste aus seinem Leben gemacht.»

Emanuel Ammon, Fotograf

Seinen Humor und seinen Optimismus hat er nie verloren. «Thurry hat sich nie beklagt. Er hat immer das Beste aus seinem Leben gemacht», sagt Ammon. Und das obwohl er immer wieder mit psychischen Problemen gekämpft habe.

Er sei zufrieden gewesen mit dem, was er hatte. Finanziell ist es als Künstler selten einfach. «Aber nur ein armer Künstler ist ja ein richtiger Künstler – meinen die Spiessbürger», meinte Schläpfer einst gegenüber zentralplus. Die Kunst war für ihn alles: Er hätte nie ein Teilzeitkünstler sein können und dafür finanziell auf sichereren Beinen stehen, sagte er.

Aus seiner Lebensgeschichte seien Wahnsinnsbilder entstanden, die Ammon schätzt: «Seine Malereien sind aussergewöhnlich und total eigenständig. Ich liebe seine gemalten Traumbilder.»

Schläpfer fotografierte und malte jedoch nicht nur. Er hat auch ein Buch herausgegeben: «Der Steppendachs». Da konfrontierte Schläpfer sechs Autoren mit seinen Traumbildern (zentralplus berichtete).

Die Vernissage Schläpfers, die ohne ihn stattfand

Und er schrieb selbst auch oft. Gedichte, Kurzgeschichten, Liebesgeschichten. Dass Schläpfer Fotografie, Malerei und Prosa gleichermassen beherrschte, machte ihn so besonders, sagt Hugo Schmidt.

Schmidt ist ein guter Freund von Schläpfer. «Thurry ist ein ausserordentlich spannender Mensch mit einer unendlichen Fantasie. Und einer enormen Überzeugungskraft.»

«Er war ein tiefgründiger Mensch, ein Denker, der sich intensiv mit Politik und Gesellschaft beschäftigte und sie hinterfragte.»

Hugo Schmidt, Freund von Schläpfer

Schläpfer habe nicht gebettelt, er zog auf die Strassen und verkaufte seine Werke. Wenn er ihm auf der Strasse begegnete, habe es immer einen Schwatz gegeben. «Thurry hatte immer einen anständigen Witz auf Lager. Aber er war auch ein tiefgründiger Mensch, ein Denker, der sich intensiv mit Politik und Gesellschaft beschäftigte und sie hinterfragte.»

Schmidt erzählt, wie Schläpfer einst als Mitte 20-Jähriger zu Fuss nach Rom und Paris spazierte. Wie er über Berge, Wälder und Felsen lief – und heil in Rom ankam. «Ein normaler Mensch wäre vermutlich irgendwo abgestürzt. Thurry nicht.»

Schmidt erinnert sich auch gerne an die Vernissage von Schläpfer im Jahr 1983 im Luzerner Sedel. Einen Tag vor der Vernissage habe Schmidt einige Bilder von Schläpfer abgekauft. Für vielleicht etwa 5’000 Franken. «Die Vernissage fand deshalb ohne Thurry statt», erzählt Schmidt lachend. «Er sagte, er könne ja nun mit dem Geld ein ganzes Bauernhaus kaufen.»

Mit Turbo-Skizzen den Kaffee bezahlt

Auch Domi Meyer von der Kulturbeiz Meyer am Bundesplatz behält Schläpfer in liebevoller Erinnerung. Die Bilder Schläpfers hingen in der Beiz öfters an den Wänden. Öfters tranken die beiden mal einen Kaffee. Wein schenkte er ihm nie aus – denn Schläpfer trank keinen Schluck Alkohol. Nur die Zigi gehörte zu ihm. Die beiden sprachen über seine Kunst, Meyers Arbeit, über Gott und die Welt: «Es hat ihn immer interessiert, wie es anderen geht – obwohl er es selbst nicht immer einfach hatte», so Meyer.

«Er gehörte einfach zu dieser Stadt.»

Domi Meyer, Kulturbeiz Meyer

Und er erzählt auch gleich eine schöne Anekdote, diejenige von den Turbo-Skizzen: Wenn Thurry knapp bei Kasse war, nahm er Stift und Papier zur Hand, malte für Meyer eine Turbo-Skizze. Damit bezahlte er manchmal seinen Kaffee. Meyer hatte damit kein Problem – im Gegenteil: «Thurry war ein sensationeller Zeichner. Wie er die Welt sah und das aufs Papier brachte, hat mich immer fasziniert. Er war ein guter Beobachter, war immer auf Achse.» So holte er sich Eindrücke, die er später auf die Leinwand brachte.

Luzern ohne Thurry: weniger farbenfroh

Thurry Schläpfer wird in dieser Stadt fehlen. Im November wäre eine Ausstellung von ihm geplant gewesen in der Luzerner Kornschütte. Darauf habe sich Schläpfer wahnsinnig gefreut, wie seine Weggefährten sagen.

«Thurry gehörte einfach zu dieser Stadt», sagt Meyer. Und Ammon fügt an: «Er war einer der wenigen, die Farbe in diese Stadt brachten.»

Schläpfer war ein Künstler durch und durch. «Ich bin mir sicher, dass seine Bilder nie an Wert verlieren werden und seine Kunststücke in Zukunft noch mehr geschätzt werden.» Und das hat Schläpfer auch verdient.

Mit seinem Tod verliert unsere Leuchtenstadt jemanden, der Farbe, Humor, Leichtigkeit und Optimismus in unser Leben brachte.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Röösli Daniel Künstler Kunstmaler Luzern
    Röösli Daniel Künstler Kunstmaler Luzern, 27.10.2019, 14:30 Uhr

    Wieder ist eine bekannte Persönlichkeit ( Künstler ) von unserem Stadtbild gegangen.

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  • Profilfoto von Esther Sterchi
    Esther Sterchi, 27.10.2019, 11:59 Uhr

    Thurry mit seinem Schalk wird mir sehr fehlen. Als ich neu nach Luzern kam hat er mich herzlich empfangen. Für ihn habe ich auch die einzige Schachtel Zigaretten, die ich je in meinem Leben erworben habe, im Café Salü gekauft. «Lasse es Dir so richtig gut gehen, mein Freund, auf der Anderen Seite!»

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  • Profilfoto von Joseph de Mol
    Joseph de Mol, 25.10.2019, 12:52 Uhr

    Ein Querdenker mit eigener Meinung und Rückgrat. Eine aussterbende Sorte. Der uniformierte, atomisierte, individualiserte und entsolidarisierte Mensch, ist der Mensch der Zukunft. Nicht, dass er sein Schicksal selber so gewählt hätte. Aber er kann der Gleichmachungsmaschinerie einfach nicht entkommen! Schläpfer war diesbezüglich auch ein Kontrapunkt!

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