Stadt Luzern will Zwischennutzung aufgleisen

Teurer, später, anders: So wird die autofreie Bahnhofstrasse

So stellen sich die Planer die Bahnhofstrasse vor – eine Visualisierung des Siegerprojektes.

(Bild: Visualisierung Koepfli Partner)

Die Luzerner Bahnhofstrasse soll zur autofreien Promenade werden, doch erst in fünf Jahren. Denn das Projekt ist komplexer und deshalb teurer als erwartet. Eine vorzeitige Sperrung für den Autoverkehr macht laut Stadtrat nur unter einer Bedingung Sinn.

Die Neugestaltung der Luzerner Bahnhofstrasse dauert länger und wird teurer als geplant. Das hat der Stadtrat diesen Donnerstagmorgen mitgeteilt. Demnach soll die autofreie Zone zwischen Bahnhof- und Theaterplatz erst 2023 realisiert sein.

Ursprünglich wollte die Stadt die Bahnhofstrasse bis Ende 2019 neu gestalten. Doch zuletzt wurde es verdächtig ruhig um das Projekt, das vor fünf Jahren an der Urne gutgeheissen wurde.

Zusatzkredit von 1,3 Millionen Franken

Nun ist klar, wieso. «Die bisherigen Arbeiten haben gezeigt, dass das Projekt komplexer ist und die Abhängigkeiten grösser sind», begründet Stadtrat Adrian Borgula (Grüne). «Der Untergrund ist vollgestopft mit Infrastruktur.» Entsprechend aufwändig ist die Planung. So müssen etliche Zusatzabklärungen gemacht werden, etwa betreffend Werkleitungen oder über den Bodenzustand. Auch für die Ingenieure und die Landschaftsarchitekten braucht es mehr Geld als erwartet. Schliesslich werden diverse Anpassungen genannt, darunter die Geländer entlang der Reuss, die aktuell zu wenig Sicherheit bieten.

Zudem spielen auch die Überlegungen für das neue Theater oder die Pläne um eine Fernwärmeleitung an der Seidenhofstrasse mit ins Projekt rein. Nicht zuletzt hätten auch fehlende Ressourcen in der Verwaltung zur Verzögerung geführt, sagte Borgula. «Gleichzeitig bietet sich eine zusätzliche Chance, indem wir die Velostation integrieren können.» Die Stadt plant eine unterirdische Parkanlage für 1100 Fahrräder (siehe Box).

«Betreffend Mehrkosten müssen wir selbstkritisch sagen: Wir haben die Komplexität unterschätzt.»

Adrian Borgula, Stadtrat Luzern

Die bisher gesprochenen 890’000 Franken reichen darum bei weitem nicht: Der Stadtrat beantragt für die Planung einen Zusatzkredit von 1,3 Millionen Franken. Darin enthalten sind 600’000 Franken für vorgezogene Leistungen, damit das Projekt nicht noch mehr Zeit beansprucht.

So soll die Bahnhofstrasse ab 2019 aussehen, wenn es nach der Stadt geht: Visualisierung des Projekts zur Neugestaltung. (Bild: Koepfli Partner GmbH, Luzern)

Eine Strasse zum Flanieren, aber keine Fussgängerzone: Visualisierung des Projekts zur Neugestaltung. (Bild: Koepfli Partner GmbH, Luzern)

Der Stadtrat macht dabei keinen Hehl daraus, dass er selber auch nicht glücklich ist mit den Verzögerungen und Mehrkosten. «Betreffend Mehrkosten müssen wir selbstkritisch sagen: Wir haben die Komplexität unterschätzt», sagt Borgula.

Die Neugestaltung der Bahnhofstrasse schlägt insgesamt mit schätzungsweise knapp 8,5 Millionen Franken zu Buche. Rund einen Viertel trägt voraussichtlich der Bund: Die Stadt erwartet im Rahmen des Agglomerationsprogramms einen Beitrag von 2,1 Millionen Franken.

Fussgängerzone ist vom Tisch

Das Projekt wird aber nicht nur teurer, sondern auch anders. Zwar ist nach wie vor geplant, dass Gastronomiebetriebe den Strassenraum für Aussentische benutzen können und eine Buvette die Strasse belebt. Ursprünglich geplant war aber eine Fussgängerzone. Das würde bedeuten, dass alle maximal im Schritttempo unterwegs sein dürfen. Das ist laut Stadtrat aber gerade bei den Velofahrern nicht realistisch, schliesslich führt eine nationale Veloroute über die Bahnhofstrasse. Deshalb bleibt es beim heutigen Regime: Eine Begegnungszone, in der Fussgänger Vortritt haben und Tempo 20 gilt.

Obwohl davon auszugehen ist, dass sich ab 2023 mehr Menschen in der Bahnhofstrasse aufhalten, wird die Sicherheit laut Stadt gewährleistet. «Angedacht ist eine Fläche für den Boulevard, wo sich die Fussgänger aufhalten, und nebenan eine asphaltierte Strassenfläche für die Velofahrer», sagte Borgula.

Neue Velostation

Gleichzeitig mit der autofreien Bahnhofstrasse soll eine neue, unterirdische Velostation eingeweiht werden (separater Artikel hier). Der Stadtrat bestreitet, dass die Velostation-Planung die Neugestaltung der Bahnhofstrasse massgeblich verzögert habe. Ohne Veloparking würde man laut Projektleiter Roger Schürmann rund ein halbes Jahr sparen.

Laut dem Stadtrat macht es aber Sinn, die beiden Projekte gemeinsam aufzugleisen. Nicht nur, um Geld zu sparen, sondern auch, damit die zentrale Bahnhofstrasse nicht innert weniger Jahre mehrmals eine Grossbaustelle wird.

Autos werden mit wenigen Ausnahmen aus der Strasse verbannt, wie es bereits vor der Jesuitenkirche und Richtung Kleinstadt der Fall ist. Auch eine Lösung für das Parkhaus Flora zeichnet sich ab: Die Autos sollen künftig via Pilatusstrasse verkehren, nicht mehr via Bahnhofstrasse. Dieser Weg steht nur noch Anstössern, Zulieferern und Cars offen.

Zwischennutzung wird aufgegleist

Weil es nun ohnehin länger dauert als ursprünglich geplant, wird auch die Umsetzung in zwei Etappen hinfällig. «Auf den ersten Blick scheint es ein leichtes Unterfangen, die Bahnhofstrasse teilweise für den Verkehr zu sperren, um den Volkswillen rasch umzusetzen», schreibt der Stadtrat zwar in seinem Bericht. Doch dazu sei ein langes Bewilligungsverfahren nötig, weshalb die Strasse nicht bereits nächsten Frühling teilweise autofrei gemacht werden könne, wie das SP, Grüne und Grünliberale kürzlich forderten (zentralplus berichtete).

«Der Stadtrat hat Verständnis für die Ungeduld», sagte Borgula. Doch eine autofreie Strasse sei kein Selbstzweck, sondern diene dazu, einen attraktiven Aufenthalts- und Begegnungsort zu schaffen. «Wenn der Zweck nur darin besteht, eine grosse Asphaltfläche freizuspielen, ist das nicht attraktiv.»  Einen Teil der Strasse zu sperren, bevor sie neu gestaltet werde, beurteilt der Stadtrat in diesem Sinne als kritisch.

Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen. Denn unter einer Bedingung ist der Stadtrat bereit, den Abschnitt zwischen Theaterplatz und Seidenhofstrasse bereits 2020 für Autos zu sperren: Wenn eine gute Zwischennutzung zustande kommt. Um ein entsprechendes Konzept vorzubereiten, beantragt der Stadtrat einen Kredit von 240’000 Franken. Damit will er abklären, welche Fläche dafür in Frage käme und wo die Velowege und -parkplätze hinkämen. Möglich wäre beispielsweise eine Buvette wie auf dem Inseli mit mobilen Sitzgelegenheiten.

Wer eine solche Zwischennutzung betreiben würde, ist noch offen. Laut Stadtrat Borgula ist denkbar, dass allfällige Interessengruppen miteinbezogen werden. Zuerst müsse nun das Stadtparlament entscheiden, ob es dieser Idee überhaupt zustimmt. Die Debatte findet voraussichtlich am 20. Dezember statt.

Überblick über die Meilensteine:

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Govolbeat
    Govolbeat, 15.11.2018, 20:19 Uhr

    Da hauts einem als Steuerzahler den Nuggi raus. 20 Millionen für unter anderem neue Veloplätze aus dem Fenster schmeissen, aber bei jeder Gelegenheit jammern, es sei kein Geld vorhanden. Hauptsache unsere Grünen und Linken können sich wieder mal unter Seinesgleichen profilieren und gegenseitig Aufträge zuschieben (ich weiss, ist eine böswillige Unterstellung aber auch schon passiert, siehe Velofest). Dieses Projekt mit so vielen Änderungen und massiv höheren Kosten gehört nochmals vors Volk. Los liebe bürgerliche Parteien, jetzt gilt es mal auf die Hinterbeine zu stehen und solchen Irsinn in die Schranken zu weisen.

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  • Profilfoto von Sarastro
    Sarastro, 15.11.2018, 16:41 Uhr

    Vielleicht würde das Volk diesem Projekt, das vor allem Baulärm und horrende Kosten verursacht, heute gar nicht mehr zustimmen. Wenn sich die Voraussetzungen so gravierend geändert haben, müsste man korrekterweise nochmals über das Projekt abstimmen. Die ungelöste Frage nach dem Kostenanteil der Velofahrer zeigt, dass meine Forderung nach einer Velovignette nach wie vor sehr berechtigt ist. Warum eine solche nicht wieder eingeführt wird, hat mir bisher noch niemand plausibel machen können!

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