Väter aus Luzern erzählen

Teilzeit-Arbeit für Männer: Unmöglich! Oder zumindest schwierig

Beat Specht arbeitet in einem 60-Prozent-Pensum als Vater. Mittwochs und donnerstags kümmert er sich um die drei Kinder.

Von zehn Vätern arbeitet gerade einmal einer Teilzeit. Neue Zahlen zeigen, dass Männer auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden, wenn sie ihr Pensum reduzieren. Drei Väter aus Luzern erzählen von ihren Erfahrungen.

«Es war unmöglich, eine Teilzeit-Stelle als Informatiker zu finden.» Das sagt Roger Baumeler, zweifacher Vater aus Luzern. Er musste sich beruflich völlig neu orientieren: Seit zwölf Jahren arbeitet er als Berufsschullehrer.

Männer, die Teilzeit arbeiten, sind in der Schweiz noch immer selten. Zurzeit gehen sechs von zehn erwerbstätigen Frauen einer Teilzeitarbeit nach. Bei den Männern sind es lediglich 1,8 von 10. Und bei den Vätern sind es noch weniger: Da ist es nicht einmal einer von zehn.

Teilzeitwunsch? Absage um Absage

Bei Roger Baumeler und seiner damaligen Partnerin war seit Geburt des ersten Kindes klar, dass er sich als Hausmann um die Kinder kümmert und in einem Teilzeitpensum erwerbstätig bleibt. Der heute 43-Jährige ging diversen Nebenjobs nach. Er war als Pilot unterwegs oder im Vorstand einer Kinderkrippe aktiv.

«Als alleinerziehender Vater muss man eine gewisse Flexibilität an den Tag legen. Und sich für einen Job entscheiden, der eine Teilzeitstelle ermöglicht.»

Roger Baumeler, zweifacher Vater

Eigentlich suchte Baumeler nach einer Teilzeit-Stelle als Informatikleiter bei einer Firma. Teilzeit, das sei vor ein bis zwei Jahrzehnten in der Informatikbranche schier unmöglich gewesen, sagt er. Insbesondere für diejenigen, die eine Führungsposition anstreben. «Jobausschreibungen waren jeweils nur auf Vollzeitpensen getitelt. Und wenn ich nachgefragt habe, ob Teilzeit möglich ist, erhielt ich jedes Mal eine Abfuhr. Das führte damals zu dem Punkt, an dem ich mir sagte: Teilzeit ist in diesem Wirtschaftszweig und zu diesem Zeitpunkt einfach nicht möglich.»

Jobwechsel ganz bewusst vollzogen

Nach der Trennung von seiner Frau blieben die beiden Kinder bei ihm. Vor zwölf Jahren wagte er als alleinerziehender Vater schliesslich einen beruflichen Neuanfang. Auch wenn das für ihn kein einfacher Entscheid war. Der Branchenwechsel brachte auch Existenzängste mit sich. Heute sagt der Vater einer 12-jährigen Tochter und eines 15-jährigen Sohns ganz pragmatisch: «Als alleinerziehender Vater muss man eine gewisse Flexibilität an den Tag legen. Und sich für einen Job entscheiden, der eine Teilzeitstelle ermöglicht.»

Zum Glück sind die Ängste, sich auf das Experiment «Schule geben» einzulassen, mittlerweile verflogen. «Ich kann über einen sehr sozialen Arbeitgeber dankbar sein. Auf meine familiäre Situation wurde immer sehr viel Rücksicht genommen», sagt Baumeler, der heute einem 70-Prozent-Pensum nachgeht.

Baumeler ist Präsident des Vereins «Alleinerziehende Mütter und Väter Luzern». Der Verein hat zum Ziel, Gleichbetroffene zusammenzuführen und einander zu helfen. Er weiss, dass er als alleinerziehender Vater, der einem Teilzeit-Pensum nachgeht, eher eine Ausnahmeerscheinung ist. «Die meisten alleinerziehenden Väter arbeiten fast immer 100 Prozent. Viele fühlen sich von Gesellschaft und Behörden unter Druck gesetzt, als fähiger Vater finanziell auf eigenen Beinen zu stehen.»

Der Gesamtvorstand des Vereins «Alleinerziehende Mütter und Väter Luzern». Roger Baumeler ist vorne in der Mitte. (Bild: zvg)

So sieht es in Schweizer Paarhaushalten mit Kindern aus

Dass Männer mit Teilzeitwunsch wie Roger Baumeler auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt werden, ist kein Einzelfall. Heute arbeitet fast jeder Mann nach wie vor Vollzeit. Auch, weil sie bei einem Teilzeit-Wunsch benachteiligt werden. Das unterstreicht auch eine Studie der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich. Diese besagt: Wer den Wunsch nach Teilzeitarbeit hat und sich dementsprechend bewerbt, bei dem sinkt die Wahrscheinlichkeit, kontaktiert zu werden, um bis zu 28 Prozent. Männer werden deutlich stärker benachteiligt: Bereits der Wunsch nach einer 90-Prozent-Anstellung führt bei Männern zu einer um 16 Prozent geringeren Kontaktrate, bei den Frauen ist der Nachteil weniger als halb so gross.

Teilzeit-Stellen im oberen und mittleren Kader: Fast undenkbar

Auch der 38-jährige Willy Zemp hatte Schwierigkeiten, eine Teilzeit-Stelle zu finden. Der dreifache Vater reduzierte nach der Trennung von seiner Ex-Frau sein Pensum und arbeitete 80 Prozent als Eventmanager. Dann kam Corona. Er verlor seine Stelle. «Ein Jahr lang habe ich mit der Suche nach einem Teilzeit-Job verbracht», sagt Zemp. «Ich hatte grosse Schwierigkeiten, eine Teilzeit-Stelle im mittleren oder oberen Kader zu finden, der zugleich genügend flexibel ist, damit ich mich am Mittwoch und an den Wochenenden jeweils voll und ganz auf die Kinder fokussieren kann. Denn diese Tage sind mir heilig.»

«Ein Jahr lang habe ich mit der Suche nach einem Teilzeit-Job verbracht.»

Willy Zemp, dreifacher Vater

Er suchte im Bereich Vertrieb/Produktion eine Führungsposition. Teilzeit-Stellen waren keine ausgeschrieben. Zemp erhielt Absage um Absage – er entspräche nicht dem Profil, hiess es. Sie suchen jemand für eine Vollzeitstelle, sonst sei es mit dem Einarbeiten für sie zu aufwändig, so der Tenor. Bei anderen Teilzeitstellen hätte er kein festes Einkommen gehabt, was ihm als Familienvater zu riskant war. Nach unzähligen Absagen erfolgte nun der Durchbruch: Zemp tritt demnächst eine neue Stelle als Lebensmittelingenieur in einer kleineren Produktion an. Auch dieses Beispiel zeigt: Männer wollen sehr wohl Teilzeit arbeiten. Aber sie können nicht immer, weil sie mit Teilzeitwunsch benachteiligt werden.

Schreiner musste für seinen Teilzeitwunsch einstehen

Beat Specht ist Vater von einem fünf- und vierjährigen Sohn sowie einer einjährigen Tochter. Wie es sein Vater schon vorgelebt hatte, war auch ihm klar: Er will aktiv am Alltag seiner Kinder teilhaben. So hat er mit seiner Frau die Kinderbetreuung aufgeteilt

«Als Mann, der Teilzeit arbeiten möchte, muss man sich bei seinem Chef dafür starkmachen und fordernd sein.»

Beat Specht, dreifacher Vater

Schritt für Schritt reduzierte der 34-Jährige bei der Schreinerei, in der er arbeitet, sein Pensum: Von 80 Prozent auf 70, dann auf 60 Prozent. «Ganz so easy war das nicht», sagt Specht. «Als Mann, der Teilzeit arbeiten möchte, muss man sich bei seinem Chef dafür starkmachen und fordernd sein», sagt er. Das tat er nach dem Familienzuwachs auch. Seine Frau erhielt im Spital, in dem sie arbeitete, eine neue Aufgabe. Dies erforderte aber, dass ihr Mann an zwei fixen Tagen die Woche sich um die Kinder kümmern kann. Für Beat Specht war klar: «Entweder ich kann mein Pensum in der Schreinerei reduzieren – oder ich schaue mich nach einem neuen Job um.» Zum Glück kam ihm sein Chef damals entgegen. «Und zum Glück blieb es mir erspart, eine Teilzeit-Stelle als Schreiner suchen zu müssen.»

Vom Begriff «Papitag» hält Beat Specht nicht viel. Denn Hausmann und Papa ist eine herausfordernde Arbeit.

Karriere kann man auch noch machen, wenn die Kinder gross sind

Denn eine Teilzeitstelle in einem männerdominierten Beruf zu finden, wäre wohl nicht ganz einfach gewesen, sagt Specht. «In klassischen Männerberufen war es früher – als das Alleinernährer-Modell noch zur Norm gehörte – nicht nötig, Teilzeitstellen zu schaffen», so Specht. Mittlerweile bewege sich aber etwas. In der Schreinerei, in der er arbeitet, ist auch ein anderer Vater in einem Teilzeit-Pensum angestellt.

«Natürlich muss man als Arbeitnehmer auch Kompromisse eingehen», sagt Specht. Führungspositionen, in denen man Verantwortung über grosse Projekte oder Team übernimmt, fallen weg. Specht sieht's gelassen: «Wir sollten uns von der Gesellschaft weniger unter Druck setzen lassen, Familiengründung und Karriere gleichzeitig zu realisieren. Die Kinder werden schliesslich auch grösser – Karriere kann man auch noch als 40-Jähriger machen.»

Der Papitag …

Specht engagiert sich im Netzwerk «Paparazzi», welche frische und junggebliebene Väter miteinander vernetzt. Specht betont, dass Väter sich der Verantwortung als Teilzeithausmann bewusst sein müssen. Er hat häufig das Gefühl, dass Väter sich an ihrem sogenannten Papitag um die Kinder, aber nicht den Haushalt kümmern würden. «Da entziehen sich viele Väter noch ihrer Verantwortung.»

Die Väter gehen mit den Kindern auf den Spielplatz, erledigen den Einkauf. Und dann schmeisst nach wie vor die Frau, die dann Teilzeit arbeitet, das ganze Drumherum. Also die Kinderbetreuung, Geschenke und Kuchen für das Geburifest, To-Dos in Kindergarten und Co. – also der ganze Mental Load. Mit dem Begriff des «Papitags» hat er dementsprechend auch Mühe. Weil der Begriff so etwas wie Ferien zu Hause impliziere, für etwas, das in der Realität eine herausfordernde Arbeit ist.

Familien mit atypischen Familienmodellen – die Frau macht Karriere, der Mann ist Hausmann, wie es die Familie Bucher in Emmenbrücke vorlebt, dürften immer noch eine Seltenheit sein:

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Thiam Lütolf
    Thiam Lütolf, 21.01.2022, 10:31 Uhr

    In der heutigen Zeit sollte Teilzeit und nicht Vollzeit Standard sein. Dies würde nicht nur der Gleichberechtigung zu Gute kommen, sondern hätte auch gesundheitliche und ökologische Vorteile für die Gesellschaft und auch persönlich.

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  • Profilfoto von Paul
    Paul, 07.11.2021, 14:49 Uhr

    Arbeite seit über fünf jahren teilzeit (baugewerbe) und passt tip top. Flexibel bleiben und motivier arbeiten dann hat auch der chef freude an den teilzeitarbeitern

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