Luzerner Tourismus per App

Was Datenschutz mit deinem nächsten Städtetrip zu tun hat

Werden Touristen künftig mit individuellen Programmen durch Luzern gelotst? Datenschützer Matthias Schönbächler erklärt, wieso der Datenschutz ein Wörtchen mitzureden hat. (Bild: ewi/zvg)

Wie sieht Reisen in Zukunft aus? Geht es nach Branchenvertretern, dann sehr viel digitaler und personalisiert. Auch in Luzern liebäugelt der Tourismus mit mehr digitalen Mitteln. Einschätzungen von Datenschützern zeigen: Ganz so einfach ist das nicht.

Thomas macht Ferien in der Stadt Luzern. Just am Tag, an dem er das Löwendenkmal anschauen will, bildet sich eine riesige Traube um den liegenden Löwen. Ein Durchkommen unmöglich. Da die Luzern Tourismus-App weiss, dass Thomas Wassersport mag, schlägt sie ihm stattdessen einen Schwumm bei der Ufschötti oder eine Pedalo-Fahrt beim Lido vor. Schliesslich hat ihm das im Vorjahr auf den Malediven auch gefallen.

Aufgrund der aktuellen Besucherzahlen rechnet die App aus, dass Thomas da nur rund 15 Minuten auf ein freies Pedalo warten müsste. Der Besuch des Löwendenkmals wird in seinem personalisierten Wochenplan zwei Tage nach hinten verschoben, weil dann gemäss Besucherdaten weniger los ist.

App schickt persönliche Empfehlungen per Push

So ähnlich malt sich Guglielmo Brentel die Ferien der Zukunft aus. In einem Interview mit der Fachzeitschrift «Hotelrevue» beschreibt der Präsident von Zürich Tourismus, was ihm vorschwebt. Die Stossrichtung: personalisierter Tourismus per App. «Bei Regen werden wir über Schlechtwetter-Alternativen informieren und den Usern Vorschläge aufgrund von Vorlieben und bisherigen Buchungen machen», so Brentel.

Dabei verweist er auf Vorreiter Amsterdam. Deren Tourismus-App erkennt anhand von Standortdaten, falls man sich in einer langen Schlange befindet. Sie schlägt dem Gast anschliessend per Push-Nachricht vor, stattdessen in ein anderes Museum um die Ecke zu gehen.

Mit kombinierten Daten zum Nutzerprofil

Smarte Lösungen interessieren auch den Luzerner Stadtrat und Luzern Tourismus. In der Tourismus Vision 2030 ist der vermehrte Einsatz digitaler Mittel erwähnt, mit denen beispielsweise Besucherströme gesteuert werden sollen (zentralplus berichtete). Mediensprecherin Sibylle Gerardi bestätigt auf Anfrage, dass Luzern Tourismus verschiedene Angebote und Ideen für eine optimierte Besucherlenkung prüfen. Wie sie versichert, halte sich Luzern Tourismus dabei «selbstverständlich» an die geltenden Vorgaben punkto Datenschutz.

Denn: Ein Grund, wieso solche Mittel in der Schweiz bislang kaum eingesetzt werden, ist der Datenschutz. Wie Guglielmo Brentel im Interview sagt: «So restriktiv, wie wir den Datenschutz in der Schweiz praktizieren, ist er für die Innovation im Tourismus oft hinderlich.» Für massgeschneiderte Tourismusangebote müssten nämlich Daten von verschiedenen Stellen miteinander kombiniert werden. So zum Beispiel von der Hotellerie, dem öffentlichen Verkehr oder verschiedenen Tourismusangeboten. Damit liesse sich ein «digitales» Profil mit dem Ferienverhalten und Vorlieben der Besucher anlegen.

«Der Nutzer wird vielfach nicht gehörig informiert und kann damit in diese invasiven Datenbearbeitungen gar nicht einwilligen, wenn er sie nicht begreift.»

Matthias Schönbächler, Datenschutzbeauftragter des Kantons Luzern

Ein ähnliches Vorgehen kennt man beispielsweise vom Internetriesen Google, der Nutzerprofile zu Werbezwecken erstellt. Dein eigenes kannst du (je nach Einstellungen) hier sehen. Zudem sammelt Google auch deine Standortdaten und erstellt eine Zeitachse mit all deinen besuchten Orten – samt der Bilder, die du da geschossen hast.

Datenschützer: «Es steht und fällt mit der Transparenz»

Gemäss der Einschätzung von Matthias Schönbächler, dem Datenschutzbeauftragten des Kantons Luzern, liessen sich Push-Nachrichten zu Schlechtwetter-Alternativen oder Warteschlangen vor Museen auch ohne persönliche Daten realisieren. Dies bestätigt auch Silvia Böhlen, Sprecherin des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB). Die SBB beispielsweise erfasse an mehreren Bahnhöfen anonym die Besucherströme. Anhand solcher Daten ist es bereits möglich, grobe Angaben zum Besucherandrang zu bestimmten Zeiten zu machen.

Problematisch punkto Datenschutz wird es dann, wenn die Services Personen- und Standortdaten erheben, Nutzerverhalten auswerten und dadurch Profile bilden. «Der Nutzer wird vielfach nicht gehörig informiert und kann damit in diese invasiven Datenbearbeitungen gar nicht einwilligen, wenn er sie nicht begreift», beanstandet Schönbächler. Denn die betroffenen Personen müssen bewusst und aus freien Stücken in diese Datenbearbeitungen einwilligen, damit sie zulässig wären.

Selbiges bestätigt auch der EDÖB: «Jede Bearbeitung von Personendaten braucht einen Rechtfertigungsgrund. Bei personalisierten kommerziellen Angeboten dient regelmässig die freie Einwilligung der betroffenen Personen als solcher.» Ein potenzielles personalisiertes Tourismusangebot steht und fällt also mit der Transparenz.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Sibylle Gerardi, Leiterin Unternehmenskommunikation von Luzern Tourismus
  • Artikel in «Hotelrevue»
  • Schriftlicher Austausch mit Silvia Böhlen, Sprecherin des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten
  • Schriftlicher Austausch mit Matthias Schönbächler, Datenschutzbeauftragter des Kantons Luzern
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