Die Stadt Zug gibt es nun im Metaverse, einem virtuellen Raum, der nur mit einer speziellen Brille erreicht werden kann. Ich habe die neue Welt ausprobiert. Ihr könnt es auch.
«Warum nicht digital, wenn es digital einfacher geht?», stellt Stadtpräsident André Wicki im Dachgeschoss der Stadtbibliothek Zofingen eine Frage an die versammelte Presse in den Raum. «Wir schaffen mit dem Metaverse digitale Räume für unsere zahlreichen Vereine und Institutionen, hier können sie sich treffen, austauschen und Veranstaltungen durchführen.»
Zugegeben, was heute die Gamewelt an virtuellen Erlebniswelten zu bieten hat, erreicht das Metaverse der Stadt Zug noch nicht. Aber es geht hier auch nicht ums Gamen, sondern darum, eine virtuelle Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, die erst noch bespielt werden soll. Nicht primär von der Stadtverwaltung, sondern vor allem von potenziellen Nutzern wie Firmen, verschiedene Institutionen und Private.
Auf dem teuren Platz Zug sind also ab sofort auch virtuelle Räume zu haben. Besser ist das nicht. Aber auf alle Fälle kostengünstiger. zentralplus hat sich im virtuellen Zug umgeschaut.
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Ich setze mir die VR-Brille auf und nehme je einen Controller in die rechte wie auch die linke Hand. Ab jetzt bin ich in einer anderen Welt, das Dachgeschoss der Stadtbibliothek ist ausgeblendet.
In der Virtual Reality finde ich mich auf dem Dachgeschoss eines Hauses mit offenen Räumen und seh mich selbst als blonder, junger Avatar. Mit der rechten Steuerung steuere ich mein Alter Ego flott auf Converse-Schuhen ausschreitend durch die Räumlichkeiten. Im Hintergrund kann ich die Stadt Zug und den Zugersee in der warmen Abendsonne ausgebreitet sehen.
Der erste Rundgang im Metaverse
Es wird mir zugegebenermassen etwas schwummrig. Weil mein Gehirn nicht damit klarkommt, dass ich mich als Avatar zügig fortbewege, mich als realer Mensch aber gleichzeitig keinen Schritt vorwärtsbewege. Ich laufe abgerundeten Wänden entlang, an denen Kunstwerke hängen. Obwohl etwas flach und ohne Textur – Dreidimensionalität ist nicht zu erkennen, geschweige denn ein pastoser Farbauftrag –, ist doch sehr gut zu sehen, was auf den einzelnen Bildern dargestellt ist.
Ich weiss, es handelt sich um Bilder aus der Kunstsammlung der Stadt Zug. Von den rund 1400 Kunstwerken sind es lediglich etwa 200, die nicht in den Archiven beim Casino verstauben. Die Kunst wirkt dekorativ, zugegeben. Doch mich zieht es ins Auditorium. Über die Treppe nach unten laufend steuer ich das Sofa auf der Bühne an und schaffe es irgendwie, mich hinzusetzen. Was erneut Konfusionen in meinem Hirn verursacht. Denn in Wirklichkeit habe mich nach wie vor keinen Zentimeter vom Fleck bewegt.
Etwas Stimmung lässt sich auch herbeizaubern
Fühlt sich gut an, hier auf die leere Zuschauerarena zu schauen und sich vorzustellen, einen öffentlichen Auftritt zu absolvieren. Rasch erhebe ich mich wieder, gehe leichtfüssig die Treppe hinauf, passiere die eine oder andere Lounge ausserhalb des Auditoriums, überquere einen im Boden eingelassenen Teich auf einer schmalen Holzkonstruktion und finde mich, an einem anderen weiblichen Avatar vorbeilaufend, endlich an der Fensterfront Richtung See wieder.
Auch die als schönste der Welt gepriesene sonnige Abendstimmung mit Blickrichtung Ennetsee lässt nichts zu wünschen übrig. Ich befinde mich recht hoch oben im Gebäude und weiss, mir kann hier nichts passieren.
Kann ich mich selbst das Gebäude hinunterwerfen?
Also versuche ich, über den Dachrand hinauszulaufen und mich hinunterzuwerfen. Derartiges käme mir in der Realität nie in den Sinn, da wäre ich eher vorsichtig zurückgewichen. Und siehe da: Es klappt, ich falle in den leeren Raum, lande aber sofort wieder am Ausgangspunkt.
Polizei, Krankenwagen, Ärzte oder ein Spital braucht es hier also nicht. Das finde ich irgendwie beruhigend. Gleichzeitig wirkt das auch sehr virtuell. Sprich: etwas schablonenhaft, virtuell. Denn diese Welt ist doch eher einfach gezeichnet und kann es mit den heutigen Gaming-Realitäten nicht aufnehmen.
Auf einer bestehenden Software-Infrastruktur aufgebaut
Noch immer ist es mir leicht schwummrig zumute. Mein Gehirn hat sich nicht an diesen Körper-Geist-Gap gewöhnen können. Ich ziehe mir die VR-Brille aus und finde mich unversehens im obersten Stock der Stadtbibliothek Zug wieder. Noch immer stehe ich an Ort und Stelle.
Martin Würmli, Stadtschreiber, erklärt: «Wir haben unser Stadthaus im Metaverse neben unserer sonstigen Arbeit über einen Zeitraum von sechs Monaten entwickelt und in der Folge noch zwei Monate verfeinert.» Die Stadtverwaltung habe dabei auf einem bestehenden Programm des auf virtuelle Räume spezialisierten Anbieters Spatial aufsetzen können.
Stadt öffnet Tor zum Metaverse und der Welt ein Tor zu Zug
Entsprechend habe die Stadt weder allzu viele personelle Ressourcen noch viel Geld ins Metaverse investiert. Stadtpräsident André Wicki verrät: «Wir haben uns das so rund 50’000 Franken kosten lassen.» Also könne man mal von einem ersten Anfang sprechen.
«Für mich ist wichtig, dass wir mit dem Metaverse nicht nur eine neue Welt für die Zuger öffnen. Wir öffnen mit dieser virtuellen Parallelwelt auch weltweit das Tor zu Zug.» Denn das Metaverse sei jederzeit von überall her auf dem Planeten erreich- und besuchbar.
Wie Martin Würmli auf Nachfrage erläutert, lasse sich das Metaverse mehrfach duplizieren sowie gesondert vergeben und nutzen. Als erste Schweizer Stadt überhaupt bietet Zug also nicht nur deren eine, sondern gleich mehrere Paralleluniverse an. Wie diese genau aussehen, ist auf die Kundenwünsche anpassbar.
Via Gratisapp lässt sich das Zuger Metaverse testen
Insgesamt stellt die Stadtbibliothek an diesem Nachmittag drei VR-Brillen zu Testzwecken zur Verfügung. Auch Stadtpräsident André Wicki lässt es sich nicht nehmen, noch einmal in die virtuelle Welt einzutauchen. Und hält sich dabei ganz elegant, wobei er sich einmal so mitdreht, dass er mit seiner VR-Brille unversehens etwas verloren wirkt, weil er in die Wand schaut.
Wie Jasmin Leuze, Leiterin der Stadtbibliothek mitteilt, könnten Inhaberinnen und Inhaber der Bibliothekskarte jederzeit eine VR-Brille ausleihen, um das Metaverse am eigenen Leib auszuprobieren. Doch man kann sich ebenfalls via der App Spatial, wo sich alle Funktionalitäten auch am Handy oder Laptop respektive PC nutzen lassen, einen Eindruck vom Stadtzuger Metaverse verschaffen.
Zug macht derzeit erste zögerliche Schritte in seinem Metaverse
Martin Gabriel, stellvertretender Leiter Informatik, sagt auf die Anforderungen an persönlichen Begegnungen angesprochen: «Es gibt inzwischen auch Apps, mit deren Hilfe man auf der Basis einer Fotografie auch einen realitätsnahen Avatar von sich selbst herstellen kann, sodass man im Metaverse auch erkannt wird.»
Für Iris Weder, Leiterin Kultur der Stadt Zug, sind virtuelle Ausstellungen aus dem Fundus der Kunstsammlung der Stadt Zug nur ein erster Schritt. «Wer weiss, vielleicht wollen sich auch andere Zuger Kulturinstitutionen anschliessen und die Wände des Metaverse bespielen.»
Hybride Veranstaltungen könnten besonders reizvoll sein
Es ist spürbar, dass sich die Behörden im Zuger Metaverse erst noch zurechtfinden müssen. Doch existieren auch bereits konkretere Vorstellungen, wie im Gespräch mit Iris Weder deutlich wird.
Sie kann sich gut vorstellen, dass zum Beispiel Veranstaltungen in Zug auch im Metaverse übertragen und erlebbar gemacht werden können. «Diese hybride Form finde ich auf Veranstaltungsseite besonders überzeugend», bekräftigt sie. Wobei sich auch vieles von der Atmosphäre her nicht übertragen lässt.
Was die Stadtzuger Institutionen, Firmen und Privaten vom Zuger Metaverse halten, muss sich nun weisen. Eines muss man der Stadt aber lassen: Mit einem verhältnismässig geringen Aufwand hat sich die Stadtzuger Behörde einmal mehr als Innovationsleaderin in der Schweizer Wirtschaft positioniert.
Redaktioneller Mitarbeiter bei zentralplus mit Themen-Schwerpunkten Politik und Wirtschaft. Hat an der Universität Zürich Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie studiert. Als ehemaliger Triathlet nach wie vor begeisterter Läufer, Rennradfahrer und Schwimmer.