Keine Anpassung trotz mangelndem Datenschutz

Die Stadt Zug weiss, wo du vor zwei Jahren parkiert hast

Trotz der Rüge der Datenschutzbeauftragten findet Urs Raschle, dass die Parkplatzbewirtschaftung der Stadt Zug kein Problem ist. (Bild: Andreas Busslinger/Die Mitte)

Bei digitalen Parkuhren tippen Zuger jeweils ihr Autokennzeichen und je nachdem auch ihre Handynummer ein. Diese Daten bewahrt die Stadt Zug bis zu zwei Jahre auf. Die Begründung dafür klingt abenteuerlich.

«Big Brother is watching you» – Inzwischen wissen immer mehr private Unternehmen, wo du dich befindest oder gerade aufgehalten hast. Prominentestes Beispiel ist Tech-Gigant Google, der die Standortdaten deines Handys nutzt und in einer Zeitachse aufzeigt, wo du jeweils gewesen bist.

Der gläserne Autofahrer?

Doch nicht nur dein Handy lässt Rückschlüsse über deinen derzeitigen Aufenthalt zu. Sondern auch dein Auto. Möglich machen das digitale Parkuhren. Wenn du an einer digitalen Parkuhr dein Kontrollschild und eventuell deine Handy-Nummer für eine digitale Quittung eingibst, gibst du Personendaten von dir preis. Die Stadt Zug und die Herstellerfirma – im Falle der Stadt Zug die IEM AG – können so theoretisch Rückschlüsse machen, wann du wo wie lange mit dem Auto parkiert hast.

Denn wem ein Autokennzeichen gehört, ist öffentlich einsehbar (für den Kanton Zug und Luzern beispielsweise hier). Im Falle der Stadt Zug bewahrt der private Parkuhranbieter die Daten für zwei Jahre auf. Falls gewollt, könnte die Stadt oder der Parkuhrenhersteller also nachschauen, ob du im Mai 2021 für rund drei Stunden in der Metalli eingekauft – oder zumindest da parkiert – hast. Der Zuger Polizei stehen die Daten hingegen drei Tage zur Verfügung, wie dem Jahresbericht der kantonalen Datenschutzstelle zu entnehmen ist.

Datenschutzbeauftragte übt Kritik

Für die kantonale Datenschutzbeauftragte Yvonne Jöhri ein klares No-Go: «Weder Zweck noch Verhältnismässigkeit der Aufbewahrungsdauer konnten transparent und nachvollziehbar dargelegt werden.» Personendaten dürfen nur so lange aufbewahrt werden, wie dies notwendig sei. Soll heissen: Hast du dein Parkticket brav bezahlt, müssten deine Personendaten unmittelbar nach Ablauf der Parkzeit gelöscht werden.

«Aus Sicht der Stadt Zug gibt es keinen Änderungsbedarf.»

Urs Raschle, Sicherheits- und Sozialvorsteher Stadt Zug

Dass dies auch passiert und mit deinen Daten nichts anderes geschieht, muss die Stadt Zug per Gesetz sicherstellen. Doch die fühlt sich anscheinend nicht verantwortlich, wie etwas umständlich formuliert im Jahresbericht zu lesen ist: «Die Stadt Zug sieht sich als verantwortliches Organ nicht in der Pflicht, die Anforderungen einer Auftragsdatenbearbeitung umzusetzen noch eine verhältnismässige Datenbearbeitung durch den beigezogenen Dritten sicherzustellen.»

Doch dass dies anscheinend ein Anliegen der Bürgerinnen ist, zeigt der Jahresbericht ebenfalls auf. Wie Jöhri auf Anfrage mitteilt, haben sich rund zwanzig Personen zur datenschutzrechtlichen Situation um die Parkuhren erkundigt.

Stadt Zug nennt «Service»-Gründe

Auch auf Anfrage hält der Zuger Sicherheitsvorsteher Urs Raschle fest: «Die Stadt Zug und die kantonale Datenschutzstelle haben unterschiedliche Meinungen, was wir bedauern. Aus Sicht der Stadt Zug gibt es aber keinen Änderungsbedarf.»

Während für die Datenschutzbeauftragte das Autokennzeichen zu den sensiblen Personendaten zählt, beurteilt die Stadt Zug diese Daten als nicht besonders schützenswert. «Das Kennzeichen ist zwar auf eine Halterin oder einen Halter eingelöst, aber es lassen sich keinerlei Rückschlüsse auf diejenige Person ziehen, die das Fahrzeug tatsächlich gesteuert hat», führt Raschle aus. Also nur weil dein Auto in Zug gewesen ist, muss das noch lange nicht heissen, dass du auch da gewesen bist.

«Weder Zweck noch Verhältnismässigkeit der Aufbewahrungsdauer konnten transparent und nachvollziehbar dargelegt werden.»

Yvonne Jöhri, Datenschutzbeauftragte des Kantons Zug

Für die «unverhältnismässig» lange Aufbewahrungsdauer nennt Raschle «Service-Gründe». Autofahrerinnen könnten bei der Parkuhranbieterin IEM ein Kundenkonto per Handynummer eröffnen, womit sie Belege für Parkgebühren abrufen können. So könnten beispielsweise Handwerker Belege für Spesenabrechnungen sammeln. Aus Sicht der Stadt Zug sei die Aufbewahrungsfrist von zwei Jahren deshalb durchaus nachvollziehbar.

Zudem ergeben sich für die Stadt Zug durch die Einführung digitaler Parkuhren viele Vorteile beim Parkplatzbetrieb. So muss die Stadt zum Beispiel Parkplatznummern nicht mehr explizit markieren. Oder es können keine neugierigen Passanten mehr nachschauen, ob du demnächst eine Busse erwarten darfst.

So oder so: Ändern wird sich vermutlich nichts

Fest steht: Ändern wird sich an der vorliegenden Situation vermutlich nichts. Trotz Kritik der kantonalen Datenschutzstelle wird die Beschwerde nicht weiterverfolgt. Denn wie Jöhri erklärt, habe die Datenschutzstelle kein effektives Mittel zur Durchsetzung von etwaigen vorsorglichen Massnahmen. Und auch keine ausreichenden Ressourcen, den Fall auf dem Verwaltungsrechtsweg weiterzuziehen.

Die kantonale Datenschutzstelle ist nicht die einzige, die sich 2021 mit den digitalen Parkuhren befasst hat. Auch die Ombudsstelle hat eine Beschwerde dazu erhalten. Die Zuger Polizei gehe «überspitzt formalistisch» bei Vertippern bei Parkuhren vor (zentralplus berichtete).

Verwendete Quellen
  • Jahresbericht Datenschutzbeauftragte Kanton Zug 2021
  • Schriftlicher Austausch mit Yvonne Jöhri, Datenschutzbeauftragte Kanton Zug
  • Schriftlicher Austausch mit Urs Raschle, Sicherheits- und Sozialvorsteher Stadt Zug
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Daniela Uebersax
    Daniela Uebersax, 27.04.2022, 07:30 Uhr

    Raschles Begründung für das widerrechtlich Datensammeln ist einfach nur lächerlich. Wegen Spesenzetteln… wer braucht die zwei Jahre lang und vor allem, was gehen meine Spesen die Stadt Zug an?

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  • Profilfoto von John Doe
    John Doe, 27.04.2022, 06:18 Uhr

    Parkuhren, welche die Eingabe der Autonummer erfordern, sollten eh verboten werden!

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