Interview mit Yvonne Jöhri

Sie will Zugs Daten schützen – doch brennt aus

Gehen die Behörden korrekt mit den Daten der Zuger um? Das sollte die Datenschutzbeauftragte Yvonne Jöhri kontrollieren. (Bild: Adobe Stock/zvg)

Im Interview erklärt die Zuger Datenschützerin Yvonne Jöhri, wieso sie mehr Ressourcen braucht und welche wichtigen Aufgaben derzeit liegen bleiben.

Der Auftrag als Datenschützerin ist nicht einfach. Die Aufgaben wachsen, und die Datenschutzstellen sind personell in vielen Kantonen – mit Ausnahme von Zürich, Bern oder Basel – unterdotiert. So auch in Zug.

Wir haben mit der Zuger Datenschützerin Yvonne Jöhri gesprochen. Dabei wird klar: Nicht alles in ihrem Beruf ist leicht zu verstehen, viele Formulierungen klingen sperrig. Doch: Das Thema ist wichtig. Wichtiger, als viele meinen.

Digitalisierung bringt Mehrarbeit mit sich

Die Zuger Datenschutzstelle wahrt den Schutz von Grund- und Persönlichkeitsrechten der Bürger, deren Daten von den Zuger Behörden bearbeitet werden. Im Jahr 2024 hatte die Zuger Datenschützerin Yvonne Jöhri mit den total 260 Stellenprozenten, auf die sie zugreifen kann, besonders viel zu tun.

Die Beratung und Anfragen von den Behörden nehmen zu, weil der Kanton wie auch die Zuger Gemeinden zunehmend Digitalisierungs- und Transformationsprojekte in Angriff nehmen. Wie die Datenschützerin in ihrer Medienmitteilung zum Jahr 2024 erklärt, meldeten sich erstmals vermehrt direkt betroffene Personen, besonders aus dem Bildungsbereich.

Auch die Zahl der Anfragen besorgter Eltern und Lehrpersonen habe spürbar zugenommen. Als grossen Fortschritt bezeichnet Jöhri die neu pseudonymisierten E-Mail-Adressen der Schülerinnen. Den Schutz von Kindern und Jugendlichen in digitalen Prozessen gelte es, ernst zu nehmen und entsprechende Anliegen konsequent zu berücksichtigen.

zentralplus: Yvonne Jöhri, was wünschen Sie sich am meisten von den Behörden und der Politik fürs kommende Jahr?

Yvonne Jöhri: Die Datenschutzstelle hat auch dieses Jahr mit 260 Stellenprozenten zu wenig Ressourcen, um die vielfältigen Aufgaben wirkungsvoll wahrnehmen zu können. Der Umstand, dass ich nun zum zweiten Mal in Folge ein zeitlich limitiertes Zusatzbudget erhalten habe, um diesen Personalengpass zu überbrücken, ist nicht nachhaltig und gibt keine Planungssicherheit.

Yvonne Jöhri ist die Datenschutzbeauftragte des Kantons Zug. (Bild: zvg)

zentralplus: Weshalb nicht?

Jöhri: Wir brauchen eine juristische Fachperson zur dauerhaften Entlastung. Ich kann stattdessen aber nur jeweils kurzfristig eine befristete und damit nur begrenzt attraktive Teilzeitstelle anbieten. Gleichzeitig kann ich nur jemanden mit Erfahrung im Datenschutzrecht anstellen. Jemand Unerfahrenen kann ich nicht einstellen, personell liegt es nicht drin, jemanden auszubilden.

zentralplus: Wer klemmt bei Ihrem Budget?

Jöhri: Der Regierungsrat und letztlich der Kantonsrat. Manche sehen zwar, dass wir mehr Mittel benötigen und setzten sich im Kantonsrat für mehr Ressourcen bei unserer Stelle ein, andere nicht. Letztere sind leider in der Mehrheit. Gemäss geltendem Recht kann der Regierungsrat dem Kantonsrat einen vom Budget der unabhängigen Stellen abweichenden Antrag vorlegen. Aktuell ist dazu eine Teilrevision des Datenschutzgesetzes in der Vernehmlassung. Diese geht auf eine Motion betreffend Zuständigkeitsregelung für den Budgetprozess der Ombuds- und der Datenschutzstelle zurück.

zentralplus: Was dann zu mehr Unabhängigkeit führt?

Jöhri: Wie sich nun zeigt, will sich der Regierungsrat auch künftig gegenüber dem Kantonsrat zum Budget äussern. Dies ist mit Blick auf die Unabhängigkeit abzulehnen, auch wenn ich nicht davon ausgehe, dass mit der Gesetzesänderung allein eine zusätzliche Stelle einfacher genehmigt wird.

zentralplus: Das klingt nicht nach einer Datenschutzstelle, die so unabhängig ist, wie sie sein sollte.

Jöhri: Tatsächlich kann die Einflussnahme der Datenschutzstelle durch knappe Ressourcen auf Sparflamme gehalten werden.

«Es ist nicht möglich, Digitalisierungsprojekte der Zuger Verwaltung, welche den Grundrechten der Betroffenen nicht genügend Rechnung tragen würden, vorsorglich zu stoppen.»

zentralplus: Auch Ihre Verfügungsgewalt ist eingeschränkt (zentralplus berichtete).

Jöhri: Im Gegensatz zu allen anderen Kantonen, die ihre Datenschutzgesetze in den letzten Jahren revidiert haben, kann ich als Zuger Datenschutzbeauftragte keine Verfügungen erlassen, sondern nur Empfehlungen abgeben. Auch das schwächt die Stellung der Datenschutzstelle gegenüber der Verwaltung. Es ist nicht möglich, zum Beispiel Digitalisierungsprojekte der Zuger Verwaltung, welche den Grundrechten der Betroffenen nicht genügend Rechnung tragen würden, vorsorglich zu stoppen. Allerdings hätte ich die Möglichkeit, Entscheide vor Gericht anzufechten. Für diesen langwierigen Weg fehlen aber die Ressourcen.

zentralplus: Trotz dieser Einschränkungen: Sind Sie zufrieden, wie die Zusammenarbeit mit den Zuger Behörden funktioniert?

Jöhri: Grundsätzlich können wir unsere vielseitigen Aufgaben wahrnehmen, und die Zusammenarbeit mit der Verwaltung ist in verschiedenen Bereichen kooperativ und konstruktiv. Beispielsweise wird die Datenschutzstelle wie vorgesehen regelmässig bei neuen Gesetzgebungs- und Digitalisierungsprojekten miteinbezogen.

zentralplus: Sie müssen also nicht Polizistin spielen, sondern können schon vorher die Weichen für Datenschutz stellen.

Jöhri: Ja, etwa indem die Datenschutzstelle zu rechtssetzenden Erlassen Stellung nehmen oder im Rahmen von Vorabkonsultationen Empfehlungen abgeben kann. Dadurch können wir datenschutzrechtliche Anliegen präventiv anbringen, damit den Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger auf Wahrung ihrer Privatsphäre in staatlichen Vorhaben von Beginn weg Rechnung getragen werden kann. Das Legalitätsprinzip verlangt Rechtsgrundlagen und schafft Transparenz und Rechtssicherheit sowohl für die Bevölkerung als auch die Mitarbeitenden der Verwaltung. Die Stellungnahme zu den gesetzlichen Grundlagen ist daher ein wichtiger Teil unserer Arbeit.

zentralplus: Ein grosses Thema ist auch der Wunsch der Polizei, die Bürgerinnen im Interesse der Sicherheit verstärkt überwachen zu können.

Jöhri: Hier gehen die Vorstellungen, welche Anforderungen diesbezügliche Rechtsgrundlagen erfüllen müssen, zwischen Polizei und Datenschutzbehörden tatsächlich oft auseinander. Allerdings haben die Datenschutzbehörden jüngst Rückendeckung vom Bundesgericht erhalten. Das Luzerner Parlament hatte mehrere Bestimmungen im Polizeigesetz verabschiedet, gegen welche Privatpersonen Beschwerde beim Bundesgericht einlegt hatten. Das Bundesgericht hat die Bestimmungen des Polizeigesetzes teilweise für ungültig erklärt.

zentralplus: Welche?

Jöhri: Etwa die Regelung zur automatischen Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung, mit welcher Autonummern und Insassen von Fahrzeugen erfasst und automatisch mit Fahndungsdatenbanken abgeglichen werden sollten. In seinem Urteil hielt das Bundesgericht fest, dass die Strafverfolgung in der Strafprozessordnung geregelt sei und nicht in die Gesetzgebungskompetenz der Kantone falle. Zudem greife die sehr weitreichende Datenerfassung, -auswertung und -aufbewahrung unverhältnismässig in die Grundrechte ein.

Mit Kameras den Verkehr überwachen, um Täter oder Vermisste zu finden – das schwebte der Luzerner Polizei vor. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)

zentralplus: In diesem Punkt werden die Grundrechte der einzelnen Bürger also höher gewertet als die Polizeiarbeit.

Jöhri: Es geht vor allem darum, dass das Bundesgericht bestätigt hat, dass die in der Bundesverfassung vorgesehenen Anforderungen für Einschränkungen von Grundrechten vorliegend nicht erfüllt sind. Vor allem, wenn es sich um einen schweren Eingriff handelt. Zu diesem Schluss kam das Bundesgericht auch betreffend einer Bestimmung zum Austausch von Daten im Rahmen des polizeilichen Informationssystem-Verbundes von Bund und Kantonen.

zentralplus: Künstliche Intelligenz hat Einzug in unsere tägliche Arbeit gehalten. Wie gehen die Zuger Behörden damit um?

Jöhri: Dazu kann ich keine allgemeine Aussage machen. KI ist nicht nur, aber auch ein datenschutzrechtliches Thema, und vor dem Einsatz von KI-Anwendungen gilt es, verschiedene Fragen zu klären. Namentlich ist eine Vorabkonsultation erforderlich. Die Herausforderungen in diesem Bereich nehmen zu.

«Letztlich geht es um eine Investition in eine von der Verwaltung unabhängige Stelle, die sich für unsere Grundrechte einsetzt, also auch die der Mitglieder des Kantonsrats.»

zentralplus: Ihren Äusserungen zufolge geht Ihnen die Arbeit nicht aus.

Jöhri: Mit der weiter fortschreitenden Digitalisierung sind wir zunehmend gefordert. Einerseits gibt es laufend neue Projekte, zu denen wir unsere Empfehlungen im Rahmen von Vorabkonsultationen einbringen können, andererseits fehlen uns bisher Ressourcen, um zu prüfen, ob Empfehlungen tatsächlich umgesetzt werden, und um Digitalisierungsprojekte zu kontrollieren, welche gar nicht bei uns zur Vorabkonsultation waren. Das ist mit ein Grund, weswegen wir dringendst auf zusätzliche Ressourcen angewiesen sind. Letztlich geht es um eine Investition in eine von der Verwaltung unabhängige Stelle, die sich für unsere Grundrechte einsetzt, also auch die der Mitglieder des Kantonsrats.

Verwendete Quellen
  • Jahresbericht 2024 der Zuger Datenschutzstelle
  • Medienmitteilung zum Jahresbericht der Zuger Datenschutzstelle
  • Persönliches Gespräch mit der Zuger Datenschützerin Yvonne Jöhri
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