Zuger ALG-Ständeratskandidatin wirbt mit Frauenpower

Tabea Zimmermann: «Das Parlament kann laute Frauen sehr gut gebrauchen»

Tabea Zimmermann in voller Fahrt am Sponsorenlauf, angeschoben von Sohn Lucas. (Bild: sib)

Tabea Zimmermann Gibson (ALG) hat ein klares Ziel vor Augen: Sie will als erste Zuger Frau den Sprung in den Ständerat schaffen. Plakate von männlichen Kandidaten zu überkleben, findet sie trotzdem daneben. Genauso wie dicke Autos auf engen Zuger Strassen.

Sie verlieren beinahe das Gleichgewicht um die Kurve, können die Schubkarre gerade noch vor dem Kippen bewahren. Wieder auf Kurs und mit einem breiten Grinsen im Gesicht, geht es für Tabea Zimmermann Gibson, in der «Garette» sitzend, dem Zugersee entlang wieder in Richtung Start und Ziel, um eine weitere Runde zu beenden. Geschoben wird die Zuger ALG-Ständeratskandidatin abwechselnd von ihren Zwillingssöhnen. Vom Streckenrand lärmt es immer wieder «Hopp, Tabea!»

Unterstützung hat Zimmermann nicht nur am ALG-Sponsorenlauf beim Hirschgehege am Zuger Alpenquai nötig, sondern auch bei ihrer Kandidatur für das Stöckli (zentralplus berichtete). Die 49-Jährige trifft auf harte Konkurrenz mit Peter Hegglin (CVP), Matthias Michel (FDP) und Heinz Tännler (SVP). Aus dem linken Lager tritt ausserdem die kantonale Zuger SP-Präsidentin Barbara Gysel an.

«Man darf keine Angst davor haben, bezüglich Gleichstellung strengere Massnahmen zu fordern.»

Tabea Zimmermann Gibson, ALG-Ständeratskandidatin

Im Gegensatz zu Gysel ist Zimmermann eine gebürtige Zugerin. Den Kanton hat sie einzig fürs Studium in Zürich, Bern und im englischen Stoke-on-Trent verlassen. Wie nimmt sie die Entwicklung in ihrem Kanton wahr? «Er entwickelt sich enorm schnell – sodass man teilweise fast die Orientierung verliert», sagt sie. Der Charakter Zugs sei nicht einfach zu bewahren. Sie kenne Leute, die nach einer fünf- oder zehnjährigen Abwesenheit bei ihrer Rückkehr nach Zug den Ort kaum wiedererkannt hätten.

Distanzierung von Plakat-Aktion

Zimmermann kommt an diesem sonnigen Septembertag nicht nur an den Zugersee, um mit der Schubkarre und ihrem Trottinett Runden zu drehen, sondern auch, um die Leute auf ihre Kandidatur aufmerksam zu machen. Sie verschenkt Sonnenblumen an die Passanten, auf dem angehängten Zettel ist ihr Konterfei zu sehen. Als Schlagwort gibt sie den Leuten «Frauenpower» mit auf den Weg.

Es kann offenbar grossen Spass machen, Blumen an die Bevölkerung zu verteilen. (Bild: sib)

Ihr Ziel ist klar: Als erste Frau den Kanton Zug in der kleinen Kammer vertreten. Dies ist ein Anliegen, das in Zug eben insofern für Kontroversen gesorgt hat, als Aktivisten Wahlplakate männlicher Kandidaten mit der Forderung überklebten, eine Frau nach Bern zu schicken (zentralplus berichtete). Von bürgerlicher Seite gab es für die Aktion harsche Kritik (zentralplus berichtete). Auch Zimmermann bezeichnet sie als «daneben und inakzeptabel». Die Forderung, dass es an der Zeit sei, eine Frau als Zuger Vertreterin nach Bern zu schicken, finde sie jedoch absolut berechtigt.

Tieferes Rentenalter als Pfand

Die Gleichstellung bildet einen von Zimmermanns Schwerpunkten in ihrem politischen Programm. Immer wieder kommt sie darauf zu sprechen, beispielsweise wenn es um die Altersvorsorge geht. Das tiefere Rentenalter für Frauen könne als Pfand angesehen werden, habe sich doch die Lohnschere zwischen Männern und Frauen in den letzten Jahren weiter geöffnet. Dies zeige, dass Gleichstellung noch nicht erreicht sei. «Es mag etwas ungerecht sein, dass das Rentenalter für Frauen und Männer nicht das gleiche ist. Doch aus dem strategischen Blickwinkel zum Erreichen der Gleichstellung wäre es naiv, dieses Pfand aus der Hand zu geben, ohne einen Schritt weitergekommen zu sein», sagt Zimmermann.

«Bislang ging noch nie ein Schüler politisch voll auf Konfrontationskurs mit mir.»

Beim Frauenstreik am 14. Juni war sie vorne mit dabei. Im Vorfeld hatte sie beim Regierungsrat ein Postulat eingereicht und darin für diesen Tag eine Dispensation für weibliche Zuger Kantonsangestellte verlangt. Seit dem Frauenstreik sind nun mehr als drei Monate vergangen. Zimmermann ist sich bewusst, dass es nun gilt dranzubleiben, damit die Forderungen nicht versanden. «Man darf keine Angst davor haben, strengere Massnahmen zu fordern. Zum Beispiel, dass Grossunternehmen rechtfertigen müssen, wenn der Frauenanteil zu tief ist.»

Der Ruf nach lauten Frauen

Die Kantonsrätin gibt zu, dass es im bürgerlich dominierten Zug nicht immer einfach ist als grüne Politikerin. Am Auto als Wohlstandssymbol – in Zug ein allzu bekanntes Phänomen – stört sich Zimmermann: «Viele denken, sie können sich ein grosses, teures Auto, das die Umwelt mehr belastet, ja leisten. Die anderen sollen sich anpassen.» Die hohe SUV-Dichte in Zug zeige, dass es in gewissen Bereichen nicht genüge, an die Freiwilligkeit zu appellieren.

Zimmermann gibt vollen Einsatz auf dem Trottinett, gefolgt von ALG-Kampagnenleiter Marco Knobel. (Bild: sib)

Mit solchen Botschaften will die passionierte Violinistin den Sprung nach Bern schaffen. «Das Parlament kann sehr gut mehr Frauen, vor allem mehr laute Frauen, brauchen. Meine Kandidatur gibt Gelegenheit, über Themen wie Gleichstellung, Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu reden. Wichtig ist eine Wertediskussion darüber, was wir unseren nächsten Generationen hinterlassen wollen», begründet Zimmermann ihre Kandidatur.

Sie selbst versucht im Alltag mit gutem Beispiel voranzugehen: «Ich bin meist per Velo oder Zug unterwegs, esse nur zwei- bis dreimal Fleisch pro Woche, versuche so gut wie möglich Food Waste zu vermeiden und bringe ein Gerät lieber ins Repair Café als es direkt zu ersetzen», zählt sie auf. Es seien viele kleine Dinge, mit denen man seinen Teil leisten könne. Doch sei auch ihr CO2-Fussabdruck noch zu gross. So besucht sie einmal im Jahr meist mit dem Flugzeug die Familie ihres Mannes, die in England lebt. «Dieses Jahr bin ich allerdings noch nie geflogen», ergänzt sie.

Noch kein «Polit-Duell» an der Kanti

Ob sie aktuell dafür überhaupt Zeit hätte, ist eine andere Frage. Denn Zimmermann ist nicht nur Vizepräsidentin des Grossen Gemeinderats in Zug, sondern seit diesem Jahr auch Kantonsrätin. Daneben amtet sie unter anderem auch als Präsidentin der Kiss Genossenschaft Zug, die Nachbarschaftshilfe mit Zeitgutschriften anbietet.

Tabea Zimmermann versucht mit Sonnenblumen zu punkten. (Bild: sib)

Hauptberuflich ist Zimmermann Englischlehrerin mit einem 60-Prozent-Pensum an der Kantonsschule Alpenquai in Luzern. «Einige Schüler wissen vielleicht, dass ich für den Ständerat kandidiere. Ich gehe mit meiner Rolle als Politikerin nicht hausieren, doch wenn ich darauf angesprochen werde, gebe ich gerne Auskunft», sagt sie. Ist dies der Fall, sei der Tenor meist positiv. «Diejenigen, welche mit meiner Politik überhaupt nichts anfangen können, sagen wohl lieber gar nichts», vermutet sie. «Bislang ging jedenfalls noch nie ein Schüler politisch voll auf Konfrontationskurs mit mir.»

Den Söhnen einige Erfahrungen voraus

Die Kantonsschule war auch bei Zimmermann zu Hause in Zug bis vor kurzem ein grosses Thema: Ihre beiden Söhne schlossen diesen Sommer die Matura ab. Nach einem Zwischenjahr soll es für die beiden 18-Jährigen an die ETH oder eine Uni gehen.

Am Esstisch werde nicht übermässig politisiert. «Innerhalb der Familie gibt es politisch keine riesigen Meinungsunterschiede. Am ehesten bezüglich Gleichstellung sind meine Söhne nicht immer meiner Meinung. Sie halten manche meiner Forderungen für übertrieben. Dann erzähle ich von Erfahrungen, die ich gemacht habe. Erfahrungen, die sie als junge Männer nicht kennen können.» Eine Erfahrung aber, die sie ganz sicher gemacht haben: Ihr Mami in der Schubkarre dem Zuger Seeufer entlangzustossen.

Tabea Zimmermann beantwortet eine Frage im Video:

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