Eine Region im Wandel

Sursee wird zum urbanen Zentrum

Sursee aus der Vogelperspektive: Die Gemeinde rechnet mit einem Defizit von 3.8 Millionen Franken. (Bild: sursee-mittelland.ch)

Die Region Sursee-Mittelland boomt. Die Bevölkerung wächst rasant. Godi Marbach, Gemeindeammann von Sursee, stellt fest: «Sursee wird neben Luzern zum zweiten urbanen Magneten.» Dies geschieht aber nicht ohne Nebengeräusche.

Wer gelegentlich durch Sursee fährt, dem fällt eines auf: In der Region entsteht überall Neues. Auf der Zugfahrt von Luzern in Richtung Olten sieht man in der Umgebung des Bahnhofs Sursee und rund um das Stadtgebiet dutzende Baukräne. Neue Gebäude in moderner Architektur, neue Wohnsiedlungen, Baugruben und Firmenschilder. Eine Pendlerin sitzt im Abteil gegenüber. Sie wohnt in Sursee. Das kurze Gespräch über die augenfälligen Entwicklungen fasst sie knapp zusammen: «Alles hier wird langsam von grün zu grau.»

Seit Jahren wächst die Bevölkerung beträchtlich. Viele neue Unternehmen siedeln sich im nördlichen Teil des Kantons Luzern an. Das Zentrum von Sursee wird fleissig «urbanisiert». zentral+ ging deshalb der Frage nach, was Sursee so attraktiv macht.

«Sursee soll neben der Stadt Luzern als das regionale Zentrum des Kantons funktionieren», sagt Godi Marbach, Gemeindeammann von Sursee. Das ländliche Städtchen will ein Magnet sein, ein Anziehungspunkt in einer schweizweit «zunehmenden Konkurrenz unter den Regionen». Offenbar wirkt dieses Magnet.

Enormes Bevölkerungswachstum

Das Bevölkerungswachstum in der Region Sursee-Mittelland war in den letzten Jahren enorm. Die 17 Gemeinden (siehe Box), die heute zusammen rund 60’000 Einwohner zählen, sind «pro Jahr um 800 bis 1’100 Menschen gewachsen», sagt Beat Lichtsteiner, Geschäftsführer der Entwicklungsorganisation Region Sursee-Mittelland (RET). Zudem sei die Geburtenrate im Vergleich zu anderen Regionen sehr ausgeprägt.

Trotz reger Bautätigkeit erzeuge dieses Wachstum Druck auf den Wohn- und Siedlungsraum. Das Angebot an Wohnungen im Raum Sursee ist permanent knapp. In der Gemeinde Oberkirch gab es zum Beispiel gemäss den letzten statistischen Erhebungen praktisch gar keine Wohnung mehr zu mieten (Leerwohnungsbestand bei 0.1 Prozent). «Die Nachfrage ist noch immer sehr hoch», sagt entsprechend Gemeindeammann Godi Marbach.

Eine hohe Nachfrage, die wiederum die Preise in die Höhe treibt. Das mittlere Mietpreisniveau war laut dem Luzerner Statistikportal Lustat in der Region Sursee/Sempach bereits 2010 überdurchschnittlich. Eine 4-Zimmer-Wohnung kostete 1’400 Franken pro Monat. Im Vergleich dazu lagen die Netto-Monatsmieten für den gesamten Kanton Luzern in diesem Zeitraum bei 1’330 Franken. Laut einer Studie der Credit Suisse werden in den nächsten Jahren die Schwerpunkte der Bautätigkeit in der Region Sursee/Seetal in den oberen Extremwerten liegen.

Vom Mengen- zum Qualitätswachstum

Was aber macht Sursee so attraktiv? «Entscheidende Weichen wurden bereits anfangs der Achtzigerjahre gestellt», sagt Beat Lichtsteiner vom RET. Der wichtigste Treiber sei die zunehmende Wirtschaftskraft der Region. Diese ziehe viele Arbeitskräfte an.

Vor ziemlich genau dreissig Jahren habe man mittels Verkehrsausbau vor allem auf «Mengenwachstum» gesetzt. Der Autobahnanschluss in Sursee wurde gebaut, eine Umfahrungsstrasse folgte. Der Fahrplan der SBB wurde laufend verbessert. Letztmals haben markante Fahrplan-Verbesserungen im 2006 stattgefunden.

Die Wirkung dieser Massnahmen würden bis heute anhalten. «Betrachtet man alles in einem Zeithorizont einer Generation, sind die Effekte deutlich», sagt Beat Lichtsteiner. Die Wirtschaftsregion Sursee-Mittelland habe im Laufe der Zeit ein paar grosse, aber auch viele kleine und mittlere Unternehmen aus Dienstleistung, Handel und Gewerbe angezogen.

Und der Gemeindeammann Godi Marbach sagt: «Die guten Verkehrsanbindungen für den Raum Sursee sind ein wichtiges Kriterium für die Standortwahl von Unternehmen.» Heute habe zum Beispiel das Zentrum, die Stadt Sursee, «deutlich mehr Arbeitsplätze als Einwohner.» Auf etwas mehr als 9’000 Einwohner kämen 13’000 Stellen.

Die beruflichen Segmente reichen von Handwerk, über Industrie bis zu Technologie. «Bei der Firmenstruktur beobachten wir generell einen Wechsel hin zu qualitativem Wachstum», sagt Lichtsteiner. Das bedeutet, dass das Wachstum weniger flächenintensiv sei als früher, als die Industrie noch viel Platz beanspruchte. Es kämen jetzt Firmen mit hoher Wertschöpfung, zum Beispiel aus Branchen wie Forschung und IT.

Zweitgrösster Gewerbeverein des Kantons

Eine bedeutende Vertreterin der IT-Branche ist die Firma Bison, die zur Fenaco-Gruppe gehört. Der Hauptsitz in Sursee wurde kürzlich ausgebaut und ein markanter 5-stöckiger Neubau Anfang 2013 realisiert. Unter der Dachmarke Bison sind rund 600 Mitarbeitende beschäftigt und die Gruppe erzielt einen Umsatz von 100 Millionen Franken.

Warum hat sich das Unternehmen entschieden, in Sursee auszubauen? «Sursee bietet eine fortschrittliche Infrastruktur, ist verkehrstechnisch gut gelegen und verfügt über attraktive Bahnverbindungen», sagt Lavinia Bara, Sprecherin von Bison. Die Gegend sei zudem eine schöne Wohnregion, «welche Mitarbeitenden und ihren Familien viel bietet».

Weitere grosse Firmennamen in der Region Sursee sind neben der Fenaco-Gruppe (mit Bison, Ramseier, Landi, Agrola, u.a) zum Beispiel Elektrolux oder die Hostettler Group (Handel und Vertrieb von Zweirad-Ausrüstung und Technik). Ferner ist der Verein Gewerbe Region Sursee mit 300 Mitgliedern der zweitgrösste Gewerbeverein im Kanton Luzern.

«Attraktiver Lebensraum»

Auch mit ein Grund, weshalb viele Personen in Sursee und Umgebung wohnen wollen, sei die «Lagegunst bezüglich Umwelt und Natur», sagt Lichtsteiner vom RET. «Die Hügellandschaft bietet einen attraktiven Lebensraum». Ein Mix aus Wäldern, Hügeln, Seen und Feldern.

Dazu komme ein vielfältiges Freizeit- und Vereinsangebot. «Allein im Zentrum gibt es über 50 aktive Vereine», sagt Godi Marbach. Und auch «das Stadtbild gehe in Richtung urban.» In der mittelalterlichen Stadt wird laufend städtebaulich verdichtet.

Somit steht die Region Sursee aber auch vor grossen raumplanerischen Herausforderungen. Die Verantwortlichen sprechen in der Regionsentwicklung von zwei Extremen. Beide seien nicht (mehr) erstrebenswert. Einerseits eine «Laissez-faire-Politik» und andererseits eine stärkere Konzentration in Zentrum auf «Sursee-City».

Eine Laissez-Faire-Politik würde die schon heute sichtbare Zersiedelung weiter vorantreiben. Eine Belastung der Verkehrswege und eine Überbauung der natürlichen Landschaft wären die Folgen. Die stärkere Konzentration auf «Sursee-City», also eine städtebauliche innere Verdichtung, sei laut Lichtsteiner aus heutiger Sicht «aus politischen wie auch aus rechtlichen Gründen» nicht mehr aktuell.

Die Schwierigkeiten des Regionalen Entwicklungsträgers (RET) lägen darin, mit einer gezielten Strategie die Entwicklung aller Teilaspekte (nicht nur der Wirtschaft) zu bevorzugen. «Wir müssen die natürlichen Ressourcen schonen und mit dem Wachstum nicht andere Raumpotenziale schwächen», sagt Lichtsteiner. Sursee hat dementsprechend begonnen, die unterschiedlichen Raumplanungskonzepte der Gemeinden miteinander zu verknüpfen.

Verkehrsprobleme und Zersiedelung

«In Zukunft werde in der Region Sursee-Mittelland die künftige Verortung von Wirtschafts- und Siedlungswachstum, Verkehrsstrukturen und Naturräumen ein wichtiges und sehr zentrales Thema», so Lichtsteiner.

Mit Verkehrsproblemen hat die Region bereits jetzt zu kämpfen. Immer mehr Menschen leben in den umliegenenden Gemeinden. Stau in den Strassen rund um das Zentrum gehört inzwischen zum Alltag.

Vor zwei Wochen nahmen gegen 100 Personen an einem Podium zum Thema «Verkehr in und um Sursee – alles verkehrt!?» teil. Mit dabei waren neben den Raumplanungsverantwortlichen auch Regierungspräsident und Bauvorsteher Robert Küng und der Surseer Stadtpräsident Beat Leu.

Zwar wies Küng auf funktionierende Verkehrssysteme hin, sowohl beim öffentlichen Verkehr als auch beim motorisierten Individualverkehr. Doch nicht alle Podiumsteilnehmer teilten seine Meinung. Der Ausbau des Chotten-Kreisels, der Neubau des Münsterkreisels oder die Nordumfahrung der Stadt Sursee waren Thema.

Am Ende blieb aber die Erkenntnis, dass gute Lösungen oft nicht nur schwierig zu realisieren sind, sondern auch Zeit und Geld brauchen. «Mit den Entwicklungsstrategien und gezielten Einzonungen soll nun verhindert werden, dass die Zersiedelung in Sursee weiter voran schreitet», sagt Lichtsteiner. 

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon