Fischerei in der Stadt Luzern

Sturm auf Seebecken, Reuss und «Göttersee»

90 Saisonpatente vergibt der Quartierverein Maihof für den Rotsee. Dani (vorne) und Bruno zählen zu den Privilegierten. (Bild: mag)

Fischen ist hip und trendy. Die Stadtluzerner Gewässer werden von Bankern, Köchen und Lehrern auf der Jagd nach Karpfen, Forellen und Hechten regelrecht belagert. Ob es nur ein Trend in der jungen Stadtbevölkerung ist, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Timeout, Auszeit, Abstand nehmen. Dani und Bruno haben sich auf einem einfach zugänglichen Platz am Südufer des Rotsees ausgebreitet. Beide fischen hier seit etlichen Jahren, bei Bruno sind es bereits über 25. Unzählige Fische haben in dieser Zeit bereits an ihren Angelruten gezappelt. Als «Göttersee» wird der Rotsee aber nicht dank seiner paradiesischen Fischbestände bezeichnet. Die Ruderer lieben ihn, weil der See am nördlichen Luzerner Stadtrand in Form und Lage auf ihren Sport zugeschnitten ist.

Hechte, Egli und verschiedene Karpfenarten wie Rotaugen oder Schleien angeln sich Fischer im Rotsee. Dank der vielen Laichmöglichkeiten vermehren sich die mit Schuppen bedeckten Tiere seit der Renaturierung der Ufer selbständig. Seine idyllische Lage und die Nähe zum Stadtzentrum machen den Rotsee zum Fischerparadies. «Ein schöner Ausgleich», meint Bruno, entspannt auf dem Absatz einer Steintreppe sitzend. Den See hat er stets im Blickfeld.

Hip und trendy

Fischen als aktive Möglichkeit der Erholung, das hat besonders die junge Stadtbevölkerung für sich entdeckt. Fischen ist hip und trendy, gilt als «total angesagt». Besonders Enthusiastische sind bereits am frühen Morgen vor der Arbeit oder über Mittag rund um die Gewässer in der Stadt unterwegs. Auch vom Wetter lassen sie sich nicht beeindrucken. Schliesslich gibt es regenfeste Kleider. Und mit einer Zigarre unter dem Blätterdach eines Baumes direkt am Ufer lässt sich das unsägliche Nass gut ertragen.

Alleine steht ein Fischer dabei selten. Fischen verbindet. Zeit für ausgedehnte Gespräche gibt es genügend. Oder warum nicht gleich noch ein Picknick anhängen? Es ist also kein Wunder, dass sich die Fischer an den verschiedenen Gewässern in der Stadt kennen. Es ist ein kleiner Schwarm, der jedoch immer grösser wird.

«Vor 20 Jahren angelten hier alte Männer. Die Fischerei wurde belächelt.»

Hugo Burkard, Rotseewärter

Den Boom registrieren auch die erfahrenen Fischer. Vom Bankdirektor zum Studenten, vom 16- bis zum 83-Jährigen. Der Rotsee zieht ganz unterschiedliche Menschen an. Die Frauen sind dabei deutlich in der Minderheit. Rotseewärter Hugo Burkard sagt: «Fischen ist im Moment ein Hype, keine Ahnung, warum. Vor 20 Jahren angelten hier alte Männer. Die Fischerei wurde belächelt.» Er meint das nicht abwertend. Es zeigt jedoch, wie sich der Ruf des Fischens allgemein verändert hat.

Wer schon jetzt am Rotsee fischen darf, ist privilegiert. 90 Saisonpatente gibt der Quartierverein Maihof aus. Und diese sind äusserst begehrt, denn 90 weitere Personen befinden sich derzeit auf der Warteliste. Ab dem 15. Juni können dann auch Tages- und Monatspatente bezogen werden. Die Einnahmen fliessen zurück in die Pflege des Rotsees.

«Die Fischerei in der ‹freien› Natur hat offenbar einen höheren Stellenwert in unserer hektischen Zeit erhalten.»

Armin Meyer, Korporationsschreiber

Vielmehr ein genereller Trend?

Ortswechsel. Für das Luzerner Seebecken und die Reuss werden die Patente von der Korporation der Stadt ausgegeben. Armin Meyer, Korporationsschreiber, berichtet von steigendem Interesse an Patenten für Fischenzen der Korporation. Dass es sich dabei in erster Linie um junge Städter handelt, kann er nicht bestätigen. Auch er stellt aber fest, dass die Sport- und Freizeitfischerei derzeit «angesagt» ist. Meyer fügt an: «Die Fischerei in der ‹freien› Natur hat offenbar einen höheren Stellenwert in unserer hektischen Zeit erhalten und wird von einer breiteren Gesellschaftsschicht geschätzt.»

Dabei gehe es längst nicht mehr nur um den Fischfang zum Essen, so Meyer weiter. Fischerinnen und Fischer interessierten sich vermehrt für die Gesamtheit des Lebensraums der Fische.

Dies trifft auch auf Liu zu. Die Kapuze tief im Gesicht hängend, steht er bereits eine Stunde auf der Seebrücke. Die Bahnhofsuhr zeigt sieben Uhr in der Früh. Zwei Rotaugen haben bereits angebissen. Brot dient ihm als Köder. Seit zwei Jahren fischt der Koch regelmässig einmal in der Woche an diesem Standort. Auch er geniesst die Ruhe und die frische Luft, bevor ihn der anschwellende Verkehrs- und Touristenstrom weg treibt.

Das ist auch der Grund, weshalb José unterhalb der Geissmattbrücke fischt. «Rund im die Jesuitenkirche hat es zu viele Touristen. Es ist dort nicht gemütlich, ich werde ständig gestört», erklärt er. Der Industriearbeiter hat es auf Forellen und Eschen abgesehen und verbindet das Fischen jeweils mit einem ausgedehnten Spaziergang.

Natur und Kameradschaft

Natur, die Freude am Wasser, Kameradschaft, der Ausgleich. Diese Reize bietet das Fischen Bruno, der nun seit gut drei Stunden am Rotsee die Angelrute ausgeworfen hat und an diesem trüben Samstag geduldig auf seinen ersten Fang wartet. Auch er versichert: «Der Fang ist nicht das primäre Ziel.» Dennoch erzählt sein Kollege Dani gleich anschliessend von seinem 117 Zentimeter langen Hecht, den er diesen Frühling an der Angel hatte. Die Hoffnung auf einen «Big-Fish» schwimmt halt immer mit, wie auch ein Blick in die Online-Medien verdeutlicht.

Verpönt ist es derweil unter Sportfischern, ihren Fang zu verkaufen. Dani mag besonders Filets oder Fisch-Knusperli. Bruno verschenkt auch mal einen.

Für Sportfischer reserviert

Die Gewässer in der Stadt Luzern sind primär für die Sport- und Freizeitfischerei reserviert. Auch für das freie Fischen gibt es Möglichkeiten. Diese sind jedoch stark eingeschränkt (zentral+ berichtete). Während im Rotsee keine Berufsfischerei zugelassen ist, hat in den Gewässern der Korporation ein einzelner Berufsfischer in einem beschränkten Gebiet die Erlaubnis, Hechte zu fangen. Die Einschränkungen betreffen auch die Luzerner Seebucht.

Berufsfischer fischten 2013 im gesamten Vierwaldstättersee 114 Tonnen Fische, primär Albeli und Felchen. Die Erträge der Sportfischer belaufen sich für dasselbe Jahr und ebenfalls für den gesamten See auf 5,6 Tonnen.

Auch der Megger Berufsfischer Nils Hofer hat den Fischerei-Boom übrigens registriert. Er sieht dies vor allem anhand steigender Nachfrage nach lokalem Fisch, zum Beispiel auf dem Luzerner Fischmarkt.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon