Wo's laut ist, will keiner wohnen

Strassenlärm zerstört den Wert von Luzerner Häusern – es geht um Millionen

Strassenlärm ist auch in der Stadt Luzern ein Dauerthema. (Bild: bic)

Der Strassenlärm kommt aufs Luzerner Politparkett. Gleich zwei Vorstösse zum Thema fordern Antworten vom Regierungsrat zur unbefriedigenden Lage bezüglich Lärmsanierungen. Derweil zeigt eine neue Hochrechnung, welcher wirtschaftliche Schaden Hausbesitzer durch übermässigen Strassenlärm entsteht.

Auf dem Papier ist Luzern in Sachen Strassenlärmsanierungen ein Vorzeige-Kanton. Dort glänzt man mit abgeschlossenen Projekten und kaum noch offenen Sanierungen. Auf dem Papier wohlgemerkt.

Die Realität ist eine andere. Das Gros dieser Lärmsanierungen ging nicht weiter als der Einbau von Schallschutzfenstern, was dem Strassenlärm freilich keinen Abbruch tut. Massnahmen an der Quelle des Lärms, also an der Strasse, werden seitens des Kantons nur selten vorgenommen. Mittels zweier Vorstösse fordert Kantonsrat András Özvegyi (GLP) jetzt Antworten von der Regierung zu dieser Praxis.

320 Millionen Franken «vernichtet»

Die bisherige Diskussion des Themas Lärmschutz drehte sich in erster Linie um die gesundheitlichen Auswirkungen auf die Anwohner. Özvegyi will das Thema nun von einem anderen Gesichtspunkt aus beleuchten: «Der Strassenlärm belastet nicht nur die Gesundheit der betroffenen Anwohner massiv, sondern auch den Wert der Immobilien», schreibt er in seiner Anfrage.

Konkret geht er davon aus, dass der Lärm auf Luzerner Strassen Immobilienvermögen von fast 320 Millionen Franken vernichtet. Der Grund: Liegenschaften an lärmbelasteten Strassen erzielen tiefere Verkaufs- und Mietpreise.

Wertverlust pro Dezibel

Özvegyi stützt sich auf eine Hochrechnung der Luzerner Sektion des Verkehrsclubs Schweiz (VCS). Diese basiert auf einer Studie der Zürcher Kantonalbank. Übersteigen Verkehrsgeräusche einen Grenzwert von 40 Dezibel (nachts) und 50 Dezibel (tagsüber), geht das ans Portemonnaie. Gemäss der Studie verliert eine Immobilie für jeden Dezibel, der darüber liegt, 0,19 Prozent an Wert.

Der VCS überträgt dies nun auf die rund 7'700 Gebäude, die, gemäss der Dienststelle Umwelt und Energie, mit Strassenlärm über diesem Grenzwert belastet sind. So kommt man auf einen Wertverlust von total rund 320 Millionen Franken. «Effektiv dürfte es noch viel mehr sein, hat der VCS den Ertragswert der Immobilien doch sehr konservativ hochgerechnet», heisst es in einer Mitteilung des Verkehrsclubs. Wie genau der VCS dies berechnet hat, kannst du hier nachlesen.

«Aufgrund der ungünstigen Perspektiven scheuen sich die Eigentümer an diesen Standorten, weiteres Geld zu investieren.»

Dominik Hertach, Geschäftsführer des VCS Luzern

Dieser Wertverlust treibe eine Abwärtsspirale an: «Aufgrund der ungünstigen Perspektiven scheuen sich die Eigentümer an diesen Standorten, weiteres Geld zu investieren», sagt Dominik Hertach, Geschäftsführer des VCS Luzern. «Bei Neubauten müssen Investoren an Strassenlärm-belasteten Standorten Mehrkosten tragen, ohne für sich und die Mieter einen Mehrwert zu erhalten.»

Hertach spricht damit die Tatsache an, dass das Bauen an lärmbelasteten Strassen nur unter Auflagen möglich ist. Diese beziehen sich auf die Isolierung der Gebäude oder die Ausrichtung von Fenstern, Zimmern und der Wohnungsgrundrisse als Ganzes.

Was tut der Kanton heute?

Vor diesem Hintergrund will Özvegyi Antworten von der Luzerner Regierung haben. Etwa dazu, ob solche finanziellen Aspekte bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung von Lärmschutzmassnahmen an der Quelle bisher in die Beurteilung einbezogen wurden.

In diesem Zusammenhang greift Özvegyi das Thema «Tempo 30 auf Kantonsstrassen» auf: «Wurde der volkswirtschaftliche Nutzen von Tempo 30 auf lärmbelasteten Strassen im Kanton Luzern je evaluiert?», fragt er. Und falls nicht: «Ist der Regierungsrat bereit, diese Berechnungen in Auftrag zu geben?» Weiter will der Kantonsrat wissen, was der Regierungsrat heute unternimmt, um die finanziellen Belastungen der Hauseigentümer durch zu hohe Lärmbelastungen zu verringern.

Angesichts der Tatsache, dass gemäss den Zahlen des Kantons nach wie vor rund 69’000 Personen an Kantonsstrassen mit Strassenlärm über dem Immissionsgrenzwert belastet sind, sind Özvegyis Fragen eher rhetorischer Natur.

Regierung soll Diskrepanz erklären

In diesem Zusammenhang reicht Özvegyi einen weiteren Vorstoss ein. Die Regierung wird darin aufgefordert zu erklären, wie sie die Lärmsanierungen als praktisch abgeschlossen betrachten kann, wenn dermassen viele Luzernerinnen überhöhten Lärmbelastungen ausgesetzt sind. Weiter soll die Regierung erklären, weshalb «für den Lärmschutz seit Jahren praktisch keine Mittel» mehr budgetiert werden.

Die Legitimität der sogenannten «Papiersanierungen» wird derzeit vor Bundesgericht hinterfragt (zentralplus berichtete). In der Stadt Luzern gab das Thema zuletzt in Zusammenhang mit der notwendigen Erneuerung der Baselstrasse zu reden.

Die viel befahrene Strasse ist ein Musterbeispiel für die Wirkungslosigkeit der bisherigen Sanierungspraxis. So sind dort rund 900 Personen Lärmbelastungen über dem Alarmwert ausgesetzt – notabene nach einer 1,8 Millionen-teuren «Sanierung», bei der ebenfalls lediglich Schallschutzfenster eingebaut wurden (zentralplus berichtete).

Neue Generation von Belägen

In der Baselstrasse geht es um eine mögliche Temporeduktion und den Einsatz von lärmarmen Strassenbelägen. In seinem Vorstoss nimmt Özvegyi letzteren Aspekt auf und fragt: «Während andere Kantone seit Jahren für den Lärmschutz auf die neuste Generation von Lärmschutz-Strassenbelägen zurückgreifen, welche den Strassenlärm nachweislich und massiv senken, hat der Kanton Luzern noch keinen einzigen Meter eines solchen Belags verbaut. Warum nicht?»

Lärmarme Beläge stehen auch im Zentrum eines weiteren Vorstosses im Kantonsrat. Korintha Bärtsch (Grüne) fordert die Regierung mittels Postulat auf, drei Kantonsstrassen zu definieren, auf denen die Wirkung von lärmarmen Belagen getestet werden könnte (zentralplus berichtete).

Die Stellungnahmen und Antworten auf die Vorstösse stehen noch aus.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Toni Meier
    Toni Meier, 17.12.2020, 21:36 Uhr

    War nicht letztmals ein Artikel in zetralplus in dem tiefere Mieten gefordert wurden?

    Alles kann man nicht haben, denn:

    Wohne auf dem Land > keine funktionierende ÖV > du musst ein Auto haben > keine Parkplätze in der Stadt. = Ruhigere Lage, keine Lärmsanierung nötg aber Fasnacht auch ohne Corona eher undenkbar.

    Wohne in der Stadt > funktionierende ÖV > du kannst kein Auto haben = Etwas lauter, vor allem an der Fasnacht (sicher nächstes Jahr wieder)

    Zudem ist niemand gezwungen an der Baselstrasse zu wohnen.

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  • Profilfoto von Rentner
    Rentner, 17.12.2020, 12:53 Uhr

    ja Toll und da wo ich Wohne da könnte die Bahn zwischen Central und Bahnhof Gersarg machen und die Strasse die Könnte ab Central unten durch bis vor Sprengi und in Littau ja da könnte man und der Pilatusplatz ja man könnte viles

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