Verbaler Eklat vor dem Luzerner Kantonsgericht

Straftäter tobt: «So was von rassistisch, dieses Rechtssystem!»

Auf diesem Stuhl sass der Mann den Richtern am Kantonsgericht gegenüber. Respekt flöste ihm das offenbar nicht ein. (Bild: zvg)

Ein Ehepaar hat in Luzern und Cham drei brutale Raubüberfälle begangen. Das Kantonsgericht verurteilt die beiden jetzt zu mehrjährigen Freiheitsstrafen. Als der Richter das Urteil verkündete, wurde der Beschuldigte unverschämt. Um ein Haar wäre er des Saales verwiesen worden.

Der Mann hat ein Händchen für dramatische Auftritte. Während des Strafvollzugs brannte er sich mit einer heissen Büroklammer den Namen der Staatsanwältin in den Unterarm. Jetzt hat er ein neues Feindbild: Die Richter des Kantonsgerichts, die an diesem Montag das Urteil gegen ihn eröffneten.

Ein Blick zurück: Innerhalb von eineinhalb Jahren beging das Paar aus Deutschland drei Raubüberfälle in den Kantonen Luzern und Zug.

Unter dem Vorwand, eine Wohnung besichtigen zu wollen, hatten sie sich im Januar 2014 bei einer älteren Frau Zutritt verschafft. Sie fesselten die Dame mit Kabelbindern und knebelten sie mit Klebeband. Aus dem Tresor entwendeten sie 70'000 Franken.

14 Monate später kontaktierten sie ein Ehepaar aus Cham, angeblich um Aktien zu kaufen. Bei der vermeintlichen Übergabe knebelten sie die beiden, schlugen und bedrohten sie. Die Beute belief sich auf 40'000 Franken.

Zum dritten Überfall kam es in einem Luzerner Goldschmiedeatelier. Dort bedrohten sie die Inhaberin und ihren Partner mit einer Schreckschusspistole und erbeuteten über 500'000 Franken.

Im Juli 2015 wurden sie erwischt. Seither sind beide in Haft.

«Sadistisches Vergnügen» ist nicht erwiesen

Die Staatsanwaltschaft hatte für den Mann eine Freiheitsstrafe von 18 Jahren gefordert, die Frau sollte für 15 Jahre hinter Gitter. Das Kantonsgericht hat die Strafe nun auf 11 Jahre und drei Monate beziehungsweise 8 Jahre reduziert. Das Strafmass liegt damit leicht unter dem, was die Vorinstanz für angemessen hielt.

Das Kantonsgericht ist zwar ebenfalls der Meinung, dass die beiden die vorgeworfenen Taten begingen. Sie bedrohten wehrlose Menschen mit dem Tod und schlugen sie teilweise. Dass sie dabei mit «sadistischem Vergnügen» vorgingen, wie es die Staatsanwaltschaft behauptet hatte, sei aber nicht bewiesen.

Eine besondere Gefährlichkeit des Vorgehens bejaht das Gericht nur in einem und nicht in allen drei Fällen. Und zwar, weil die Opfer in Luzern jeweils so gefesselt wurden, dass sie sich selber befreien konnten.

Verbale Entgleisung trotz Strafreduktion

Obwohl der Mann insgesamt sieben Jahre weniger Freiheitsstrafe bekommt als beantragt, ist er mit dem Urteil des Kantonsgerichts alles andere als zufrieden. Besonders ärgert ihn, dass er während des Vollzugs eine Therapie machen soll.

Immer wieder fiel er dem Richter während der Urteilsverkündung ins Wort. «Sie sagen, ich sei gefährlich, aber ein psychiatrisches Gutachten bekomme ich nicht, weil es Geld kostet!», rief er aus.

Die Zwischenrufe gingen so weit, dass der vorstehende Richter drohte, den Mann aus dem Saal verweisen zu lassen. Und obwohl er mehrfach ermahnt wurde, konnte er nicht ruhig bleiben. Als der Richter die Urteilseröffnung schloss, setzte er zu einer letzten Tirade an.

Der Weiterzug ist angekündigt

«Wie lange geht es, bis ich Berufung machen kann?», wollte er wissen. Bei der letzten Instanz habe es ein Jahr gedauert, bis es zur zweiten Verhandlung gekommen sei. «Sie sind doch echt nicht normal», warf er dem Richter an den Kopf. Er habe freiwillig eine Therapie gemacht und nun «drücke man ihm» eine Massnahme rein.

«Wo bin ich hier nur gelandet? So was von rassistisch, dieses Rechtssystem! Ich habe gedacht, in Deutschland sei es schlimm.» Der türkischstämmige Mann kündigte an, seinen Fall ans Bundesgericht weiterzuziehen. In Luzern bekomme man keine Gerechtigkeit. Der Ausruf endete mit: «Noch bin ich nicht gefährlich. Aber Sie machen mich zum Psychopathen!»

An der Verhandlung hatten auch zwei Polizisten teilgenommen, die für Sicherheit sorgten und hätten eingreifen können, wenn der Beschuldigte tätlich geworden wäre. Sie brachten den Mann im Anschluss zurück ins Regionalgefängnis Thun. Seit gut vier Jahren ist er im vorzeitigen Strafvollzug. Ein Drittel seiner Strafe hat er also bereits verbüsst.

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