Wie Luzern und Zug damit umgehen

Städte auf Label-Jagd: Was bringen die Auszeichnungen?

Kinder- und altersfreundlich will die Stadt Luzern sein – und sich das offiziell bescheinigen lassen. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Ob Grünstadt, Energiestadt oder kinderfreundliche Gemeinde: Immer mehr Gemeinden schmücken sich mit Labels. Dabei geht es nicht um Marketing-Gags, betont die Stadt Zug. Trotz den Kosten für die Auszeichnungen sieht auch Luzern die Sache positiv.

Wäre die Stadt Luzern eine Banane, sie hätte viele Aufkleber.

Sie heissen nicht Chiquita, WWF oder Max Havelaar. Sondern Grünstadt, Energiestadt oder – kein Witz – vorbildliche Stadt Gerätebenzin.

Labels für die öffentliche Hand erleben seit einigen Jahren einen Aufschwung. Sie zeichnen besondere Eigenschaften oder Schwerpunkte eines Ortes aus. Das erfolgreichste Beispiel ist vermutlich «Energiestadt»: 447 Gemeinden im ganzen Land schmücken sich bereits mit dieser Auszeichnung. Im Kanton Luzern zählt mit 35 Gemeinden fast jede zweite dazu, im Kanton Zug sogar acht von elf Gemeinden.

Aushängeschilder und Verbundenheit

Auch die Stadt Luzern nennt sich seit 20 Jahren Energiestadt, seit zehn Jahren hat sie mit dem Gold-Standard sogar die höchste Auszeichnung. Als eine der ersten Gemeinden des Landes hat Luzern zudem kürzlich das Grünstadt-Label erhalten (zentralplus berichtete). Und weitere sollen folgen: Bereits 2020 rechnet die Stadt damit, als kinderfreundliche Gemeinde ausgezeichnet zu werden. Auch dem Netzwerk altersfreundliche Gemeinden will sie beitreten. Und die Grüne Fraktion im Stadtparlament hat bereits einen Vorstoss eingereicht, in dem sie das Grünstadt-Gold-Label verlangt.

Zertifizierungswahn oder sinnvolle Anstrengungen? Bringen die Labels in erster Linie ein besseres Image oder auch einen konkreten Nutzen?

«Unsere Auszeichnungen sind keine Marketing-Gags, sondern eine externe Bestätigung unserer Arbeit.»

Dieter Müller, Kommunikationsbeauftragter Stadt Zug

Die Labels selber versprechen den Gemeinden mehr Lebensqualität, eine attraktivere Gemeinde oder mehr Steuereinnahmen – und damit klar mehr als nur Prestige.

Das betonen auch die Gemeinden selbst. «Unsere Auszeichnungen sind keine Marketing-Gags, sondern eine externe Bestätigung unserer Arbeit», sagt Dieter Müller, Kommunikationsbeauftragter der Stadt Zug. Die Stadt Luzern nennt eine Reihe von Beispielen, an denen sich der konkrete Nutzen von Labels aufzeigen lasse. So erhalten Hauseigentümer dank dem Energiestadt-Label Geld, wenn sie ihre alte Heizung zum Beispiel durch eine Wärmepumpe ersetzen. Fussballer kicken dank der Grünstadt-Auszeichnung in der Stadt Luzern übrigens auf biologisch mit Kompost gedüngtem Rasen.

Kinderfreundlich = nicht selbstverständlich

Doch ketzerisch gefragt: Wäre eine Stadt ohne Label etwa weniger kinder- und altersfreundlich?

«Selbstverständlich ist die Stadt Luzern kinderfreundlich und altersfreundlich», beschwichtigt Simon Rimle, Kommunikationsbeauftragter der Stadt Luzern. Aber mit einem Label könne öffentlich dargelegt werden, dass ein Thema eine wichtige Rolle in der städtischen Politik einnimmt. «Durch ein Label bekennt sich ein Gemeinwesen zur betreffenden Bevölkerungsgruppe und lässt diese partizipieren. Das Label schafft Verbindlichkeit und führt zu einer Sensibilisierung aller Einwohnerinnen und Einwohner.» 

Noch deutlichere Worte wählt Dieter Müller von der Stadt Zug, die kürzlich erneut die Bestätigung als kinderfreundliche Gemeinde erhalten hat: «Eine kinderfreundliche Stadt ist nicht selbstverständlich, Politik und Verwaltung müssen sich aktiv dafür engagieren. Die Bezeichnung ‹kinderfreundliche Stadt› fällt einem nicht so einfach in den Schoss.»

In die Planung des Spielplatzes am Luzerner Reusszopf flossen Ideen von Jugendlichen und Kindern ein.

Um das zu unterstreichen, verweist er auf die Befragung mit 556 Kindern und Jugendlichen, die Anfang 2019 erstmals durchgeführt wurde. 4- bis 17-Jährige bewerteten die Stadt Zug (die meisten positiv, mehr als 200 gaben sogar die Höchstnote). Dabei kamen auch Verbesserungsvorschläge auf den Tisch. Oberschufenschüler wünschen sich zum Beispiel bessere Freizeitangebote und Einkaufsmöglichkeiten, eine Aufwertung des Schulhauses Loreto oder eine Optimierung des öffentlichen Verkehrs.

«Dank einem Label werden alle Beteiligten für das Thema sensibilisiert, auch jene, die im Alltag weniger damit zu tun haben.»

Simon Rimle, Stadt Luzern

«Kinder und Jugendliche können sich im demokratischen Prozess noch immer nicht äussern», sagt Dieter Müller. Die Ergebnisse der Befragung zeigen, wo die Stadt ansetzen müsse. Im Vordergrund stehen laut Müller also nicht die Labels, sondern die Erkenntnisse, wo sich die Stadt verbessern kann und welches Potenzial besteht. Dank dem Label würden die Ziele zudem politisch verankert, denn gerade im Parlament fehle teilweise das Verständnis für die Notwendigkeit dafür.

Auch die Stadt Luzern würdigt die Bedeutung von Arbeiten im Zusammenhang mit den Labels. Dadurch würden neue Ideen entwickelt und zugleich Lücken aufgedeckt. «Gleichzeitig werden alle Beteiligten für das Thema sensibilisiert, auch jene, die im Alltag weniger damit zu tun haben», so Rimle. Wie in Zug wurden in Luzern die Wünsche von Betroffenen – Jugendlichen sowie älteren Menschen – mit Befragungen direkt abgeholt.

Kosten im fünfstelligen Bereich

Einen Nutzen sieht die Stadt Luzern auch in der regelmässigen Kontrolle von aussen. Denn bei vielen Auszeichnungen erfolgt nach einigen Jahren eine Überprüfung. Das Label Energiestadt zum Beispiel garantiere die kontinuierliche Umsetzung energie- und klimapolitischer Massnahmen – über Legislaturperioden und Personalwechsel hinaus, sagt Simon Rimle. «Es ermöglicht, Bilanz zu ziehen und dient als Controlling-Instrument, das die Resultate des energiepolitischen Engagements sichtbar und über die Jahre vergleichbar macht.»

Allerdings: Genau wie die Bio-Banane teurer ist, kosten auch Labels die Gemeinden Geld. Nicht nur bei der ersten Verleihung, sondern bei jeder Rezertifizierung. In anderen Kantonen haben zuletzt einzelne Gemeinden aufgrund der hohen Kosten auf das Energiestadt-Label verzichtet.

Denn diese belaufen sich schnell auf mehrere tausend Franken. Die Stadt Luzern zahlt zum Beispiel für das Label «kinderfreundliche Gemeinde» 22'000 Franken.

Simon Rimle relativiert jedoch: Den Löwenanteil von 19'000 Franken übernimmt der Kanton Luzern, der Gemeinden bei der Umsetzung des kantonalen Kinder- und Jugendleitbildes unterstützt. Zudem gibt es weniger teure Labels: Der Beitritt ins Netzwerk «Age-friendly Cities» ist etwa gratis. Kosten tut lediglich die repräsentative Umfrage bei der älteren Bevölkerung: Die 35'000 Franken werden indes durch ein Legat finanziert.

Viele Massnahmen im Zusammenhang mit Labels sind laut Rimle nicht zwingend mit zusätzlichen Kosten verbunden. Und: Die Labels kosten nicht nur, sie öffnen teilweise auch die Türe zu Geldtöpfen. Energiestädte zum Beispiel können von Förderprogrammen und Projektmitteln von Energieschweiz profitieren.

Nicht jedem Label nachrennen

Insgesamt fällt die Bilanz in Zug und Luzern also positiv aus. Das heisst aber nicht, dass die beiden Städte allen möglichen Auszeichnungen nachjagen. Dass sie nicht wahllos Auszeichnungen sammelt, bewies die Stadt Luzern vor drei Jahren: Ein Vorstoss verlangte, dass sich die Stadt um das Label Fair Trade Town bemüht. Der Stadtrat teilte zwar das Anliegen für Produkte aus fairem Handel – bezeichnete das Label aber nicht als zielführend.

Auch im Nachbarkanton hält man fest: «Die Stadt Zug strebt nicht per se bestimmte Labels an», so Dieter Müller. Man wolle eine dienstleistungsorientierte und effiziente Stadtverwaltung, die sich an den Bedürfnissen aller Einwohner orientiere. «Wenn uns dazu ein Label hilft, bestimmte Angebote und Abläufe zu optimieren, werden wir es nutzen.»

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