Politik diskutiert über zweiten Anlauf

Stadttunnel Zug: Warum es diesmal klappen könnte – oder auch nicht

Von den Toten auferstanden: Die Idee eines Zuger Stadttunnels lebt neu auf. (Bild: zvg)

Die Idee eines Stadttunnels für Zug ist vor sechs Jahren jäh an der Urne begraben worden. Nun soll die Kernidee eines Zentrumstunnels exhumiert werden. Kann das gut gehen? zentralplus hat Gründe ausgemacht, die dafür und dagegen sprechen.

Verkatert. Mit Blick auf die Zuger Innenstadt könnten die letzten sechs Jahre der Zuger Verkehrspolitik so zusammengefasst werden. Seit der Abstimmung 2015, bei der die Idee eines Stadttunnels mit über 60 Prozent Nein-Stimmen versenkt wurde, versucht sich die Stadt verkehrspolitisch davon zu erholen.

Die Befürworter des Tunnelprojekts sahen darin die einzig echte Möglichkeit, die Innenstadt vom Verkehr zu entlasten. Gegner sahen das Scheitern als einzig echte Möglichkeit, um den Weg für nachhaltigere Lösungsansätze freizumachen. Der Tunnel ist nicht gekommen – die bahnbrechenden Alternativen in der Folge aber auch nicht.

Und nun, sechs Jahre später, stellt sich der Zuger Stadtrat hinter eine Motion der SVP, die einen zweiten Anlauf für einen Stadttunnel vorsieht. Der Stadtrat spricht sich dabei für einen «Stadttunnel light» aus (zentralplus berichtete).

Diesen Dienstag soll die Motion im Grossen Gemeinderat beraten werden. Damit kehrt der Stadttunnel definitiv wieder auf die politische Bühne zurück. zentralplus hat vorab fünf Argumente ausgemacht, die für einen zweiten Anlauf sprechen – und fünf, die einen Übungsabbruch nahelegen.

Pro: Heute hat Zug das nötige Geld

Der wohl grösste Stolperstein des ursprünglichen Stadttunnelprojekts war das Preisschild: 890 Millionen Franken. Selbst für das autovernarrte Zug schienen sich Kosten und Nutzen bei dieser Summe nicht die Waage zu halten. Insbesondere in einer Zeit, in der der Kanton Zug erstmals laut über Sparpakete nachdachte. Zur Erinnerung: Die Zuger Staatsrechnung schloss 2014 mit einem Defizit von 139 Millionen Franken ab.

Wenn es «nur» ums Geld geht, müsste man heute eigentlich nicht mehr diskutieren. Im Gegensatz zu damals ist Zug heute so reich wie noch nie. Die Corona-Pandemie konnte dem Wirtschaftsmotor des Kantons bisher nicht anhaben und auch die Zukunft sieht rosig aus: Zwischen 2022 und 2025 rechnet der Kanton mit einem Plus von rund 900 Millionen Franken (zentralplus berichtete). Mit einem solch dickem Portemonnaie läge heute weit mehr drin als ein einfacher «Budget-Tunnel».

Contra: Günstige Tunnels gibt es nicht

Die zentrale Frage nach den Kosten bleibt auch bei einem allfälligen zweiten Anlauf. Was kostet ein «einfacher Zentrumstunnel»? Tunnel bauen ist per se keine günstige Angelegenheit. Ein günstiger Stadttunnel dürfte also ein nicht zu erfüllender Wunschtraum bleiben.

Egal, wie voll die Kassen des Kantons momentan sind: Wenn der Bevölkerung letztlich ein ähnlich hoher Preis für den Tunnel vorgelegt wird wie beim letzten Mal, dürfte die Enttäuschung darüber das schnelle Ende des Vorhabens bedeuten.

Pro: Die Tangente ist eine Realität

Diesen Sommer wurde das grösste Zuger Strassenbauprojekt der jüngeren Vergangenheit feierlich eingeweiht: die Tangente Zug/Baar (zentralplus berichtete). 30 Jahre Planung und 201 Millionen Franken waren für die Realisation der grossen Umfahrungsstrasse notwendig.

Was bei der Eröffnung der Tangente keine Erwähnung mehr fand, ist ihr Zusammenhang mit dem gescheiterten Stadttunnel. In den Abstimmungsunterlagen zur Tangente von 2009 wird deren Bedeutung für den Bau eines Stadttunnels explizit ausgeführt. Die Tangente «schafft die Voraussetzung, dass der Zuger Stadttunnel dereinst funktioniert», heisst es darin. Als Basis für die Wirksamkeit des Stadttunnels wird die Tangente gepriesen. Zusammen mit dem künftigen Stadttunnel Zug werde zudem ein «Beschleunigungssystem für den öffentlichen Verkehr im Raum Baar–Zug» gebildet.

Die Tangente ist 2021 eine Realität. Die wichtigste Voraussetzung für den Stadttunnel somit geschaffen und damit der vielleicht gewichtigste Grund, der für einen zweiten Anlauf beim Stadttunnel spricht.

Contra: Form des Tunnels bleibt unklar

Der Stadttunnel 2.0 soll ein «einfacher Zentrumstunnel» werden. Was genau heisst dass? Die SVP, welche die Idee aufs politische Parkett brachte, attestiert dem «alten» Stadttunnel, technisch ausgereift gewesen zu sein. Was genau der Luxus am damaligen Tunnel war, der nun wegfallen könnte, bleibt vorerst unklar.

Die Idee eines Stadttunnels bleibt vorerst theoretisch und wenig greifbar. Was könnte anders gemacht werden, ohne an baulicher Qualität zu schrauben? Eine andere Linienführung? Eine andere Bauart? Wenn nicht bald erste Antworten darauf vorliegen, dürfte die Skepsis gegenüber einem Tunnelprojekt schnell wieder anwachsen.

Pro: Die Bevölkerung ist offen für die Tunnelidee

Die Zuger Innenstadt selbst ist vielleicht das beste Argument, um den Stadttunnel nochmals zu prüfen. Der Status quo mag niemanden wirklich glücklich zu stimmen. Der Verkehrsdruck zu Stosszeiten ist massiv und die verstopfte Hauptachse Bahnhofstrasse-Neugasse-Kolinplatz-Grabenstrasse ist alles andere als eine Augenweide.

In den Jahren seit der Abstimmung ist das Bewusstsein für das Potenzial solcher urbanen Räume nochmals deutlich angestiegen. Stadtzentren sollen nicht mehr nur einfach zu erreichen sein, sondern auch zum Verweilen einladen. «Lebendiges Zentrum» lautet der Slogan in diesem Zusammenhang.

Wenn ein Stadttunnel tatsächlich zur Entlastung des Zentrums vom Autoverkehr beitragen kann, wäre das Potenzial für eine Aufwertung des historischen Stadtkerns der Kolinstadt – etwa durch echte Flaniermeilen, Velowege, Pop-up-Parks und mehr – riesig. Dies scheint auch eine Mehrheit der Stadtbevölkerung so zu sehen: Sie kann sich genau aus diesen Gründen einen «Stadttunnel light» vorstellen (zentralplus berichtete).

Contra: Ohne flankierende Massnahmen wirkungslos

Die Kosten sind das eine, die Wirkung ist das andere. Einer der Kritikpunkte des alten Projekts lautete, dass die Innenstadt dadurch nicht wirklich autofrei geworden wäre. Die Parkplätze im Zentrum wären bestehen geblieben. Was sollte eine «Budgetvariante» des Stadttunnels daran ändern?

Der Tunnel bleibt auch an eine Grundsatzfrage geknüpft: Kann Mehrverkehr mit neuen Strassen begegnet werden? In den Zentren lautete die Antwort bisher immer Nein. Stattdessen sollen alternative Verkehrsmittel und der ÖV gefördert werden. Der Zuger Stadtrat aber «setzt auf die Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmenden», wie er in jüngerer Vergangenheit wiederholt betont hat. Der Stadttunnel passt da – zumindest in der Theorie – gut ins Bild. Die Befürchtung, dass ein neuer Strassentunnel ohne drastische flankierende Massnahmen letztlich nur mehr Verkehr in die Stadt bringt, dürfte kaum zu entschärfen sein.

Pro: Keine andere Idee hat sich durchgesetzt

Tatsache ist, dass es keinen Plan B gab. Befürworterinen des Projekts sahen im Tunnel die Lösung praktisch aller Verkehrsprobleme der Innenstadt. Nahezu alle Gedankenspiele, die eine Aufwertung der Innenstadt vorsahen, waren mit dem Bau des Stadttunnels verknüpft.

Skeptiker stellten dies Wirkung auf den Verkehr in der Innenstadt zwar von Beginn weg infrage. Echte Alternativen wurden damals aber nicht präsentiert. In den Jahren seit der Abstimmung kam eigentlich nur eine ernsthafte Idee aufs Parkett: die Vision «Promenade Zug» des VCS. Im Kern sieht diese mittels Verkehrsumleitungen die Möglichkeit einer autofreien Vorstadt vor (zentralplus berichtete). Ob diese Vision politische Mehrheiten generieren kann, muss momentan stark angezweifelt werden.

Wenn also auch sechs Jahre später keine neuen Lösungsansätze im Raum stehen, lohnt sich der zweite Blick auf ein weit fortgeschrittenes Projekt durchaus. Das mag man Zug als Armutszeugnis auslegen, für falsche Eitelkeiten ist es in dieser Causa aber eh zu spät.

Contra: Der Schatten des Scheiterns ist zu gross

Dass die Idee eines Stadttunnels wieder aufs Parkett kommt, erstaunt vor allem auch deshalb, weil er so spektakulär scheiterte. Rund 63 Prozent der Stimmberechtigten schickten den 890-Millionen-Kredit 2015 bachab. Bei dieser Ausgangslage muss, zumindest politisch, von einem roten Tuch gesprochen werden.

Eine abgespeckte Version des Stadttunnels wird nicht einfach so aus dem langen Schatten des gescheiterten Megaprojekts treten können. Die Vergleiche und Assoziationen werden von Tunnelgegnerinnen gnadenlos ausgeschlachtet werden. Ob der politische «Schnauf» reicht, um dagegen anzukämpfen und für das Projekt zu werben, darf zumindest in Frage gestellt werden.

Pro: Die Fehler der Vergangenheit können vermieden werden

Manchmal muss etwas Gras über die Sache wachsen, um sie nüchtern analysieren zu können. Sechs Jahre könnten genug sein. Damals gingen die Wogen sehr hoch. Die Kosten konnten von der Bevölkerung nie wirklich nachvollzogen, die Wirkung konnte nicht anschaulich genug aufgezeigt werden und die verschiedenen politischen Player und Verbände konnten nicht genügend ins Boot geholt werden.

Genau aus diesen Fehlern kann man für den zweiten Anlauf lernen. Mitwirkungsverfahren kennen gerade die Stadtzuger derzeit bestens – in Zusammenhang mit der Ortsplanungsrevision können sie zu verschiedensten Themen ihr Feedback geben. Solche Instrumente und eine saubere und umfangreiche Kommunikation könnten bei einem allfälligen zweiten Anlauf den entscheidenden Unterschied machen.

Contra: Zug ist verkehrspolitisch zu gespalten

Eine verkehrspolitisches Merkmal von Zug ist die extreme Gespaltenheit. Velofahrer und Autofahrerinnen sind beispielsweise noch weiter voneinander entfernt, als vielerorts sonst schon (zentralplus berichtete).

Isolierte Interessenhaltungen trugen massgeblich zum Scheitern des Stadttunnels bei. Und sie dürften dies auch beim zweiten Anlauf tun. In den sechs Jahren seit der entscheidenden Abstimmung hat sich das Bild nicht merklich verändert. Bei verkehrspolitischen Themen in Zug Konsenslösungen zu finden ist eine Herkulesaufgabe. Eine, an welcher der Stadttunnel auch ein zweites Mal zerbrechen könnte.

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