Auswirkung der Corona-Krise

Weniger Futter am Schwanenplatz: Stadttauben zieht’s vermehrt in die Agglo

Zwei Tauben streiten sich am Bahnhofplatz in Luzern um ein Stück Brot – die Nahrungssuche hat sich durch die Corona-Krise erschwert. (Bild: ber)

Im Luzerner Stadtzentrum hat es weniger Tauben, weil das Futterangebot wegen den ausbleibenden Touristen und Futtergebern knapper wird. Für die Nahrungssuche müssen sie weitere Wege gehen. Das hat auch Auswirkungen auf ihre Fortpflanzung. Eine Spurensuche.

Im Taubenschlag der Stadt Luzern im Rathaus ist es ruhiger als auch schon. Nur wenige Tiere brüten gerade ihre Eier aus. «In der Regel legen die Tauben im Schlag zu dieser Jahreszeit etwa zehn Eier pro Woche», führt Monika Keller, Leiterin des Projekts Stadttauben der Stadt Luzern, aus.

Doch seit einigen Wochen stellt sie fest, dass eher zwei bis drei Eier pro Woche gelegt werden. «Am Tag halten sich weniger Tiere als üblich im Schlag auf», beobachtet sie.

Die Ursache für die geringere Brutaktivität und längeren Abwesenheiten vermutet Keller in den Auswirkungen der Corona-Krise. Es ist augenfällig, dass es wegen den Ausgangsbeschränkungen weniger Menschen und deshalb weniger Futter an den bekannten Hotspots wie dem Schwanenplatz oder am Quai gibt. In der Folge bleiben die grossen Ansammlungen der Vögel aus.

Doch: Wo sind sie eigentlich hin, die Tauben?

Auf den Feldern gibt es noch keine Taubenplage

Zunächst: Als standorttreue Tiere ziehen sie nicht einfach aus ihrem Schlag. Sie sind schlicht länger draussen. «Ich gehe davon aus, dass die Tauben nun weitere Wege fliegen müssen, um Futter zu finden», sagt Keller. Man sehe sie durchaus noch in kleineren Gruppen in der Stadt, wie sie etwa in Mauerritzen oder Gärten nach Nahrung suchen.

Ein selten werdender Fund: Eine Taube hat am Bahnhofplatz in Luzern ein Stück Brot entdeckt. (Bild: ber)

Keller sind zudem Sichtungen an Orten bekannt, wo zuvor kaum Tauben gesehen wurden, zum Beispiel in der Luzerner Agglomeration in Ruopigen bei Littau oder Emmen. «Zwar werden Tauben immer wieder an neuen Orten gesichtet, aber es ist schon auffällig, dass es gerade jetzt vermehrt solche Meldungen gibt.»

Dass die Tauben vermehrt auch auf den Feldern ausserhalb der Stadt Luzern nach Futter suchen, ist laut Christian Hüsler, Fachbearbeiter Jagd und Wildhüter bei der kantonalen Dienststelle Landwirtschaft und Wald, nicht bestätigt. Er fügt aber an: «Dies soll aber nicht heissen, dass eine solche Verhaltensanpassung nicht passiert oder noch kommen könnte. Nur haben wir bisher keine entsprechenden Meldungen oder Hinweise erhalten.»

Schneller zum Kampagnenziel dank Corona?

Sorgen machen sich Keller und Hüsler um die Tiere kaum. «Die Tauben sind enorm anpassungsfähig und haben jahrhundertelang ohne menschliches Zutun in unseren Städten überlebt», sagt Keller. Die Ausgangsbeschränkungen spielen nun sogar den Empfehlungen des Taubenprojekts der Stadt Luzern, «Tauben nicht zu füttern», in die Hand. Das Kampagnenziel einer kleineren, gesunden Taubenpopulation könnte dank Corona schneller Realität werden.

Christian Hüsler verweist hier auch auf eine Studie, die zeigt, dass Futterengpässe wie zu Corona-Zeiten für Stadttauben wohl mehr Vor- als Nachteile haben. «Da weniger, dafür aber natürliches und gesünderes Futter zur Verfügung steht, wird die Fortpflanzung der Tauben gehemmt. Weniger Jungtiere bedeutet mehr Ressourcen für die vorhandenen Tiere.» Durch die kleinere Dichte an Tauben sowie deren bessere Gesundheit hätten es aber auch Krankheiten und Parasiten viel schwieriger, sich zu verbreiten.

Dass die geringere Brutaktivität zwangsläufig zu einem geringeren Taubenbestand führt, sieht Keller allerdings noch nicht als gegeben an.  «Wenn es derzeit weniger Jungtiere gibt, sinkt gleichzeitig auch der Konkurrenzdruck zwischen den Tieren. Wird es im Sommer wieder die übliche Menge Futter in der Stadt geben, ist deshalb gut möglich, dass mehr junge Tiere als sonst überleben.»

Wie genau sich die Corona-Massnahmen auf den Taubenbestand der Zukunft auswirken, wird sich deshalb erst in einigen Monaten zeigen.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Hans Lutsch
    Hans Lutsch, 25.06.2020, 04:02 Uhr

    Genauer betrachtet!

    Dass Stadttauben das «Feldern» nicht erlernt haben, weiß jedes Kind, dass sie deshalb auch gezwungen sind, ihr kärgliches Nahrungsangebot in den Städten mühsam und unter unnatürlichen Herausforderungen zusammen zu klauben, ist die logische Folgerung daraus. Den Stadttauben eine biologische Fähigkeit anzudichten, sie würden weite Strecken bewältigen, um an ihr Futter zu kommen, ist ein Wunschdenken mancher Menschen, die Stadttauben kaum in ihren Lebenszusammenhängen genauer betrachten. Stadttauben sind die Nachkommen von Zuchtformen aus betreuten Taubenschlägen und deshalb sind sie einerseits anpassungsfähig an schwierige Gegebenheiten um zu Überleben, aber dieser Anpassungsdruck schadet nachweislich ihrer tierartgerechten Vitalität und setzt sie, auch tiermedizinisch bereits nachgewiesen, chronisch geschwächt dem schnellen Tod aus! Deshalb sind die Lebenserwartungen von Stadttauben, ebenfalls wissenschaftlich schon ergründet, nur gering. Im Vergleich dazu bei guter Haltung, von der man hier in unseren Städten aber nicht sprechen kann, könnten Stadttauben bis zu 15 Jahre alt werden. Das ist aber für einige Menschen, die genau hier von einem gesunden Taubenschwarm in unseren Städten schwärmen, andererseits genau diesen Tauben dafür die Nahrungsgrundlagen verweigern möchten, ein nicht gewolltes Ziel. Sie möchten den Taubenbestand schnellst möglich reduzieren, und dass geht nicht ohne Tierleid. Nahrung ist ein wesentlicher Bestandteil einer gesunden Lebenserwartung, auch bei den Stadttauben! Diesen Bestandteil dem bedürftigen Organismus zu entziehen, bedeutet ihn hochgradig einer Lebensgefahr auszusetzen.

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  • Profilfoto von Hans Hafen
    Hans Hafen, 17.04.2020, 13:29 Uhr

    Jetzt müssen vorallem auch die unbelehrbaren Fütter-Grosis zurückhaltend agieren!

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