Gastroexperten zu den Abgängen

Stadtluzerner Spitzenköche schmeissen den Bettel hin

Ist die «Pinzettenküche» noch zeitgemäss? (Symbolbild: Adobe Stock)

Jüngst verabschiedeten sich gleich drei Gault-Millau-Köche von der Stadtluzerner Gastronomie. Was bedeuten die Abgänge für Luzern? Laut einem Experten müsste der Begriff «Fine Dining» neu interpretiert werden.

Es brodelt in der Stadtluzerner Gastroszene. Der 15-Punkte-Koch vom «La Perla», Philipp Tresch, verabschiedet sich nach zehn Jahren vom italienischen Restaurant (zentralplus berichtete).

Im April 2020 kehrt auch 16-Punkte-Koch Raphael Tuor vom «Reussbad» der Stadt den Rücken. Tuor zieht es aufs Land. Künftig wird er in der «Krone» in Blatten bei Malters den Kochlöffel schwingen (zentralplus berichtete).

Und auch Giorgio Montella hängt nach 27 Jahren im Restaurant «Padrino» im Hotel National seine Kochschürze an den Nagel (zentralplus berichtete).

Sind die Bedingungen in der Stadt etwa schlechter geworden? Wie sich zeigt, sind die Gründe sehr unterschiedlich. Im «Padrino» wurde der auslaufende Vertrag nicht mehr verlängert. Tuor will sich aufs Kochen konzentrieren und sich nicht zusätzlich als Unternehmer mit Papierkram belasten. Und Tresch möchte auf die Walz gehen, sich in Beirut, Zypern und Sizilien neu inspirieren lassen.

«Keine hochdosierte Spitzengastronomie»

Gastroexperte Herbert Huber spricht von einem «echten Verlust für die Stadt Luzern»: «Montella hat im Padrino über Jahre hinweg eine Bombenleistung erbracht.»

Georg Twerenbold sagt hingegen, dass die Stadtluzerner Gastroszene durch die Abgänge nicht an Attraktivität verliere. Twerenbold ist gelernter Koch und Unternehmer, schweizweit organisiert er sogenannte Genusstouren. «Die Bilderbuch- und Touristenstadt Luzern kann für Spitzenköche durchaus interessant sein», ist er überzeugt.

Patrick Grinschgl, Präsident von Gastro Region Luzern, knüpft an: «In der Stadt Luzern haben wir keine wahnsinnig hochdosierte Spitzengastronomie.» Huber und Twerenbold sprechen erst dann von Spitzengastronomie, wenn sich das Restaurant mindestens 18 Gault-Millau-Punkte erkocht hat.

«Fine Dining Vol. 2»

Auch wenn es im «La Perla» und im «Reussbad» zu einem Wechsel kommen wird, stellt sich Twerenbold ganz grundsätzliche Fragen. «Es ist schwierig, zu beantworten, ob Luzern ‹Fine Dining› braucht oder nicht.» Und er ist überzeugt: «Aus dem Stadtbild wird die Spitzenküche nie verschwinden, aber sie wird nicht mehr denselben Stellenwert haben wie einst.»

Twerenbold fragt sich, ob «Sösseli» und «Pinzettenküche» noch zeitgemäss seien. «Menschen wollen heute nicht mehr vier, fünf Stunden an einem Tisch in einem Restaurant sitzen, während sie Gang für Gang serviert bekommen. Mit der Serviette auf dem Schoss und dem Gefühl, ja nicht lachen zu dürfen.»

Der Begriff «Fine Dining» müsse neu interpretiert werden, ist der Experte überzeugt. Der Inbegriff von «neuer, waghalsiger und urbaner Küche» sei für ihn Moritz Stiefel, der im «Hopfenkranz» gemeinsam mit einem Sous-Chef und einem Lehrling seine Gäste bekocht.

Kein Wunsch nach mehr Punkten

«Fine Dining» soll zwanglos sein, wie Twerenbold erklärt. Unverkrampft. So wird der Kellner eher in T-Shirt und Sneakers gekleidet sein, als in polierten Schuhen und Krawatte die Bestellung aufzunehmen. Damit wollen Gastronomen den Hungrigen die Angst vor dem Besuch im Gourmet-Restaurant nehmen.

«Im ‹Hopfenkranz› gibt's nicht diese schönen weissen Servietten und Tischtücher, die niemand zu bekleckern traut», sagt Twerenbold. Küche und Restaurant seien einfach eingerichtet. Und dies entspreche dem Zeitgeist. Auch Mario Waldispühl, der während Jahren die «Krone» in Blatten geprägt hat, möchte mit der Übernahme der Jazzkantine unkompliziert und einfach kochen. «Wir haben keine weissen Tischtücher, wir legen den Fokus auf das, was auf den Teller kommt», sagte er in einem früheren Bericht (zentralplus berichtete).

Huber glaubt, dass «Fine Dining» auch in Zukunft gefragt ist: «Klar ist heute eine einfachere, unkomplizierte und auf die Region abgestimmte Küche angesagt. Aber das Gehobene und Edle wird auch in Zukunft seinen Platz haben.» Für Newcomer in der Spitzengastronomie sei es eher schwierig, genügend Gäste anzulocken.

Die bewährten Restaurants würden sich hingegen durchmausern können. «Eine Knacknuss ist es jedoch, eine entsprechende Nachfolge zu finden, die das Restaurant zeitgemäss weiterführen wird.» Denn Huber betont: Eine Spitzenküche zu bieten, sei eine gewaltige Herausforderung.

Abwandern aufs Land

In der Stadt Luzern hat neben dem Reussbad nur noch das Restaurant Olivo im Grand Casino 16 Punkte. Eine höhere Punktzahl im Bereich von 18, 19 Punkten brauche es nicht, sagt Twerenbold. So sei es nicht verwunderlich, dass es in der Stadt Luzern kein einziges Restaurant gibt, das einen Michelin-Stern hat. Nicht nur, weil das entsprechende Klientel fehle. «Die teilweise horrenden Mietpreise in der Stadt bringen Spitzenrestaurants dazu, aufs Land abzuwandern», so Twerenbold.

Das Kämpfen gegen das Vergessen

Auf dem Land werde den Besuchern ein anderes Erlebnis geboten. Wenn ein Gast die Wahl hat, werde er sich eher für ein Gourmet-Restaurant abseits des städtischen Treibens entscheiden, so Twerenbold.

Twerenbold und Grinschgl betonen, dass es in der Stadt Luzern nach wie vor nicht an guten Restaurants mangle. «Die klassische Spitzengastronomie hat sich in der Stadt seit Jahren etabliert», sagt Grinschgl.

Das Wirtshaus Galliker, das 2019 mit 13 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet wurde und das 15-Punkte-Restaurant Old Swiss House seien Klassiker, die nie sterben werden, ist Twerenbold überzeugt. Einfach sei es dennoch nicht. Denn während die Köpfe der 18-Punkte-Köche Gastromagazine zieren und jeder ihren Namen kenne, hätten es die Köche der traditionellen Küche oftmals schwerer, sich Gehör zu verschaffen. «Nicht in Vergessenheit zu geraten, ist schwieriger, als ein neues Restaurant zu eröffnen», sagt Twerenbold abschliessend.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Petra Suter
    Petra Suter, 13.08.2019, 18:59 Uhr

    Was ist denn Pinzettenküche ?……Hopfenkranz?

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  • Profilfoto von Heini Baumgartner
    Heini Baumgartner, 13.08.2019, 17:41 Uhr

    Das Restaurant Maihöfli an der Stadtgrenze zu Ebikon ist ein Geheimtipp; noch – schon bald nicht mehr.

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  • Profilfoto von Werner Meier
    Werner Meier, 13.08.2019, 13:45 Uhr

    Diese hochgespielte «Spitzen-Punkte-Kocherei » verliert immer mehr an Bedeutung. Wen interessiert es denn noch, ob ein Koch Heidi Klum verwöhnt hat….

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