Wie soll das Ortszentrum in Zukunft aussehen?

Stadtexperte versichert: «Baar hat ein Riesenpotenzial»

Der einzige Platz in Baar, der richtig funktioniert: der Bahnhofsplatz. Er soll künftig noch akzentuierter über eine parkähnliche Nutzung mit der Dorfstrasse verbunden werden.

(Bild: woz)

Welches Zentrum wünschen sich die Baarer? Eine Frage, die neuerdings vom Gemeinderat nach Jahren des Stillstands gepusht wird. Ein Thema, das aber bis jetzt nur wenige Baarer zu interessieren scheint. Zu einer Info-Veranstaltung kamen gerade mal rund 50 Neugierige.

Baar krankt. Es gilt hier zwar der tiefste Steuersatz der Schweiz, und gediegene Wohnviertel spriessen wie Pilze aus dem Boden. Aber das Zentrum, ja, das darbt seit Jahren vor sich hin. Und die Politik schaut zu.

Es gibt zu viele Autos, die tagtäglich durch die Dorfstrasse Stossstange an Stossstange schleichen. Die Ladenstruktur ist zu wenig attraktiv, damit sich ein florierendes Geschäftsleben entwickeln könnte. Baar ist in sich zersplittert in vier verschiedene Zentren, die miteinander nicht vernetzt sind. Und in der Stadtmitte gibt es zu unterm Strich zu wenig Grünraum und Begegnungsflächen, wo sich die Baarer gerne tummeln würden.

2017 hat das Netzwerk-Altstadt die Stadtanalyse erarbeitet

Diese und viele weitere ernüchternden Ergebnisse hat das Netzwerk Altstadt bekanntlich in seiner «Stadtanalyse» 2017 erarbeitet und vor einigen Wochen veröffentlicht (zentralplus berichtete). Das Netzwerk Altstadt hat in Form von drei Experten schon rund 40 andere Schweizer Städte auf ähnliche Weise unter die Lupe genommen.

Am Dienstagabend wurden diese Ergebnisse nochmals in komprimierter Form von den Autoren der Analyse, Daniel Bauer und Heini Forrer, im Baarer Gemeindesaal präsentiert.

«Wir leben in Baar im Paradies.»

Paul Langenegger, Bauchef

Mit beschwörenden Worten und visionärem Pathos versuchten Bauchef Paul Langenegger und die beiden Netzwerk-Analysten dabei, den Funken für eine neue Zukunft des Baarer Zentrums zu zünden.

Lebendige Fragen- und Diskussionrunde

Während sich die Kernaussage der beiden Netzwerk-Analysten auf ein motivierendes «Baar hat ein Riesenpotenzial» fokussierte, betonte der CVP-Politiker zunächst mehrmals im Brustton der Überzeugung: «Wir leben in Baar im Paradies.» Doch selbst bei Langenegger scheinen inzwischen die tristen Ergebnisse der Netzwerk-Analyse angekommen zu sein.

Doch wie soll überhaupt ein neues Zentrum in Baar entstehen? 

«Auch könnte man mehr Cafés einrichten – dort treffen sich Mütter mit Kindern sehr gerne.»

Mutter mit Baby

In einer Fragen- und Diskussionsrunde kamen sehr schnell interessante Vorschläge auf den Tisch. Eine junge Mutter etwa, die während der Infoveranstaltung ihr Baby auf dem Arm trug, fragte, warum man denn nicht mehr für Familien mache und mehr Spielplätze installiere. «Auch könnte man mehr Cafés einrichten – dort treffen sich Mütter mit Kindern sehr gerne.»

Zwischen Bahnhof und Migros: Der Platz in Baar, der nicht funktioniert. Höchstens ein paar verliebte Jugendliche, die sich zum heimlichen Knutschen treffen, oder ein paar Mütter zum Eisessen, verirren sich hierher.

Zwischen Bahnhof und Migros: Der Platz in Baar, der nicht funktioniert. Höchstens ein paar verliebte Jugendliche, die sich zum heimlichen Knutschen treffen, oder ein paar Mütter zum Eisessen, verirren sich hierher.

(Bild: woz)

Restriktive Bauordnung

Ein Baarer bemerkte, dass die Gemeinde mit ihrer Bauordnung bis jetzt eine vitalere Entwicklung der Dorfstrasse verhindere. Offenbar schreibt die Bauordnung nämlich vor, dass im Erdgeschoss und im ersten Stock nur Läden in den Liegenschaften einquartiert werden dürfen. «Wir werden das anschauen», versprach Langenegger.

Wie die beiden Netzwerk-Analysten nämlich anregen, könne man viel mehr Leben in der Dorfstrasse generieren, wenn man mehr Wohnungen in die einzelnen Häuser im Zentrum unterbringe. «Das erzeugt heutzutage mehr Wertschöpfung als Läden.» Dies gelte nicht zuletzt für Seniorenwohnungen.

«Dorfplatz» vor dem historischen Rathaus?

Die Stadtanalysten regen übrigens auch die Idee eines Begegnungsorts in der Dorfstrasse in Form eines «Dorfplatzes» an – und zwar an der Kreuzung vor dem historischen Rathaus. Genau dort, wo an der Fasnacht immer der Räbechüng verbrannt wird. Auch der Kirchplatz eigne sich, um zu einem Ortsportal umgestaltet zu werden. Zwischen diesen beiden Polen könne dann die «Dorfstrasse wieder zum Identifikationsort» heranwachsen.

Nicht zuletzt sei es wichtig, die Dorfstrasse dann mit dem Bahnhofsplatz durch eine durchgehende Grünzone zu vernetzen. Die Voraussetzungen dafür seien schon mit einigen Teilgrünflächen geschaffen. Allerdings ohne Idenditäten herzustellen: «Im jetzigen Zustand wirkt manches noch befremdend», so Bauer.

Ein anderer Baarer gab indes zu bedenken, dass man eben den Verkehr aus der Dorfstrasse ein Stück weit verbannen oder die Kreuzung durch Ankäufe von Liegenschaften durch die Gemeinde vergrössern müsse – sonst könnten solche Visionen ja nicht funktionieren. «Das Geld ist ja grundsätzlich da in der Gemeinde.»

Ein Platz in Baar, der ein bisschen funktioniert: Lauschige Idylle zwischen Bahnhof und Dorfstrasse. Ab und zu kicken hier ein paar Kinder, und einzelne Erwachsene lesen und rauchen hier.

Ein Platz in Baar, der ein bisschen funktioniert: Lauschige Idylle zwischen Bahnhof und Dorfstrasse. Ab und zu kicken hier ein paar Kinder, und einzelne Erwachsene lesen und rauchen hier.

(Bild: woz)

In Sachen Verkehr setzt die Gemeinde zum einen zunächst auf den Verkehrsentlastungseffekt durch die fertige Tangenten-Umfahrung ab 2021. Zum anderen will man keine reine Fussgängerzone rund um die Zuger Kantonalbank einrichten. Ob es dann halt eine Begegnungszone werde, hakte ein Besucher nach.

«Dazu wollen wir uns verkehrstechnisch noch nicht dazu äussern», so die Netzwerk-Analysten. Und, wie gesagt, handle es sich bei allen Ideen noch um Visionen – die zusammen mit der Baarer Bevölkerung entwickelt werden müssten.

«Der Verkehr ist sicher eine schwierige Geschichte in Baar.»

Daniel Bauer, Netzwerk-Analyst

Es sollte auf jedenfalls möglich so sein, dass sich die Baarer dort auf der Dorfstrasse begegnen könnten – etwa wie auf dem Bahnhofsplatz. «Der Verkehr ist sicher eine schwierige Geschichte in Baar, weil man nicht die totale Autoerreichbarkeit des Zentrums mit einem Begegnungsort verbinden kann», so Bauer.

«Klar ist, dass bei so einer Zentrumsgestaltung alle über ihren Schatten springen müssen», stellte ein weiterer Baarer fest. Wobei er damit indirekt auf das Problem der vielen Privateigentümer in Baar hinwies.

«Denn bei Privaten können wir nicht einschreiten», postulierte Langenegger. Nach der Veranstaltung beim anschliessenden Apéro liess er sogar anklingen, dass gemeinsame Massnahmen, den Strukturwandel in der Dorfstrasse mit mittlerweile leerstehenden Läden aufzuhalten, nicht zuletzt auch durch die Einzelinteressen der Privateigentümer blockiert worden seien.

Nach den Sommerferien: Weitere Umfragen plus Workshops

Die Netzwerk-Analysten wollen auf jeden Fall nach den Sommerferien mit Umfragen unter der Bevölkerung starten, um weitere Anregungen, Wünsche und Ideen zu ermitteln. Im November ist dann geplant, Workshops mit Hauseigentümern und Ladenbetreibern zu organisieren, um eine gemeinsame Linie auszuarbeiten.

«Denn wir müssen jetzt an einem Strick ziehen, sonst können wir in Sachen Zentrumsaufwertung gar nichts erreichen», versicherte Langenegger. Die Uhren zum Thema Ortsplanung stehen in Baar offensichtlich auf fünf vor zwölf.

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