Netto-Null-Ziel bis 2030 sei aber kaum umsetzbar

Stadt Luzern will Klimanotstand ausrufen

Der Regierungsrat Luzern möchte mehr Freiheiten bei Investitionen in die Gebäudesanierung und Umstellung auf erneuerbare Energien. (Bild: zvg)

Der Luzerner Stadtrat räumt dem Kampf gegen die Klimaerwärmung höchste Priorität ein. Er unterstützt die Forderung nach einem symbolischen Klimanotstand. In einem Bericht will er aufzeigen, wie der CO2-Ausstoss in den nächsten Jahren massiv gesenkt werden kann. Klar ist bereits heute: Das wird weder einfach noch gratis.

Die Stadt Luzern soll sich in die Reihe der Kantone und Städte einreihen, die den Klimanotstand bereits ausgerufen haben. Der Stadtrat unterstützt die Forderung von Aktivisten der Klimabewegung, die im April einen entsprechenden Bevölkerungsantrag eingereicht haben (zentralplus berichtete) und eine Petition der Jungen Grünen, die von über 1'000 Personen unterzeichnet wurde (zentralplus berichtete).

«Der Stadtrat anerkennt die Eindämmung der Klimaerwärmung und ihrer Folgen als eine dringende Aufgabe von global höchster Priorität», schreibt er in seiner Stellungnahme. Der Begriff «Notstand» versteht er allerdings wie in diesem Kontext üblich als symbolischen Akt und nicht als juristische Grundlage für die Ableitung von Notstandsmassnahmen.

Dennoch ist der Klimanotstand mehr als ein Statement auf dem Papier. Der Stadtrat verpflichte sich, zukünftig bei allen relevanten städtischen Geschäften die Klimawirkung grob zu quantifizieren und transparent zu kommunizieren.

Schafft die Stadt Netto-Null bis 2030?

Der Klimawandel sei Realität, stellt er unmissverständlich klar. «Auch in der Stadt Luzern sind die Folgen bereits spür- und messbar. Der Stadtrat ist sehr besorgt über diese Entwicklung.» Er teilt die Einschätzung der Wissenschaft, wonach die Zeit drängt.

Der Stadtrat wird seine bisherige Energie- und Klimapolitik überprüfen und möglicherweise verschärfen. Das Parlament hat im Juni eine Motion der GLP überwiesen, welche den CO2-Ausstoss bis 2030 auf netto null reduzieren will. Eine extreme Herausforderung, konstatierte der zuständige Stadtrat Adrian Borgula (Grüne) schon damals.

Als «praktisch unmöglich» bezeichnet dieses Ziel Gregor Schmid, Leiter Umweltschutz bei der Stadt Luzern. «Bereits heute verfolgt die Stadt eine ambitionierte Energie- und Klimapolitik», sagt er. Das aktuelle Ziel sei, den CO2-Ausstoss bis 2050 auf eine Tonne pro Person und Jahr zu senken. «Nur schon das zu erreichen ist eine grosse Aufgabe», sagt Schmid. Zum Vergleich: Derzeit betrage der Ausstoss rund 5,6 Tonnen.

«Das Netto-Null-Ziel bis 2030 ist möglich. Was es braucht, ist der politische Wille.» 

Jona Studhalter, Co-Präsident Junge Grüne Luzern

Um das Netto-Null-Ziel bereits bis 2030 zu erreichen, bräuchte es laut Stadtrat einschneidende Massnahmen. Oder anders gesagt: Es sei unter den heutigen Voraussetzungen realistischerweise kaum umsetzbar, schreibt er in seiner Stellungnahme zur Petition der Jungen Grünen.

Der Stadtrat wird nun in einem Bericht aufzeigen, welche konkreten Massnahmen er umsetzen will und was das Netto-Null-Ziel bis 2030 bedeuten würde. Ebenso wird er entscheiden, ob alle Geschäfte, welche den Klimawandel abschwächen, in Zukunft Priorität haben.

Aktivisten der Klimabewegung haben die Stadt im Frühling 2019 aufgefordert, den Klimanotstand auszurufen. (Bild: zvg)

Gregor Schmid weist aber auch daraufhin, dass die Stadt nur in Teilbereichen die Kompetenz hat, zu entscheiden. Der Stadtrat erwartet daher auch vom Kanton Luzern und vom Bund, dass sie konkrete Ziele festsetzen und Massnahmen umsetzen, um das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen. Der Kantonsrat hat bereits im Juni – gegen den Willen der Regierung – den Klimanotstand ausgerufen und den Netto-Null-CO2-Ausstoss bis 2050 beschlossen (zentralplus berichtete). In Bundesbern diskutiert der Ständerat diese Woche über das CO2-Gesetz. Zur Debatte stehen unter anderem eine Flugticket-Abgabe und eine Verteuerung von Benzin und Diesel.

Darüber hinaus steht die Stadt Luzern in Austausch mit anderen Städten. Erste Resultate dieser Zusammenarbeit werden diesen Herbst erwartet.

Zivilgesellschaft ins Boot holen

Die Haltung des Stadtrates kommt bei den Jungen Grünen Luzern gut an. «Damit kommt er unseren Forderungen nach. Wobei wir das natürlich erwartet haben, angesichts der Zusammensetzung des Stadtrates und dem Druck von der Strasse», sagt Co-Präsident Jona Studhalter unter anderem mit Verweis auf die Klimastreiks.

Er freut sich insbesondere, dass der Stadtrat ankündigt, gemeinsam mit der Bevölkerung Lösungen und konkrete Massnahmen zu suchen. Vertreter des Klimastreiks Zentralschweiz seien von der Stadt bereits zum Gespräch eingeladen worden. 

Nicht einverstanden ist Studhalter mit der Aussage, das Netto-Null-Ziel bis 2030 sei «kaum umsetzbar». Es stimme zwar, dass es dafür grosser Anstrengungen bedürfe. «Aber es ist möglich. Was es braucht, ist der politische Wille.» 

«Eine ambitioniertere Energie- und Klimapolitik wird nicht gratis zu haben sein.»

Gregor Schmid, Leiter Umweltschutz

Im Stadtparlament dürften die Forderungen der Klimabewegung gute Chancen haben, wie die Debatte im Juni zeigte. Damals sprachen sich Politiker von links bis rechts für ein stärkeres Engagement aus – es wurde aber auch deutlich: Geht es um die konkrete Umsetzung, scheiden sich die Geister. Während die Bürgerlichen den Weg über Klimazertifikate begrüssten, kritisierten die Linken dies als Ablasshandel und forderten «echte« Massnahmen.

Klimapolitik kostet

Welchen Weg der Stadtrat ins Auge fasst, wird sich also zeigen. Klar ist bereits jetzt, dass es letztlich auch eine finanzielle Frage sein dürfte. «Eine ambitioniertere Energie- und Klimapolitik wird nicht gratis zu haben sein», sagt Gregor Schmid, Leiter Umweltschutz. Einen möglichen Kostenrahmen könne er jetzt aber noch nicht beziffern.

Bereits heute hat die Stadt einen Energiefonds, mit dem Projekte zugunsten von Energie und Klima unterstützt werden. Dafür stehen jährlich 1,375 Millionen Franken zur Verfügung. «Es wird auch in Zukunft sicher nicht weniger sein», sagt Schmid. Er macht zugleich deutlich, dass ein ehrgeiziges Netto-Null-Ziel insbesondere auch Kosten bei Privatpersonen und Firmen zur Folge hat. Beispielsweise, wenn sie ihre Ölheizung oder ihr umweltbelastendes Motorfahrzeug durch eine klimafreundliche Alternative ersetzen müssen.

Auch Jona Studhalter, Co-Präsident der Jungen Grünen Luzern, ist sich bewusst, dass eine wirksame Klimapolitik Geld braucht. «Sie kostet aber sicher nicht mehr als der Klimawandel. Die Frage ist nur: Wer bezahlt dafür? Wir, die Verursacher oder diejenigen, die unter den Folgen leiden?»

Eine Frage, die mit Sicherheit in Zukunft noch zu reden geben wird. Das Stadtparlament diskutiert voraussichtlich am 24. Oktober über die Petition und den Bevölkerungsantrag. Angesichts der Mehrheiten dürfte es nur noch eine Formsache sein, dass die Stadt Luzern den Klimanotstand ausruft.

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