Brandbeschleuniger oder längst fällige Änderung?

Stadt Luzern ebnet Weg für längere Ladenöffnungszeiten

So wie auf dieser Visualisierung soll die zukünftige Flaniermeile am Grendel aussehen.

(Bild: zvg)

Geht es nach dem Stadtrat, dürfen nicht nur Touristenshops, sondern weitere Läden in der Luzerner Innenstadt länger offen haben. Darum wird nun ein Pilotversuch angestrebt. Entschieden ist zwar noch nichts, aber der Widerstand formiert sich bereits.

Die Ladenöffnungszeiten sind ein heisses Eisen. Touristenshops und das Bahnhofshopping profitieren in Luzern von Ausnahmen. Aber das Stimmvolk im Kanton Luzern hat sich mehrmals gegen eine generelle Liberalisierung der Öffnungszeiten ausgesprochen – zuletzt 2013.

Trotzdem will der Stadtrat jetzt den Läden in der Innenstadt längere Öffnungszeiten ermöglichen.

30 Prozent Anteil des Tourismus

Der Luzerner Stadtrat prüft einen Pilotversuch zur Verbesserung der Ladenöffnungszeiten, wie er in einer Mitteilung schreibt. Ein Rechtsgutachten von Professor Paul Richli von 2016 attestiert ihm die Möglichkeit, einen Bereich zu definieren, in dem Touristen «einen erheblichen Anteil am Umsatz der Verkaufsgeschäfte leisten». Von erheblich kann man sprechen, wenn Touristen mindestens einen Drittel des Gesamtumsatzes beisteuern.

«Die urbanen Bedürfnisse sprechen klar für eine Liberalisierung.»

Franziska Bitzi Staub, Stadträtin

Schon heute profitieren touristische Geschäfte von Ausnahmen und können unter der Woche bis 22.30 Uhr und sonntags bis 20 Uhr geöffnet haben. Bisher musste aber jedes Geschäft für sich nachweisen, dass es massgeblich vom Tourismus lebt.

In Zukunft soll nun jedes Geschäft innerhalb einer Tourismuszone von einer Liberalisierung profitieren können. Denn alle Geschäfte in der Innenstadt gelten «vermutungsweise als Tourismusgeschäfte im Sinne des kantonalen Ruhetags- und Ladenschlussgesetzes, auf welche die verlängerten Ladenöffnungszeiten Anwendung finden», so der Stadtrat.

Stadträtin und Finanzdirektorin Franziska Bitzi Staub sagt es so: «Weil die Innenstadt schon heute massgeblich vom Tourismus lebt, wollen wir hier eine Vereinfachung der Praxis.»

Auch die Neustadt soll profitieren

Wie gross eine solche Zone genau wäre, ist noch offen. Gesetzt sind Bereiche wie der Grendel, die Hertensteinstrasse oder die Kleinstadt/Pfistergasse. Aber Franziska Bitzi Staub sagt, dass man über die Altstadt hinaus denken werde: «Auch in Neustadtquartieren wie dem Hirschmattquartier hat der Tourismus einen massgeblichen Anteil», sagt sie. Also sollten auch Geschäfte dort die Möglichkeit haben, von gelockerten Öffnungszeiten zu profitieren. Wenn sie denn wollen, denn verpflichten werde man niemanden.

Die entsprechenden Verkaufsgeschäfte können sich auf die Liste der Verkaufsgeschäfte mit «touristischen Öffnungszeiten» setzen lassen.

Entschieden sei ohnehin noch nichts, betont Bitzi Staub, aber der Stadtrat zeigt erstmals ein mögliches Vorgehen auf hin zu einer Liberalisierung. Eine Arbeitsgruppe ist momentan dran, mit Betroffenen einen zeitlich befristeten Pilotversuch auszuarbeiten. Damit will der Stadtrat prüfen, ob eine solche städtische Lösung praktikabel ist und auch einem Bedürfnis entspricht.

An einem Workshop im November sollen offene Fragen etwa zu den Stadtbereichen oder die genauen Öffnungszeiten geklärt werden. Erst danach wird der Stadtrat über den Pilotversuch entscheiden. «Sollten die Gespräche keinen Bedarf ergeben, dann führen wir ihn nicht durch», sagt Franziska Bitzi.

Urbane Bedürfnisse

Doch wieso strebt die Stadt überhaupt eine Liberalisierung an, wenn das Stimmvolk mehrmals Nein gesagt hat? «Wir respektieren natürlich das kantonale Gesetz und die demokratischen Entscheide», sagt die Finanzdirektorin. Aber die Stadtbevölkerung sei offener gegenüber längeren Öffnungszeiten als der Restkanton. «Die urbanen Bedürfnisse sprechen klar für eine Liberalisierung.»

«Wir wehren uns nötigenfalls auch mit juristischen Mitteln.»

Luzerner Gewerkschaftsbund

Zudem habe die Stadt mit ihrer Zentrumsfunktion eine andere Ausgangslage. «Die Innenstadt steht in Konkurrenz zum Bahnhofshopping», sagt sie, da will der Stadtrat gleich lange Spiesse schaffen. Der Stadtrat nimmt mit dem Entscheid einen entsprechenden Vorstoss der Parteien FDP, GLP, CVP und SVP entgegen.

Juristischer «Schlungg»?

Die City-Vereinigung begrüsst das Vorgehen der Stadt: «Wir werden uns aktiv im geplanten partizipativen Prozess einbringen», heisst es. Angebot und Nachfrage würden mit dem heutigen Ruhetags- und Ladenschlussgesetz nicht mehr übereinstimmen.

Klar gegen die Liberalisierung ist die Luzerner SP, sie hat kein Verständnis für das Vorgehen des Stadtrates. «Diese Massnahme würde als Brandbeschleuniger für die heute vorliegenden Probleme wirken», teilt die Partei mit. Das Lädelisterben und die Verödung würden nach Meinung der Linken zunehmen, die Altstadt würde dem Tourismus geopfert. «Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden viele weitere geschätzte, altbekannte und traditionelle Luzerner Unternehmen die Türen schliessen müssen», so die SP. Profitieren würden die internationalen Ketten und Grossisten.

Die Partei spricht von einem «juristischen Schlungg», denn die Bevölkerung habe schon dreimal Nein gesagt zur Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten. Die SP fordert vom Stadtrat stattdessen, eine Altstadtpolitik im Sinne der Bevölkerung zu betreiben.

Auch der Luzerner Gewerkschaftsbund (LGB) befürchtet in einer Stellungnahme negative Konsequenzen für das Verkaufspersonal. Er kündigt an, sich gegen diese «Missachtung des Volkswillens» zu wehren, «nötigenfalls auch mit juristischen Mitteln». An die Adresse der «Liberalisierungsturbos» sagt LGB-Präsident Martin Wyss: «Auch der Stadtrat muss sich an geltende Gesetze halten.»

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