Repo vom Start der Tour de Suisse in Cham

Wie ein Hobby-Fahrer Cancellara überholte

Carlos Lima bei der Zieleinfahrt.

(Bild: rus)

Alle gegen Cancellara: Im Rahmen der Cornèrcard Cancellara Challenge strampeln Hobbyrennfahrer 6 Kilometer durch Cham. Mittendrin Fabian Cancellara selbst, der sich gegen die ambitionierten Hobbysportler besser warm anzieht.

Links und rechts flitzen sie vorbei, die Hobbyrennfahrer. Aufwärmen und Einfahren heisst die Devise – besonders dieses Jahr ist gute Vorbereitung wichtig. An der achten Ausgabe der Cornèrcard Cancellara Challenge, Teil der Tour de Suisse Challenge, treten die Radsportfanatiker nämlich gegen einen ganz speziellen Gast an: Fabian Cancellara selbst steigt aufs Rennrad und misst sich mit Halbprofis und Freizeitrennfahrern.

Tour de Suisse fürs Volk

Nach der Teamvorstellung gestern Abend treten die Radprofis am Samstag zur ersten Etappe an. 6 Kilometer misst die Strecke und wie auch beim deutlich längeren Abschnitt, der am Sonntag gefahren wird, sind die Start- und Zielgeraden in nächster Nähe. Zum dritten Mal in Folge ist das Startwochenende der grossen Radtour im Kanton Zug stationiert. Nach Rotkreuz und Baar lockt die achttägige Tour durch die Schweiz Rennsportbegeisterte nun nach Cham. Auf dem Festgelände beim Papieri-Areal tummeln sich das ganze Wochenende über Radsportfans, Rennfanatiker, Amateure und Hobbyvelofahrer. Sie essen Wurst, trinken Bier jubeln den Profis beim Vorbeiradeln zu.

Die Sieger in der Hauptkategorie der Männer.

Die Sieger in der Hauptkategorie der Männer.

(Bild: rus)

 

 

Oder aber sie steigen selbst auf den Drahtesel. An der Tour de Suisse Challenge darf nämlich jeder mitmachen. Bei der ersten Etappe dieser ganz eigenen Tour flitzten die Teilnehmer über ebenjene Strecke, die am Nachmittag von den Radprofis bestritten wurde.

 

Hobbysportler im Profifeeling

Wenn man sich zur Startrampe etwas oberhalb des Papieri-Areals begibt, fällt kein bisschen auf, dass an der Tour de Suisse Challenge bloss Amateure teilnehmen. In Rennmontur, mit Startnummer auf der Brust und fokussiertem Blick rast ein Fahrer nach dem Anderen vorbei, um noch die letzten Aufwärmrunden um das Areal zu drehen, bevor die Stoppuhr zu ticken beginnt. Auch oben beim Start angekommen, wird einem Laien eher das Gefühl von Professionalität statt Freizeitleidenschaft vermittelt.

«Es ist doch ein richtiges Rennen, da braucht’s schon Ehrgeiz.»
Hobbysportler

 

Kamerateams interviewen die wartenden Teilnehmer, ansonsten aber ist es eher ruhig. Die meisten Fahrer sind bereits konzentriert: «Es ist doch ein richtiges Rennen, da braucht’s schon Ehrgeiz», erklärt ein älterer Herr, auf dessen Nase ein Pflaster klebt. Das fördert die Atmung. «Grundsätzlich bin ich aber schon zum Spass hier. Ich nutze die Chance, auf einer abgesperrten Strecke fahren zu können.»

Die Siegerin in der Hauptkategorie der Frauen.

Die Siegerin in der Hauptkategorie der Frauen.

(Bild: rus)

Cancellara nur Nebensache

Ohne Verkehr über die Strassen radeln zu können, das ist für die meisten Fahrer hier Hauptgrund ihrer Teilnahme. Da wird die Anwesenheit Cancellaras schnell zur Nebensache. «Cool ist es schon, zu wissen, dass ich quasi gegen ihn antrete. Aber das ist nicht der Grund, weshalb ich mitfahre», meint eine Teilnehmerin. «Mit ihm messen kann ich mich sowieso nicht, Frauen haben in diesem Sport keinen Stich gegen die Männer.» Deshalb sei sie auch nicht nervös – bei ihrer Freundin sieht das etwas anders aus.

Die zwei Challenges im Überblick

Bei der Cornèrcard Cancellara Challenge treten seit 2010 Hobbyrennfahrer auf der Strecke der ersten Etappe der Tour de Suisse an. Es gewinnt der Fahrer und die Fahrerin, die mit ihren Rennzeiten jeweils am nächsten bei der von Cancellara liegen. Neben dieser Auszeichnung werden aber auch die Rennzeiten in Alterskategorien und Geschlecht gemessen und ausgezeichnet.

Die «Tour de Suisse Challenge»

Die Tour de Suisse-Challenge oder auch «Challenge für Jedermann» wird im Rahmen der Tour de Suisse durchgeführt und ermöglicht es Hobbyfahrern auf abgesperrten Strassen zu fahren. Dieses Jahr setzt sich die Challenge aus folgenden drei einzel-Etappen zusammen: 
1. Cornèrcard Cancellara Challenge, am Samstag 10.06.2017 über 6 Km in Cham
2. Morgarten Memorial, am Sonntag 11.06.2017 über 87 Km in Cham 
3. Cornèrcard City Challenge, am Sonntag, 18.06.2017 über 70-80 Km in Schaffhausen 
Die einzelnen Etappen werden jeweils separat bewertet, am Ende der drei Etappen werden dann die Gesamtgewinner gekürt. Die Teilnahme ist für alle offen. 

 

 Ooh, ich muss glaub los. Wünsch mir Glück, grrrr, ich hoffe, das geht gut.», ruft diese ihr hastig zu, umarmt sie kurz und begibt sich dann in die Warteschlange vor dem Start. Rund 550 Hobbyrennfahrer sprinten mit ihren Rädern die 6 Kilometer ab. Viele davon mit Zeitfahrrädern, aerodynamischen Helmen und eigenen Renntrikots. «Hobbysportler sind halt gepickt», schmunzelt einer dieser professionell ausgestatteten Radfanatiker.

Eine «affengeile» Strecke

 

Neun Minuten dauert die durchschnittliche Fahrzeit. Neun Minuten, die es in sich haben. «Auf dieser Strecke hat man keine Pause. Es sind 6 Kilometer, bei denen durchgehend volle Power gefordert ist», pustet ein etwas jüngerer Fahrer. Er hat das Ziel bereits erreicht. Na, zufrieden mit der Fahrt? «Naja, zu Beginn der Strecke hat es eine leichte Steigung, da darf man nicht zu viel Kraft verlieren, sonst kann man später nicht mehr beissen. Ich habe genau diesen Fehler gemacht.»

«Es ist einfach geil! So richtig Gas geben zu können und die Strasse für sich alleine zu haben. Affengeil ist das!»
Ein Zieleinfahrer mit Schweiss auf der Stirn

 

Dass die Teilnehmer ehrgeizig sind, macht sich bei der Zieleinfahrt noch stärker bemerkbar, als bereits bei der Startrampe. Mit gefletschten Zähnen treten sie mit aller Kraft noch einmal in die Pedalen, um noch etwas Zeit gut zu machen. Dennoch: Der Spass bleibt trotz aller Ambitionen im Vordergrund. «Es ist einfach geil! So richtig Gas geben zu können und die Strasse für sich alleine zu haben. Affengeil ist das!», strahlt ein weiterer Zieleinfahrer, während er sich noch den Schweiss von der Stirn wischt.

Fabian Cancellara überreicht David Heller das gelbe Trikot.

Fabian Cancellara überreicht David Heller das gelbe Trikot.

(Bild: rus)

 

Nach den Teilnehmern aus der Bevölkerung nehmen dann auch einige Prominente teil. Unter ihnen sind Ariella Käslin und der ehemalige Handballer Carlos Lima. Um 12:20 Uhr startet dann der letzte Fahrer, und der wohl am meisten erwartete: Fabian Cancellara. Nach seinem Rücktritt per Ende Saison 2016 nimmt der Olympiasieger von Rio nun zum ersten Mal selbst an der nach ihm benannten Rad-Challenge teil und spurtet durch Cham. Im Ziel wird er laut bejubelt und von tosendem Applaus erwartet. Nach 7 Minuten und 43 Sekunden.Verschwitzt und durchgekämpft wie alle anderen Fahrer.

Auf die Frage, ob er mit seiner erreichten Zeit zufrieden sei antwortet «Fäbu», wie der ehemalige Profisportler auch genannt wird: «Naja, also meine Beine tun weh. Das reicht mir eigentlich.» Er habe aber auch nicht das richtig gute Rennmaterial verwendet, sondern zum «normalen Velo» gegriffen. Ansonsten wäre er sicherlich um einiges schneller gewesen.

Ein übertroffener Profi-Radler, der Feierabend hat

 

Vielleicht wäre das schnellere Rad doch die bessere Wahl gewesen. Cancellaras Zeit wurde nämlich übertroffen. Und das um ganze 43 Sekunden. David Heller, heisst der Fahrer, welcher die schnellste Zeit des Tages erreicht hat und von Fabian das «Maillot Jaune», das Trikot des schnellsten Fahrers, überreicht bekommt. Heller wird auch an den beiden kommenden Etappen der «Tour de Suisse Challenge» mitfahren. Fabian Cancellara hat währenddessen Feierabend. «Die Profis dürfen jetzt noch ran», lächelt der Berner.

 

Dass er die Profikarriere beendet hat, ist für ihn die richtige Entscheidung geblieben. Vermissen tut er die Zeit als Spitzensportler dennoch. «Es ist ein neues Gefühl, nicht bei der eigentlichen Tour de Suisse mitzufahren, aber es ist auch schön, dass ich jetzt so nahe bei den Leuten sein kann.» Die Zeit für Fans scheint Fabian Cancellara tatsächlich zu geniessen. Nach der Siegerehrung, bei welcher er Küsschen und Umarmungen verteilt, und einigen Pressefotos, nimmt sich die Radlegende nämlich noch Zeit, um Autogramme zu verteilen und mit Gleichgesinnten über die Faszination Radsport zu sprechen. Eine Begeisterung, die wohl nicht zu nehmen ist.

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