FCL-Urgestein zukünftig in Grün-Weiss

«Wechsel zu St. Gallen ist eher ein Rückschritt»

Alain Wiss (vorne) beim Trainingsstart der Grün-Weissen am vergangenen Montag. (Bild: FC St. Gallen)

Von «Zeit für eine Veränderung» und einem «unzureichenden Vertragsangebot» war die Rede. Jetzt spielt Alain Wiss für die Ostschweizer. Im Interview mit zentral+ blickt der 24-Jährige auf seine Zeit beim FCL und die Probleme mit Rolf Fringer, spricht über die Ambitionen mit den St. Gallern und weshalb das Thema Ausland nicht abgehakt ist.

Acht Jahre lang schnürte Alain Wiss seine Fussballschuhe für den FC Luzern. Die Zeichen auf Abschied verdichteten sich im Verlauf der Rückrunde. Nun hat er beim FC St. Gallen unterschrieben. Was bewegt einen Littauer und Ur-Luzerner zu diesem Wechsel?

zentral+: Herr Wiss, Ihr Wechsel zum FC St. Gallen überrascht. Weshalb gehen Sie zu den Espen?

Alain Wiss: Ich habe eine neue Herausforderung gesucht. Auch andere Clubs waren interessiert, aber St. Gallen wollte mich unbedingt. Es ist wichtig, das Vertrauen eines Vereins und auch des Trainers zu spüren. Ich hätte schon noch ein wenig zuwarten und pokern können, bin nun aber froh, dass Klarheit herrscht.

zentral+: Wie schätzen Sie die sportliche Perspektive bei den Espen ein?

Wiss: Über das Team in St. Gallen kann ich noch nicht viel sagen. Ich freue mich auf den Trainingsstart (Anm. der Red.: Diesen Montag hat der FC St. Gallen den Trainingsbetrieb aufgenommen) und die neue Herausforderung.

«Der Wechsel zu St. Gallen ist verglichen mit dem FCL eher ein Rückschritt.»

zentral+: Bezeichnen Sie den Wechsel als sportlichen Aufstieg?

Wiss: Verglichen mit dem FC Luzern ist es wahrscheinlich eher ein Rückschritt. Obwohl sich die beiden Vereine etwa auf Augenhöhe befinden. Trotzdem bin ich davon überzeugt, beim FC St. Gallen einen weiteren Schritt vorwärts zu kommen.

Kids-Training beim FCL zu gewinnen

Kennen Sie Fussballtalente, die den Weg von Alain Wiss einschlagen wollen?

Der FC Luzern offeriert fünf Plätze für das LUKB-Kids-Training zusammen mit der 1. Mannschaft auf dem «heiligen» Rasen der Swissporarena. Dieses findet im Rahmen der grossen Saisoneröffnung am 12. Juli von 14 bis 15 Uhr statt.

Teilnahmeberechtigt sind Mädchen und Knaben im Alter von 8 bis 12 Jahren. Die teilnehmenden Kids erhalten für das Training ein FCL/LUKB-T-Shirt, das sie anschliessend behalten dürfen.

Hat Ihr Sohn, Ihre Tochter oder Ihr Götti-, Gottenkind das Zeug zum FCL-Star? Schreiben Sie in die Kommentarfunktion, weshalb gerade Ihr Kind beim Kids-Training teilnehmen sollte. Die Verlosung läuft bis am 25. Juni.

Am 21. Juli spielt der FCL übrigens ein Testspiel gegen den BVB Dortmund – lesen Sie hier die News.

zentral+: Aber ein Titelgewinn mit St. Gallen scheint doch unrealistisch und auch die Nationalmannschaft schaut sich nicht unbedingt auf dem Espenmoos um?

Wiss: Natürlich würde ich mich über Titel freuen, obwohl die Meisterschaft wohl tatsächlich unrealistisch ist – im Cup ist eine Überraschung sicher eher möglich. Die Nationalmannschaft hat für mich nicht erste Priorität. Ich habe super Erfahrungen gesammelt und bei allen Juniorenteams gespielt. Auch die beiden Einsätze in der A-Nationalmannschaft waren grossartig. Wenn ich mich durch gute Leistungen empfehle, ist eine Rückkehr in die Nationalmannschaft sicher nicht ausgeschlossen.

zentral+: Sie waren ja auch im Ausland bei Fürth und dem Kiez-Klub St. Pauli im Gespräch. Wie konkret war das? Und weshalb klappte es nicht?

Wiss: Es gab loses Interesse, aber dieses vermochte mich nicht vollständig zu überzeugen. Der FC St. Gallen hat mir das Gefühl gegeben, voll auf mich zu setzen, und das hat schlussendlich den Ausschlag für den Wechsel gegeben.

zentral+: Aber träumen Sie nicht wie alle Schweizer Fussballer vom Ausland? Mit mehr Geduld und Mut hätte es vielleicht geklappt.

Wiss: Natürlich ist ein Wechsel ins Ausland einmal ein Ziel. Eine andere Liga zu sehen, reizt mich natürlich. Aber momentan freue ich mich auf St. Gallen – alles andere wird sich zeigen.

zentral+: Wie läuft ein solcher Wechsel als ablösefreier Spieler ab?

Wiss: Es ist sicher von Vorteil, wenn der Vertrag ausläuft. Die Schweizer Clubs zahlen in der Regel ungern Ablösesummen. St. Gallen hat den Kontakt gesucht und ein Angebot vorgelegt. Dieses ist bei mir auf offene Ohren gestossen. 

In Zukunft wird Alain Wiss für den FC St. Gallen auflaufen (Bild: FC St. Gallen).

In Zukunft wird Alain Wiss für den FC St. Gallen auflaufen (Bild: FC St. Gallen).

zentral+: Werden Sie nach St. Gallen ziehen?

Wiss: Die ersten Wochen werde ich im Hotel übernachten, später dann sicher nach einer eigenen Wohnung Ausschau halten.

zentral+: Lassen Sie uns über den FCL sprechen. Der Trainer wollte Sie behalten, der Sportchef nicht?

Wiss: Es ist bekannt, dass Herr Babbel gerne mit mir weitergearbeitet hätte. Auch Rolf Fringer war einer weiteren Zusammenarbeit nicht grundsätzlich abgeneigt. Es ist aber so, dass schon lange bekannt war, dass mein Vertrag ausläuft und das Angebot von Herrn Fringer nicht meinen Vorstellungen entsprochen hat. Zudem war ich enttäuscht, dass die Verhandlungen erst zu einem späten Zeitpunkt aufgenommen wurden. Schlussendlich habe ich mich für eine Luftveränderung entschieden. Ich bin aber Rolf Fringer gegenüber überhaupt nicht nachtragend, denn ich weiss, dass ich dem FCL viel zu verdanken habe. Ich war auch in der Kabine und habe mich von der Mannschaft verabschiedet. Nun beginnt ein neues Kapitel.

«Ciriaco Sforza hat mich in die erste Mannschaft geholt und extrem auf mich gebaut.»

zentral+: Wir haben einen Blick auf die Trainer während Ihren acht Jahren beim FCL gewagt: Sforza, Gross, Morinini, Fringer, Brand, Yakin, Komornicki, Seoane, Bernegger, Seoane, Babbel. Wer hat Sie am meisten vorwärtsgebracht?

Wiss: Ich konnte sicher unter jedem Trainer etwas mitnehmen. Klar, Ciriaco Sforza hat mich in die erste Mannschaft geholt und extrem auf mich gebaut. Es war damals mit 16 Jahren keineswegs selbstverständlich, Stammspieler in der Super League zu sein. Auch unter Murat Yakin haben wir tollen Fussball gespielt – und auch zuletzt in der Rückrunde unter Markus Babbel waren wir erfolgreich. Herr Babbel hat mir auch persönlich viel mitgegeben, denn er erwartete von mir, meine Persönlichkeit stärker einzubringen.

zentral+: Welche Mannschaftskameraden haben Sie während ihrer Zeit beim FCL am meisten beeindruckt?

Wiss: Da gibt es natürlich ganze viele tolle Fussballer. Hakan Yakin oder Davide Chiumiento waren sicher von den Fähigkeiten her überragend. Ein Mario Cantaluppi mit seiner Bundesligaerfahrung war ein beeindruckender Führungsspieler. Sowieso bin ich von Anfang an toll aufgenommen worden und habe viele Freunde gewonnen – ich denke hier an Gerardo Seoane, David Zibung oder Claudio Lustenberger.

Alain Wiss bedankt sich bei den FCL-Offiziellen und den Fans für die tolle Zeit in Luzern. Die Fans dankten es ihrerseits mit langen Sprechchören (Bild: Dominik Stegemann).

Alain Wiss bedankt sich bei den FCL-Offiziellen und den Fans für die tolle Zeit in Luzern. Die Fans dankten es ihrerseits mit langen Sprechchören (Bild: Dominik Stegemann).

zentral+: Bei Ihren FCL-Weggefährten von früher (Büchli, Etter, Koller, Sorgic, Urtic, Imbach, Pacar) hat es mit der Profikarriere nicht geklappt. Woran liegt das? Weshalb klappte es bei Ihnen?

Wiss: Das ist eine schwierige Frage. Es kommen sicher ganz viele Faktoren zusammen. Auf der einen Seite muss man sicher gesund bleiben, anderseits muss man auch den absoluten Willen haben – muss frei sein im Kopf. Als Fussballprofi muss man auch auf vieles verzichten. Zudem ist sicher entscheidend, dass man das Glück hat, mit einem Trainer zusammenzuarbeiten, der auf einen setzt.

zentral+: Was empfehlen Sie etwa der FCL-Nachwuchshoffnung Nicolas Haas für die kommende Saison?

Wiss: Er muss dort weitermachen, wo er aufgehört hat. Der Trainer setzt auf ihn und ich bin überzeugt, dass er den Schritt zum Super-League-Spieler machen wird.

«Ein Platz unter den Top 3 ist für den FC Luzern möglich.»

zentral+: Was trauen Sie dem FCL in der neuen Saison zu?

Wiss: Wir haben in der Rückrunde gezeigt, welche Qualität in diesem Team steckt. Wenn die Mannschaft zusammenbleibt, ist ein Platz unter den Top 3 möglich.

zentral+: Mit welchen Gefühlen werden Sie das erste Mal in Grün-Weiss in die Swissporarena einlaufen? Und würden Sie jubeln, falls Ihnen ein Tor gelingt?

Wiss: So weit habe ich noch nicht überlegt. Als Fussballprofi ist es immer das Ziel, Spiele zu gewinnnen. Aber natürlich wird die Rückkehr in die Swissporarena eine hoch emotionale Angelegenheit – auf einen Torjubel würde ich verzichten.

Alain Wiss trug acht Jahre lang das Trikot des FC Luzern (Foto: Roman Beer).

Alain Wiss trug acht Jahre lang das Trikot des FC Luzern (Foto: Roman Beer).

(Bild: Roman Beer)

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