Stell dir vor, es ist Fussball-EM – und keiner guckt hin
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Der Sommer 2022 steht ganz im Zeichen des Frauenfussballs. Während die Männer die grosse Kohle kriegen und im Rampenlicht stehen, kämpfen die Frauen für mehr Anerkennung und Sichtbarkeit. Wir haben uns gefragt: Wie steht's eigentlich um Public Viewings in Luzern?
Stell dir vor: Die Schweiz spielt Fussball an einer Europa-Meisterschaft – und keiner guckt hin.
Anfangs Juli ertönt der Anpfiff des ersten Fussballspiels der diesjährigen Frauenfussball-EM in England. Und diese hat das Potenzial, zur bis dato grössten Frauensportveranstaltung zu werden. Die EM habe die «einmalige Chance», ein Katalysator für einen Wandel zu sein, schreibt Nadine Kessler, Leiterin der UEFA-Abteilung Frauenfussball, im kürzlich veröffentlichten Wirkungsbericht. Und sie meint damit auch: Veränderungen, um den Frauenfussball sichtbarer zu machen.
Auch die Schweizer Fussball-Nati ist mit von der Partie – und wird am 9. Juli ihr erstes Spiel bestreiten.
Sind es Männer, die dem Ball hinterherjagen, so gerät die ganze Welt oder zumindest ganz Europa aus den Fugen. Von den Balkonen flattern die Schweizerfähnli, für's Büro tauschen viele das schwarze Hemd gegen das rot-weisse Shirt, in den Läden kaufen wir Cervelats und Bierdosen mit Schweizerflagge und dem Slogan «Hopp Schwiiz!». Und selbstverständlich können Fussball-Begeisterte in beinahe jeder Bar in dieser Stadt die Spiele am Bildschirm oder auf der Leinwand mitverfolgen – oder sich bei grossen Public Viewings wie in der Ufschötti in Luzern die Kehle aus dem Hals schreien.
Hier kannst du in Luzern die Spiele der Frauenfussball-EM sehen
Viel weniger Wirbel gibt's, wenn es Frauen sind, die Fussball spielen. So haben wir uns gefragt: Werden die Spiele bei uns denn auch gezeigt? Schliesslich kämpfen Fussballerinnen seit jeher dafür, dass ihre Leistung anerkannt wird, dass sie sichtbarer werden.
Eine Anfrage von zentralplus zeigt: Es ist was gegangen in den letzten Jahren. So zeigt die Bourbaki Bar die Spiele der Frauen-EM. «Wir sind der Meinung, dass Frauenfussball und allgemein der Frauensport in der Schweiz viel mehr Aufmerksamkeit bekommen sollte», sagt Victor Redonda, der Betriebsleiter der Neugass Kino AG.
Für das Public Viewing wird bald auch geworben: So wird das Bourbaki vor den Filmen und auch im Foyer Werbung für den Anlass machen. Zudem hat man mit dem Verkauf der Tschuttiheftli und -Bildli begonnen. Um die Athletinnen sichtbar zu machen, findet Mitte Juni eine Ausstellung statt. Dabei werden laut Redonda die Porträts der Fussballerinnen prominent an der Bourbaki Bar von der Decke hängen.
Auch andernorts werden in der Stadt die Fussballerinnen die Leinwände zieren. So zum Beispiel in der Sunset Bar, die im Biergarten alle Spiele live zeigen wird.
Schüür verzichtet auf Public Viewing
Die Schüür hingegen hat letztes Jahr die EM-Fussballspiele der Männer gezeigt (zentralplus berichtete). Frauenfussball gibt's diesen Sommer im Schüürgarten keinen zu sehen. Schüür-Chef Marco Liembd spricht aus Erfahrung: Man wisse, dass Spiele ohne Schweizer Beteiligung teilweise nicht interessieren. Ausser es spielen grosse Namen wie Brasilien, England oder Deutschland.
«Daher rechnen wir mit einer super Auslastung bei Schweizer Spielen, befürchten aber sehr wenig Publikum bei den anderen Spielen», so Liembd. «Eine LED-Wand steht dann trotzdem da. Diese kostet nicht nur, sie versperrt auch für die gesamte Dauer den besten Platz für eine Bühne.» Und er stellt klar: «Wir geben diesem Sommer Konzerten den Vorrang.»
Auf die Frage, weswegen sich das Konzerthaus die Chance entgehen lässt, Frauenfussball immerhin ein Stück weit sichtbarer zu machen, erwiedert Liembd: «Wir fördern keinen Fussball. Wir fördern Konzerte, Musikerinnen und Musiker, Veranstalterinnen und Veranstalter.» Wenn man ein Public Viewing durchführe, versuche das Konzerthaus damit, die Querfinanzierung für diverse Konzerte herzustellen. «Ist diese Querfinanzierung nicht gegeben, verzichten wir auf Fussball und machen Konzerte.»
Es geht noch was
In anderen Bars oder Kultur- und Eventlokalen ist es derzeit noch ungewiss, ob Public Viewings organisiert werden.
Auf Anfrage beim Neubad heisst es, man «überlege sich zurzeit», die Spiele auf dem Neubad-Vorplatz im Rahmen der «La Piazza» zu zeigen. Ein grosses Public Viewing im Pool – wie letztes Jahr bei der Männerfussball-EM – ist indes nicht geplant. Dies weil das Neubad im Juli Veranstaltungspause hat. Und auch das Wetter spielt eine Rolle – weil sich der Pool zu fest aufheizt und das Public Viewing im Pool des ehemaligen Hallenbads eher bei schlechtem Wetter besucht wurde.
Die Betreiber der Hafenbar zur Metzgerhalle planen, die Spiele von Donnerstag bis Samstag zu zeigen. Eigentlich wollten sie während der Schulferien die Öffnungszeiten beschränken. Nun überlegen sie sich, auch an dem einen Mittwoch und dem einen Sonntag die Pforten zu öffnen, an den Tagen, an denen die Schweizer Fussball-Nati spielt. In Stein gemeisselt ist das jedoch (noch) nicht.
Und auch das Lido Beach House findet Gefallen an einem Public Viewing. «Wir finden es eine gute Idee», heisst es auf Anfrage. Kommende Woche werde man entscheiden, ob man die Ressourcen dazu habe.
- Schriftlicher Austausch mit Tamino Müller (Hafenbar zur Metzgerhalle), Yannick Gauch (Neubad), Marco Liembd (Schüür), Simon Märki (Sunset Bar), Victor Redonda (Bourbaki) und Lido Beach House
- Wirkungsbericht UEFA