Druck auf neuen FCL-Trainer wächst

René Weiler: Die Strategie eines Nonkonformisten

FCL-Trainer René Weiler ist ein hochangesehener Fussballlehrer. Dennoch gingen die ersten beiden Partien der Saison verloren.

(Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Kein einziger Punkt aus den ersten beiden Spielen gegen Aufsteiger Xamax und Ligazwerg Thun: René Weiler ist mit seinem Wesen und Wirken noch nicht in Luzern angekommen. Stünde er vor dem Heimspiel am Samstag gegen Lugano besser da, hätte er sich wie ein Verwalter verhalten?

Es passierte im Frühjahr 2011 vor dem Einzug in die Swissporarena und war wohl völlig unbeabsichtigt: Als der damalige Präsident Walter Stierli Trainer Rolf Fringer, der mit dem FCL ein paar Monate zuvor noch Wintermeister geworden war, nach einer Niederlagenserie feuerte, begannen der Klub und sein Umfeld komische Signale auszusenden. Im Erfolgsfall genauso überschwänglich wie trübsinnig in schwierigen Zeiten. Der untrügliche Sinn für die sportliche Realität war entschwunden.

Der Fehlstart des FC Luzern in die neue Saison hat die Freude über die fulminante Rückrunde in diesem Frühjahr weggefegt. Die Wiedereinführung der Barrage hat den Kampf gegen den Abstieg in die Zweitklassigkeit verschärft, und schon kommen erste Zweifel an der Arbeit des neuen Übungsleiters beim FCL auf. Kann der grosse René Weiler mit dem kleinen FCL Erfolg haben?

«Jede Mannschaft, mit der ich bisher zusammenarbeitete, habe ich weiterentwickelt.»

René Weiler

Denn der Winterthurer, der nach Lucien Favre (Dortmund) einst als grösstes Schweizer Trainertalent galt, hat den 1. FC Nürnberg 2015/16 in die Barrage um den Aufstieg in die 1. Bundesliga geführt und ein Jahr später den RSC Anderlecht zum belgischen Meister gemacht. Das ist eine andere Kragenweite als die Arbeit in Luzern. Weiler sagt über die Herausforderung mit dem FCL: «Ich brauche Zeit und Geduld. Jede Mannschaft, mit der ich bisher zusammenarbeitete, habe ich weiterentwickelt. Es geht überall, ob im Fussball oder im Leben, um Nachhaltigkeit.»

Weiler: «Das ist doch Schwachsinn»

Sportliche Realität ist, dass der FCL nach der letzten Saison Jonas Omlin und Hekuran Kryeziu verloren hat, also «den Rückhalt im Tor und den Taktgeber im Mittelfeld», wie sich Weiler ausdrückt. Zudem konnte er personell noch nie aus dem Vollen schöpfen. In der Innenverteidigung fehlen ihm Marvin Schulz, Lazar Cirkovic und Stefan Knezevic, dazu sind Aussenverteidiger und Captain Claudio Lustenberger sowie Mittelstürmer Tomi Juric verletzt. Und seit der Niederlage in Thun auch noch Oliver Custodio.

So war Shkelqim Demashaj zunächst der einzige Stürmer im Kader, dem Weiler allerdings bescheinigte, er sei nicht kräftig genug, um sich im Zweikampf durchsetzen zu können. Damit raubte der Trainer dem 22-jährigen Schlacks, der letzte Saison in 32 Meisterschaftsspielen immerhin sechs Treffer markierte und drei Torvorlagen gab, das Selbstvertrauen. Mit Blessing Eleke hat Weiler nun gegen Lugano (19 Uhr) eine Alternative fürs Sturmzentrum. «Es gibt Argumente, ihn gleich von Anfang an einzusetzen, aber auch solche, die dagegen sprechen. Die Mannschaft kennt seine Spielweise noch nicht und umgekehrt», denkt der Übungsleiter.

Die Frage sei erlaubt: Hätte Weiler nicht besser die einsatzbereiten Stammkräfte aus dem erfolgreichen Frühjahr in den ersten beiden Spielen laufen lassen? So, wie es ein Verwalter getan hätte?

«Gehen Sie etwa, wenn Sie eine Beziehung mit einer neuen Partnerin eingegangen sind, erst den Ex-Freund fragen, was denn deren Vorlieben beim Liebesakt seien?»

René Weiler

«Das ist doch Schwachsinn», glaubt Weiler und entgegnet: «Oder gehen Sie etwa, wenn Sie eine Beziehung mit einer neuen Partnerin eingegangen sind, erst den Ex-Freund fragen, was denn deren Vorlieben beim Liebesakt seien?» Zumindest wäre es ein neuer und aussergewöhnlicher Ansatz, möchte man belustigt anmerken.

Weiler, der Nonkonformist, der sich mit seiner unverblümten Art so erfrischend abhebt vom kommunikativen Einheitsbrei vieler seiner Berufskollegen, hat bei den beiden Niederlagen gegen Aufsteiger Xamax (0:2) und in Thun (1:2) Hinweise darauf bekommen, dass es vielleicht doch nicht so ideal war, im ersten Spiel alles auf den Kopf zu stellen. Auf die kreativen Valeriane Gvilia und Francisco Rodriguez verzichtete er in seiner Startformation. Die Torgefahr, die der FCL erzeugte, blieb überschaubar. Etwas besser lief es offensiv erst im Berner Oberland. Der von Anbeginn eingesetzte Rodriguez machte sich zum ersten Torschützen in der Ära Weiler, auch wenn er sonst blass blieb. Erst mit der Einwechslung von Gvilia hatte der FCL seine gefährlichsten Aktionen gegen Thun.

Auf der Suche nach seiner Stammelf

«Hätte ich immer das gemacht, was andere von mir erwarteten, wäre ich wohl heute noch Trainer von Anderlecht. Aber dann wüsste ich wahrscheinlich nicht mehr, wo mir der Kopf steht», sagt Weiler und gibt zu bedenken: «Ich schaffe täglich mit dem Team, beobachte die Spieler im Training und stelle nach objektiven Gesichtspunkten die Mannschaft für den nächsten Match auf. Dabei möchte ich betonen, dass ich nicht nur auf Trainingsleistungen abstelle. Das wäre Wahnsinn. Schliesslich kann auch ein Spieler unter Prüfungsangst leiden und versagen.»

Übrigens: Sein Vorgänger beim FCL, der nach Saisonende bei den Young Boys anheuerte, verwaltet indes sein sportliches Erbe. Bis auf den zu Hoffenheim abgewanderten Innenverteidiger Kasim Nuhu vertraut Gerardo Seoane den gleichen Feldspielern, die YB nach 32 Jahren wieder zum Meistertitel schossen. Er wird wohl erst «süüferli» seine eigenen Ideen einbringen und damit sein Team modellieren.

Pascal Schürpf war Torgarant in der Rückrunde. Bisher ist die Torausbeute des FCL jedoch mangelhaft.

Pascal Schürpf war Torgarant in der Rückrunde. Bisher ist die Torausbeute des FCL jedoch mangelhaft.

(Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Dass Weiler eine andere Strategie verfolgt, ist sein gutes Recht. Doch das Team, das seinen Vorstellungen von Fussball entspricht und sein Vertrauen geniesst, hat er noch nicht gefunden. Wegen der Verletztenliste ein Stück weit auch nicht finden können. Noch ist die Balance im Spiel der Luzerner nicht richtig austariert, noch fehlen die Automatismen.

Weiler muss wissen: Geduld ist im fussballverrückten Luzern ein rares Gut. Mit einer weiteren Heimniederlage gegen Lugano wäre sie gewiss nicht aufgebraucht. Dass der neue Trainer mit einem Dreijahresvertrag ausgestattet wurde, spricht für ein längerfristiges Engagement. Aber die nächsten Hürden, die der Reihe nach Olympiakos Piräus in der Qualifikation zur Europa League, Meister YB, Piräus im Rückspiel und dann nach der ersten Cup-Runde in Gland St. Gallen heissen, würden umso höher erscheinen.

Aber malen wir den Teufel nicht an die Wand! Genauso möglich ist, dass sich beim FCL am späten Samstagabend alles in Wohlgefallen aufgelöst hat. Denn Weiler ist nun wirklich nicht auf der Brotsuppe dahergeschwommen.

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