Baarer Skiakrobat reist an Olympische Spiele

Noé Roth: Salti und Schrauben in 15 Metern Höhe

Kann der Baarer Noé Roth in Pyeongchang zum grossen Sprung ansetzen?

(Bild: zvg)

Skiakrobatik – oder Aerials – scheint eine Zuger Spezialdisziplin zu sein. Schon mehrere Olympische Medaillen konnten in der Vergangenheit gefeiert werden. Nun schickt sich der 17-jähriger Baarer Noé Roth an, in diese Fussstapfen zu treten. Das Skiakrobatik-Gen wurde ihm sozusagen in die Wiege gelegt.

Was früher noch Skiakrobatik genannt wurde, heisst inzwischen offiziell «Aerials». Das Spektakel ist jedoch das gleiche: Ein Skiakrobat wird mit fast 40 km/h über eine nahezu senkrechte Schanze gen Himmel geschleudert. In 15 Metern Höhe beginnt sich der Athlet zu drehen und zu wenden, kerzengerade steht er in der Luft. Möglichst anspruchsvoll soll der Sprung sein. Je höher der Schwierigkeitsgrad, desto besser. Nach den Salti und Schrauben setzt er zur Landung an, muss irgendwie die Kräfte vernichten, die auf ihn wirken.

Zuger Athleten spielen seit jeher eine gewichtige Rolle in dieser Sportart. Die in Baar wohnhafte Colette Roth-Brand gewann 1992 den Showevent im Rahmen der Olympischen Spiele in Albertville, ehe sie 1998 in Nagano die Olympische Bronzemedaille holte. Dazwischen gewann sie in der Saison 1995/96 den Gesamtweltcup. Unvergessen sind auch die Olympischen Goldsprünge des Zugers Andreas «Sonny» Schönbächler in Lillehammer 1994.

Noé Roth in Lake Placid mit dem Pokal des rookie of the year.

Noé Roth in Lake Placid mit dem Pokal des rookie of the year.

(Bild: zvg)

Sein Vater ist der Nationaltrainer

Der erst 17-jährige Baarer Noé Roth versucht nun, diese Serie von Zuger Skiakrobaten erfolgreich fortzuführen. Der Name Roth ist Programm, denn er ist der Sohn von Colette Roth-Brand und Michel Roth.

Auch Vater Roth ist stark mit der Skiakrobatik verbunden: Seit seinem Rücktritt 1990 ist er Schweizer Nationaltrainer der Aerials-Athleten. Er trainiert mit Noé also auch seinen eigenen Nachwuchs. Noé selbst sieht diesen Umstand weder als Vor- noch als Nachteil, wie er betont: «Für mich kommt es nicht darauf an, ob mein Vater oder jemand anderes Nationaltrainer ist. Die Leistung muss ich so oder so bringen.»

«Das Trampolin hilft beim Einüben von neuen Sprüngen.»

Noé Roth, Baarer Skiakrobat

Und die Leistungen des Noé Roth sind diese Saison bislang mehr als beachtlich gewesen. Im Gesamtweltcup wurde er 28. mit einem Bestresultat von Rang 16 beim Auftaktspringen im chinesischen «Secret Garden» in der Provinz Hebei. Der Weltcup umfasst nur sechs Springen an vier Destinationen. Auch in der Schweiz geht es übersichtlich zu und her bezüglich Aerials-Anlagen, wie Noé Roth erklärt: «Im Sommer können wir auf den Schanzen in Mettmenstetten trainieren.» Die Anlage «Jumpin» wurde von Sonny Schönbächler auf die Beine gestellt.

Vom Kunstturnen zur Skiakrobatik

Im Winter wird auf den Schanzen in Airolo trainiert. Weitere Möglichkeiten gibt es hierzulande nicht. Aber wie feilt man bloss an seinem Können bei einer Sportart wie Skiakrobatik, ganz abseits der Schanzen?

«Das Trampolin hilft beim Einüben von neuen Sprüngen», erklärt Noé Roth. «Zudem habe ich rund sechs Jahre Kunstturnen gemacht, bevor ich zur Skiakrobatik gekommen bin.» Dies sei eine der bestmöglichen Vorbereitungen auf die Aerials. Im Sommer trainiere er rund 23 Stunden pro Woche. Während der Saison variiere die Zahl der Trainingsstunden stark.

Für die Skiakrobaten beginnen die Salti und Schrauben in 15 Metern Höhe.

Für die Skiakrobaten beginnen die Salti und Schrauben in 15 Metern Höhe.

(Bild: Enterprise Photo/Lou Reuter)

Die Trainingsstunden haben sich jedenfalls ausgezahlt für Noé Roth, der seit Saisonbeginn dem A-Kader von Swiss-Ski angehört. Nicht nur hat er erstmals die gesamte Saison im Weltcup bestritten. Er ist auch zum besten Nachwuchsspringer des Jahres gewählt worden.

Doch das grösste Geschenk für seine Leistungen hat er sich durch seine Resultate gleich selbst gemacht: Durch die beiden abschliessenden 21. Ränge im Weltcup holte er für die Schweizer Aerials-Equipe den vierten Quotenplatz für die Olympischen Spiele. «Dass ich mich für Olympia qualifiziert habe, ist natürlich die Krönung der Saison», sagt er.

Trainingslager gegen den Jetlag

Eine konkrete Platzierung für Pyeongchang habe er sich nicht vorgenommen. «Vielmehr geht es mir darum, gute Sprünge zu zeigen und mein maximales Level zu erreichen.» Auch habe er den Formaufbau durch die späte Qualifikation nicht auf Olympia auslegen können.

Benotung in der Skiakrobatik

Das Zustandekommen der Punktzahl in der Skiakrobatik ist nicht ganz einfach. Der maximal zu erreichende Wert für einen Sprung beträgt 150. Diese Zahl setzt sich wie folgt zusammen: Die sogenannten Judges bewerten Air (wird mit 20 Prozent gewichtet), Form (50 Prozent) sowie die Landung (30 Prozent).

Für den Bereich Air können maximal 2,0 Punkte pro Judge geholt werden. Er umfasst unter anderem die Höhe und Weite des Sprunges. Für die Form ist 5,0 die Höchstpunktzahl je Judge. Air und Form werden von insgesamt fünf Punktrichtern benotet, wobei die höchste und tiefste Note aus der Wertung gestrichen werden. Die übriggebliebenen Punkte werden mit den Punkten aus der Landung addiert. Dort vergeben zwei Punktrichter Punkte zwischen 0 und 3,0.

Nach entsprechender Gewichtung werden alle Punkte mit dem Schwierigkeitsgrad multipliziert. Dieser beträgt maximal 5,0. Wird nun alles zusammengerechnet, beträgt die Höchstpunktzahl 150.

Hat Noé Roth kein Problem damit, dass seine Leistungen nicht gänzlich objektiv beurteilt werden können? Denn trotz Kriterien für die Punkteverteilung besteht  natürlich Spielraum für die Judges. «Nein, ich kann es sowieso nicht ändern. Das gehört bei meinem Sport einfach dazu», gibt er ganz den Pragmatiker.

Bevor für Noé die Wettkämpfe am 18. Februar in Südkorea anstehen, waren noch intensive Einheiten in Japan angesagt. Dort hatte die Schweizer Aerials-Equipe ihre Zelte für ein Trainingslager aufgeschlagen. Noé erklärt die Vorteile des Standorts: «Neben der vorhandenen Infrastruktur half die Nähe zu Südkorea auch, um einem Jetlag vorzubeugen. Und natürlich war von Japan aus auch die Anreise nicht mehr so weit.»

Sponsorensuche gestaltet sich schwierig

Trotz der erwähnten Schweizer Erfolge in der Vergangenheit ist Skiakrobatik nach wie vor eine Randsportart hierzulande. Wie sieht es also bei der Sponsorensuche aus? «Diese gestaltet sich tatsächlich nicht einfach», gibt Noé zu. Er habe eine Managerin, die für Werbebelange zuständig sei. Die Sporthilfe unterstütze ihn. Dazu stellt Uvex Helm und Brille zur Verfügung. Sonstige Sponsoren? Fehlanzeige.

Ist es unter solchen Bedingungen überhaupt realistisch, irgendwann vom Sport leben zu können? «Während der Aktivzeit halte ich dies durchaus für möglich.» Unter den Spitzenathleten wisse er zumindest von den Weissrussen, dass diese vom Aerials-Sport leben können. Trotzdem setzt der 17-Jährige nicht nur auf die Karte Profisport. Nebenbei absolviert er eine KV-Lehre.

Es gibt kein Verschnaufen

Apropos Weissrussland: Viel Verschnaufen nach Olympia ist nicht drin für den Baarer: Nur sechs Tage nach dem Wettkampf in Südkorea ist er bereits an der Junioren-WM in Minsk gefragt. Dort wird Roth zu den Medaillenkandidaten zählen. Danach geht es weiter mit Europacup und Schweizer Meisterschaften.

Ein solch dichtes Programm ist bestimmt auch für den Körper eine Belastung. Wie verletzungsanfällig sind Skiakrobaten? «Das Verletzungsrisiko ist tatsächlich eher hoch», sagt Roth. «Vor allem die Knie und Schultern sind gefährdet. Auch Gehirnerschütterungen sind nicht selten.» Doch schätze er das Verletzungsrisiko beispielsweise im alpinen Skisport noch höher ein. Er selbst sei bislang glücklicherweise von der Verletzungshexe weitestgehend verschont geblieben.

Das Risiko für Langzeitschäden sei schwierig einzuschätzen. Roth selbst kenne keinen ehemaligen Skiakrobaten mit Verletzungen, die er bis nach der Karriere mit sich trug. «Trotzdem glaube ich an ein etwas erhöhtes Risiko für Schäden mit Langzeitfolgen.» Mit solchen Themen muss sich Noé Roth im Moment jedoch auch nicht rumschlagen. Vielmehr gilt der Fokus den Olympischen Spielen.

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