Nati-Captain Stephan Lichtsteiner erwartet mehr Respekt
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Es hört nicht auf: Auch in der Woche vor dem ersten Nations-Cup-Auftritt der Schweizer Nati gegen Island in St. Gallen (18.00 Uhr) versucht ein Medienhaus ganz bewusst, einen Keil durch die Mannschaft und die Bevölkerung zu treiben und mit einer Kampagne Fussball- und Personalpolitik zu betreiben.
Mittlerweile nimmt die Polemik um die Nationalmannschaft schon groteske Formen an. Am Dienstag gelang der Schweizer Nati mit dem Luzerner Captain Stephan Lichtsteiner der kommunikative Befreiungsschlag. Niemand hatte damit gerechnet, dass sie sich für das Zeigen des «Doppeladlers» im zweiten WM-Gruppenspiel gegen Serbien öffentlich entschuldigt. Und in corpore vor die Medien tritt und damit jene Einigkeit zeigt, die ihr von einem Teil ebendieser Medien abgesprochen wurde.
Ein versöhnliches Signal. Auch wenn die Aussage von Leistungsträger Xherdan Shaqiri suggerierte, dass sich nur Bergler und Hinterwäldler angegriffen fühlen könnten, nicht ganz ins Drehbuch passte.
Alle Medien verstanden das Zeichen von Lichtsteiner & Co., honorierten die Bemühungen des Teams und des Staffs um Transparenz und Ehrlichkeit. Alle Medien? Nicht ganz. Weil es dem «Blick» nicht in den eigenen Kram, in die eigene Kampagne passt. Es müssen Köpfe rollen, unbedingt. Zumindest ist das die Absicht des Ringier-Medienhauses.
Populistischer Zickzack-Kurs
Fussball-Chef Andreas Böni kommt dieser Tage in einem Videokommentar zum Schluss, dass sich die Nati-Spieler wegen sprachlicher Mängel lieber in Schweizerdeutsch statt in Hochdeutsch ausdrücken sollten. Zudem kam er zur Ansicht, dass Shaqiri der Schweizer Berghilfe wegen seines Fauxpas spenden sollte. Geht’s noch einfältiger? Sein Chef, Felix Bingesser, musste unbedingt loswerden, Shaqiris Aussage sei dumm.
Die beiden Boulevard-Strategen verheimlichen dabei, dass ihr Geschreibsel einem populistischen Zickzack-Kurs gleicht. Shaqiri wurde in ihrem Blatt schon in grossen Lettern Heldenstatus zuteil, und er wurde zum Sympathieträger hochstilisiert. Sie formulierten zuerst volles Verständnis für die Doppeladlergeste. Dann schrieben sie, dass die Idee, Doppelbürger nicht mehr in der Nati spielen zu lassen, bedenkenswert und weiterzuverfolgen sei. Sie behaupteten aber immer reichlich selbstvergessen auch schon das Gegenteil vom Selbstgeschriebenen.
(Bild: SRF)
Petkovic hatte Idee zur Entschuldigung
Stephan Lichtsteiner mag sich zu den Vorfällen in der Nati rund um die WM und die Aufarbeitung danach nicht mehr äussern. Auch er geriet nach seinem Doppeladler-Jubel in die Kritik. Seit Dienstag und dem einmütigen Auftritt der Mannschaft ist die Sache für ihn offiziell erledigt. Aber der Teamleader erhofft sich für die Zukunft mehr Respekt und mehr Tiefgang einiger Medien im Umgang mit der Nationalmannschaft: «Viele Leute haben für diese Nati Grossartiges geleistet. Statt den Kopf des Präsidenten und des Pressechefs zu fordern, sollte man ihnen mit einer Standing Ovation Respekt zollen.»
Was hat die Entschuldigung der Nati in der Öffentlichkeit bewirkt? Sie ist gut angekommen bei den Fans. Das hat Lichtsteiner am Mittwoch bei einem öffentlichen Training miterlebt. Er schildert es so: «Die Rückmeldungen darauf, dass wir ein versöhnliches Zeichen setzten, waren sehr positiv. Die Freude der Bevölkerung an der Nati ist nach wie vor gross.»
Doch der «Blick» dreht auf seinen Plattformen unverdrossen eine Geschichte weiter, die keine mehr ist. Die Blumen für die Charme- und Transparenz-Offensive und den Coup mit der gemeinsamen Entschuldigung erhält nicht der, dem sie zusteht: Nationaltrainer Vladimir Petkovic. Es war dies seine Idee. Aber sein Kopf wurde schon mehrfach gefordert. Da kann man ihm nicht plötzlich Kredit einräumen.
Berichterstattung ohne inhaltliche Linie
Was die Boulevardzeitung in diesen Tagen und Wochen veranstaltet hat, ist eine Dauerprovokation ohne jegliche Selbstreflexion. Eine inhaltliche Linie in der Berichterstattung scheint nicht gefragt. Vor Beginn der WM in Russland reichten seinen Schreiberlingen nur die Superlative, um die Arbeit der SFV-Führung, des Trainers und der Spieler zu würdigen. Der Himmel schien das Limit. Nach dem erfolgreichen Start mit dem 1:1 gegen Mitfavorit Brasilien sowieso.
Dieser Wind hat auf dem Boulevard gekehrt. Lichtsteiner kann mit Kritik umgehen: «Dafür werden wir Spieler bezahlt.» Aber er sagt auch: «Man muss bei jeder Kritik auch Respekt erwarten können. Kritik unter der Gürtellinie steht allen, die in unserem Land leben, schlecht an.»
Der «Blick» wird mit seinem Trommelfeuer nicht aufhören, bis sie beim SFV die Nerven verlieren. Warum? Ganz einfach: Er will Fussball- und vor allem Personalpolitik machen. Er will mächtig sein. Er möchte einen Präsidenten, einen Delegierten, einen Trainer und einen Kommunikationschef von seinen Gnaden. Dafür sind ihm alle Mittel recht. Bernhard Heusler, bis vor kurzem noch selbst mit Einsitz in der so viel kritisierten Verbandsspitze mitverantwortlich an allem, konnte so jedenfalls bereits zum Beratungsmandat verholfen werden.
Keine Frage: Der «Blick» wird weiterhin das Haar in der Suppe suchen. Und wird es finden. Auch mit Hilfe von Zuträgern und Interessenvertretern in eigener Sache aus dem Umfeld der Nationalmannschaft. Die Frage ist: Wer profitiert eigentlich davon, dass bewusst ein Keil durch die Nati und die fussballbegeisterte Bevölkerung getrieben werden soll?
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