Querschnittgelähmte des Jahres

Manuela Schär: «Das ist ein Hühnerhaut-Moment»

Manuela Schär ist Querschnittgelähmte des Jahres. (Bild: zvg)

Die Krienser Rollstuhlsportlerin Manuela Schär wird für ihre besonderen Leistungen als «Querschnittgelähmte des Jahres 2022» ausgezeichnet. zentralplus hat sich mit ihr getroffen.

Manuela Schär hat in ihrer Karriere bis zum Sommer 2021 schon viel erreicht (zentralplus berichtete). Die Krienserin wurde zweimal Weltmeisterin und achtmal Europameisterin in ihrer Startklasse. In mehreren Disziplinen hat sie Weltrekorde aufgestellt. In ihrem beeindruckenden Palmares fehlte nur noch die wichtigste Auszeichnung für Para-Athletinnen: Olympia-Gold.

Dieser «Tolggen» im Reinheft, wie Schär das Fehlen dieser Auszeichnung einst selbst bezeichnete, ist seit den vergangenen Paralympics Geschichte. Manuela Schär gewann Gold über 800 Meter. Nun wird sie anlässlich des internationalen Tags der Querschnittlähmung von der Schweizer Paraplegiker-Stiftung für ihre besonderen Leistungen geehrt.

«Die Verleihung dieses Awards ist ein Hühnerhaut-Moment», sagt Schär sichtlich gerührt. «Die bisherigen Ausgezeichneten haben den Boden für unsere Community geebnet und die Inklusion vorangetrieben. Dies in einer Zeit, in der es noch nicht so einfach war, im Rollstuhl zu sein», so die 37-Jährige. Jetzt sei es «mega schön, ein Teil davon zu sein».

Paraplegiker-Zentrum Nottwil als «Safeplace»

zentralplus trifft Manuela Schär am internationalen Tag der Querschnittlähmung im Paraplegiker-Zentrum Nottwil. Es ist ein Ort, der Manuela Schär in ihrem Leben entscheidend prägte.

«Ich verbinde ganz viele positive Erinnerungen mit diesem Ort.»

Manuela Schär über das Paraplegiker-Zentrum Nottwil

Vor knapp dreissig Jahren kam Manuela Schär als neunjähriges Mädchen für die Erstrehabilitation hierher. Ein tragischer Unfall auf dem Kinderspielplatz hatte zu schweren Rückenverletzungen geführt. Eine schlecht im Boden verankerte Kinderschaukel war über ihr zusammengekracht, wodurch Manuela Schär eine Fraktur am Rücken erlitt.

Obwohl das eine schwere Zeit war, bezeichnet Schär das Schweizer Paraplegiker-Zentrum als eine Art «Safeplace». «Meine ganze Sportkarriere ist sehr stark an Nottwil geknüpft.» Damit spricht sie die einmalige Infrastruktur in Nottwil an, die internationale Athletinnen beneiden würden. «Ich weiss, das hört sich jetzt seltsam an, aber ich verbinde ganz viele positive Erinnerungen mit diesem Ort.»

Sport als zentraler Teil des Lebens

Manuela Schär hat schon vor ihrem Unfall Leichtathletik gemacht. Ihr unbändiger Wille führte dazu, dass sie wieder mit dem Sport begann. Sie liess sich nicht unterkriegen und begann mit dem Rollstuhlsport. «Geht nicht, gibts nicht», sagte ihre Mutter einst gegenüber dem «Willisauer Boten». Auf Extrawünsche habe Manuela stets verzichtet. Nach der Oberstufe absolvierte sie eine kaufmännische Lehre. Noch heute arbeitet sie in diesem Beruf, in einem 20-Prozent-Pensum bei der Paraplegiker-Vereinigung.

Der Sport stand immer im Zentrum ihres Lebens. Es dreht sich fast alles immer um die Trainings und die Wettkämpfe. Der Ehrgeiz und der Wille zu Bestleistungen haben sie stets angetrieben. Auch eine ihrer grössten Enttäuschungen – das schlechte Abschneiden an den paralympischen Spielen 2012 – habe sie nach kurzen Rücktrittsgedanken nur noch stärker gemacht.

Dieser Dämpfer sei gar das Beste gewesen, was ihr je hätte passieren können. «Ich habe einen Neustart gebraucht», sagt Schär rückblickend. Fortan legte sie vermehrt Wert auf die Langdistanzen, in denen sie von Beginn an sehr erfolgreich war.

An den sportlichen Ambitionen hat der scheinbar letzte noch fehlende Titel, der Gewinn von Olympia-Gold, nichts geändert. Was Manuela Schär momentan besonders ärgert, ist das Verpassen des Weltrekords im 400-Meter-Rennen. In der Qualifikation für die Paralympics 2020 verpasste sie die Bestmarke über die volle Bahnlänge nur haarscharf. Diese wollte Schär im jetzigen Jahr eigentlich noch nachholen. Ein Schien- und Wadenbeinbruch im Frühling verunmöglichte ihr jedoch die Teilnahme an Bahnrennen.

Manuela Schär: vermehrte Gedanken über den Rücktritt

Gerade dieser Beinbruch im Frühling habe sie jedoch merken lassen, wie schnell sie zu einem Karriereende gezwungen sein könnte. Darauf ist sie aber mental noch nicht eingestellt. «Das war ein Anstoss, ich habe gemerkt, dass ich dafür noch nicht bereit bin. Die Anschlusslösung war mir nicht bekannt», so Schär. Seither macht sie sich vermehrt Gedanken, wie es nach der Sportkarriere weitergehen wird. «Es gibt aber noch nichts Spruchreifes», so Schär weiter.

Das Leben neben dem Sport nehme dennoch einen wachsenden Stellenwert ein. Heute geniesse sie es vermehrt, nicht mehr nur im Rennrollstuhl aktiv zu sein. Dazu zählen etwa Velotouren im Handbike oder das Stand-up-Paddeln mit ihrem Partner. Eines scheint für Manuela Schär also klar: Der Sport wird auch nach dem Ende der Karriere einen hohen Stellenwert haben.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Manuela Schär
  • Medienmitteilung Paraplegiker-Gruppe
  • Artikel im Willisauer Bote (Paywall)
  • Youtube-Video zu ParAthletics 2021: Interview mit Rollstuhlleichtathletin Manuela Schär
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