Friedliche Fankultur im Fussball

Luzerner ist oberster Fanarbeiter

Christian Wandeler vor dem Fanlokal Zone 5 am Bundesplatz in Luzern. (Bild: zvg)

Christian Wandeler steigt in die nächste Liga auf. Der Luzerner Fanarbeiter ist neu auch Geschäftsführer vom Dachverband Fanarbeit Schweiz. In dieser Funktion will er sich nun auf nationaler Ebene für die Anliegen der Fussballanhänger und für eine kreative, gewaltfreie Fankultur einsetzen. Was er auch prüft: Die Einführung von Fanarbeit im Eishockey.

Acht Jahre lang leitete er die Fanarbeit Luzern, seit Anfang Februar ist Christian Wandeler auch Geschäftsführer von Fanarbeit Schweiz. Der 40-jährige Stadtluzerner übernimmt damit beim Dachverband die Nachfolge von Thomas Gander. Gander (38) seinerseits wurde von keiner Geringeren als der Swiss Football League abgeworben. Dort ist er seit Anfang Monat für den Bereich Prävention und soziales Engagement verantwortlich.

«Christian Wandeler ist einer der wenigen Pioniere, die es in diesem Bereich gibt.»

Markus Gander, Präsident Fanarbeit Schweiz

Strategischer Blick fürs Ganze

Markus Gander, Thomas Ganders Cousin, ist Präsident von Fanarbeit Schweiz. Er freut sich sehr über seinen neuen Geschäftsführer. Die Ernennung begründet Markus Gander wie folgt: «Christian Wandeler ist einer der wenigen Pioniere, die es in diesem Bereich gibt.» Er befasse sich schon seit 2003 mit dem Thema Fanarbeit und sei seit der Gründung der Luzerner Fanarbeit 2007 dabei gewesen. «Zudem interessiert er sich nicht nur für das Geschehen in der Fankurve, sondern hat auch einen strategischen, schweizweiten Blick.» Dies habe er als Vorstandsmitglied bei Fanarbeit Schweiz seit 2007 unter Beweis gestellt.

Mehr Einfluss auf nationale Debatte

Wandeler, von Beruf soziokultureller Animator und in dieser Funktion auch noch im Teilzeitpensum für das Luzerner Unternehmen inplus GmbH tätig, sagt zu seiner Motivation für den 50-Prozent-Job: «Es reizt mich, die Fanthemen nun verstärkt auf nationaler Ebene behandeln zu können. Als Geschäftsführer Fanarbeit Schweiz bin ich diesbezüglich direkt an der Schaltstelle.» In dieser Funktion könne er mehr Einfluss auf nationale Entscheidungen und Diskussionen nehmen. Pflegen will der Hobbyfussballer insbesondere die Kommunikation mit der Schweizerischen Fussballliga, dem Fussballverband sowie der Politik. Bezüglich Letzterem besteht ja seit Herbst 2013 die parlamentarische Gruppe «Fanpolitik in der Schweiz». Diese will sich laut eigenen Aussagen für eine «vernünftige und verhältnismässige Sicherheits- und Fanpolitik» im National- und Ständerat einsetzen. Pflegen will Wandeler auch die Vernetzung der bislang in der Schweiz aktiven professionellen Fanarbeiter. In diesem Netzwerk tauschen sich die Profis aus, besprechen Themen und erarbeiten Lösungsvorschläge.

«Jugendliche Fussballfans stellen mittlerweile wohl die grösste Subkultur der Schweiz dar.»

Christian Wandeler, Geschäftsführer Fanarbeit Schweiz

Grösste Subkultur der Schweiz

Sensibilisieren, versachlichen, reden – viele Bürger halten dies freilich für vergebens. Null Toleranz mit Chaoten, härter durchgreifen und bestrafen, nur das nütze. Das teils enorme Polizeiaufgebot an Fussballspielen und die damit verbundenen Kosten sorgen immer wieder für Kritik an der Fanarbeit.  Was sagt Wandeler dazu? «Jugendliche Fussballfans stellen mittlerweile wohl die grösste Subkultur der Schweiz dar. In Luzern gehören etwa 400 bis 500 Jugendliche dazu. Ein Teil davon will Grenzen austesten und hin und wieder auch überschreiten. Alles kann die Fanarbeit nicht verhindern. Aber wir leisten einen grossen Anteil dazu, dass es oft erst gar nicht zu Gewalt kommt.» Dieser Aspekt sei dann jedoch schwierig zu vermitteln.

Erfolg mit Deeskalation

So gelinge es der Fanarbeit etwa vor oder nach Spielen oft, mittels Deeskalation Ausschreitungen oder Keilereien zu verhindern. Allerdings nicht immer, wie sich an den hässlichen Ausschreitungen letzten August zeigte. Damals kam es nach dem Match FCL vs. FCZ zu Schlägereien und Vandalismus, einer der Täter wurde wurde soeben verurteilt (zentral+ berichtete). Trotzdem sagt Wandeler selbstbewusst: «Wir und unsere Partner wissen, wie gut unsere Arbeit funktioniert.» Für die Luzerner Polizei etwa sei man ein wichtiger Ansprechspartner. Dies bestätigt die Polizei auf Anfrage (siehe Box).

Polizei lobt Fanarbeit

Der Luzerner Polizeikommandant Adi Achermann sagt zu Wandelers Job: «Die Fanarbeit wird von der Luzerner Polizei geschätzt. Wir pflegen einen offenen Dialog. Besonders Gewalt im Zusammenhang mit Fussballspielen muss gemeinsam angegangen werden.» Dass die Fanarbeiter sehr zurückhaltend sind, wenn es darum geht, der Polizei bei Ermittlungen Namen von Verdächtigen zu liefern, dafür hat Achermann Verständnis. «Natürlich wünscht man sich seitens Polizei, dass bei Vorfällen mehr Infos oder Ermittlungsansätze über die Fanarbeit gemeldet werden. Rechtlich hat die Fanarbeit aber keine Verpflichtung, Namen zu nennen.» Das sei vergleichbar mit einem Berufsgeheimnis bei einigen Berufen mit hohem Anspruch an das Vertrauen. Künftig wünscht sich der Polizeikommandant eher mehr als weniger Fanarbeit in Luzern: «Solange es rund um den Fussball zu nicht tolerierbarem Verhalten und Gesetzesverstössen kommt, ist der Ruf nach mehr Fanarbeit gross.» Die Ressourcen dazu seien jedoch begrenzt.

Wandeler will keine unrealistischen Hoffnungen wecken: «Gewalt komplett zu verhindern, wird alleine durch die Fanarbeit nicht möglich sein.» Gewalt sei ein gesellschaftliches Problem. Noch ein Jahr behält der Stadtluzerner die Leitung der Fanarbeit Luzern. Wie bisher an jedem FCL-Match wird man ihn allerdings ab Sommer 2016 nicht mehr sehen. Nun gilt es, für diese Arbeit einen Nachfolger zu finden und einzuführen. Das Verfahren läuft. Der oder die Neue wird dann zusammen mit dem zweiten Fanarbeiter Michi Beck (32) die Fans begleiten.

Wie weiter mit der Zone 5?

Klar ist: Auch dem neuen Team wird die Arbeit nicht ausgehen. Ein aktuelles Thema ist etwa das Fanlokal Zone 5 am Bundesplatz, wo auch die Fanarbeit ihr Büro hat. Dieses liegt an der Route, wo jeweils die VBL-Busse mit den Gästefans durchfahren. In der Vergangenheit kam es vereinzelt am Bundesplatz zu Streit zwischen den Fussballanhängern. Zur Diskussion, ob die Zone 5 am falschen Platz ist oder ob die Busse eine andere Route nehmen sollten, kam kürzlich die Kündigung des Mietvertrages durch die Eigentümer des Lokals hinzu. Einigen sich Fanarbeit und Eigentümer nicht doch noch, müssen sich Fans und Fanarbeit per November eine neue Bleibe suchen. Laut Wandeler ist noch nichts entschieden.

Bund unterstützt Dachverband

Dass die Fanarbeit in der Schweiz keinen Exotenstatus mehr hat, zeigt die Reaktion des Bundes. Auf Anfang dieses Jahres wurde der Verein vom Bund als offizieller Dachverband im Sinne des Kinder- und Jugendförderungsgesetztes anerkannt. Und wird seither von diesem auch mitfinanziert. Deshalb kann der Bund der Fanarbeit Schweiz neu auch selber Ziele vorgeben. Diese muss Wandeler in seiner neuen Funktion nun umsetzen oder abklären: «Unter anderem prüfen wir jetzt die Einführung der Fanarbeit in der Romandie. Dort gibt es sowas bislang nicht.» In der Deutschschweiz wolle man die bisherige präventive Arbeit fortsetzen und stärken. Auch werde neu abgeklärt, ob die Einführung von Fanarbeit auch im Eishockey sinnvoll wäre. Wandeler kündigt an: «Unser Verein soll künftig noch präsenter sein als in der Vergangenheit, wenn es um Fanthemen geht.» Ziel bleibe es, die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren und die Diskussion zu versachlichen. Immer mit dem übergeordneten Ziel, Gewalt zu verhindern.

Breit abgestützter Trägerverein

Die Fanarbeit Luzern existiert seit dem 1. August 2007. Sie beinhaltet 120 Stellenprozent, verteilt auf zwei Personen. Stellenleiter seit Beginn war Christian Wandeler in einem 80-Prozent-Pensum. Aktuell gehört Michi Beck zum Team.

Eingebunden ist die Fanarbeit in einen Trägerverein. Dieser ist für die strategische Führung der Fanarbeit verantwortlich. Das Gremium besteht unter anderem aus Vertretern der geldgebenden Institutionen FC Luzern (Präsident Ruedi Stäger), Stadt Luzern (Sicherheitsmanager Maurice  Illi), Kanton Luzern (Dominik Durrer vom Justiz- und Sicherheitsdepartement) sowie zwei Vertretern der Fanszene Luzern, nämlich Manuel Feer und Peter Spichtig. Präsident des Trägervereins ist Jörg Häfeli von der Hochschule Luzern, Soziale Arbeit.

Der Kanton Luzern und der FCL zahlen an die jährlichen Kosten von 150’000 Franken für die Fanarbeit je 50’000 Franken, die Stadt noch 20’000 Franken.  

Hauptaufgaben der Fanarbeit Luzern sind: Förderung einer aktiven und kreativen Fankultur, Interessenvertretung der Fans, Verhindern von Gewalt, Stellung nehmen in der Öffentlichkeit zu fanspezifischen Anliegen.

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