Quidditch: Ein Stückchen Hogwarts in der Ufschötti

«Ich zeige euch, wie man einen Besen reitet»

Muggel-Quidditch in der Ufschötti. Ein Bild, das man künftig öfters zu sehen bekommen wird?

(Bild: pbu)

Wenn junge Menschen mit Plastikrohren zwischen den Beinen herumrennen und sich gegenseitig Bälle an die Rübe knallen, dann muss mächtig was schieflaufen in der Ufschötti. Falsch gedacht. Hier wird nämlich für die WM trainiert.

Fast könnte man meinen, es sei Magie im Spiel. Wie durch Zauberhand ist der Frühling diesen Samstag über Nacht zurückgekehrt. «Ideale Bedingungen, um sich auf den Besen zu schwingen und eine Runde Quidditch zu spielen», sagt ein sichtlich gut gelaunter Michael Puntschuh, während sich seine Zauberlehrlinge tröpfchenweise in der Ufschötti einfinden.

Puntschuh (25) ist der Gründer des vor knapp einem Monat ins Leben gerufenen Luzerner Quidditch-Teams. Quidditch ist die Sportart der Zauberschule Hogwarts, dessen bekanntester Abgänger Harry Potter ist. Im Roman fliegen die Protagonisten dabei auf Besen umher und versuchen, sich gegenseitig von ihren Besen zu prügeln und Bälle durch Ringe zu werfen. Weltweit schwappt diese fiktive Sportart zunehmend in die Realität über (siehe Box).

Auf zur Weltmeisterschaft

In der Schweiz verläuft dieser Trend noch etwas zögerlich. Puntschuh möchte das ändern: «Unser Ziel ist es, bis zum Sommer einen nationalen Verband aufzubauen», sagt der gebürtige Deutsche, der an der Universität Luzern Weltgesellschaft und Weltpolitik im Master studiert. «Und nächstes Jahr wollen wir an der Weltmeisterschaft teilnehmen.»

Michael Puntschuh (rechts) erklärt, wie Quidditch gespielt wird.

Michael Puntschuh (rechts) erklärt, wie Quidditch gespielt wird.

(Bild: pbu)

Puntschuh weiss, dass das ambitionierte Ziele sind. Schliesslich gibt es neben Luzern schweizweit nur zwei weitere Quidditch-Teams (Zürich und Hägendorf SO). Das schmälert seine Motivation aber nicht im geringsten: «Zu den beiden vergangenen Schnuppertrainings kamen jeweils 15 bis 20 Leute, die sich interessiert zeigten, Quidditch regelmässig zu spielen», sagt er. «Das hat mich schon überrascht.»

Wer nun glaubt, dass Quidditch nur etwas für eingefleischte Potter-Fans ist, der irrt. Puntschuh selbst kennt natürlich die Bücher, als «Potterhead» würde er sich aber nicht bezeichnen. «Ich entdeckte den Sport während meines Austauschsemesters in Oslo. Das sah schon witzig aus. In erster Linie faszinierte es mich aber, eine neue Sportart kennenzulernen.»

Reale Fiktion

Muggel-Quidditch wurde 2005 von Studenten des Middlebury College in Vermont (USA) ins Leben gerufen. Dort wurde ein 200 Seiten umfassendes Regelbuch erstellt, wobei sich die Macher möglichst nah an die Romanvorlage von Joanne K. Rowling halten wollten.

Mittlerweile umfasst die International Quidditch Association (IQA) 18 Nationalverbände mit über 300 Mannschaften vor allem aus Nordamerika, Australien und Europa. Die erste offizielle Quidditch-Weltmeisterschaft fand 2012 in Oxford (GB) mit total fünf Mannschaften statt. Vier Jahre später nahmen in Frankfurt bereits 21 Mannschaften am IQA World Cup Teil.

Quidditch wird ausschliesslich in gemischtgeschlechtlichen Teams gespielt.

Muggel-Probleme

Ähnlich geht es den rund 15 Interessierten, die sich am Samstag in der Ufschötti einfinden. «Wie spielt man Quidditch ohne fliegenden Besen?», fragen sich einige Teilnehmer. Eine Gruppe junger Männer mit einem Faible für Mottoparties hat sich spontan dazu entschlossen, den Sport einfach mal auszuprobieren. Unterdessen mimt Puntschuh den Turnlehrer und startet seine Instruktionen.

«Ich zeige euch heute, wie man einen Besen reitet», eröffnet der 25-Jähre die Trainingsstunde, bevor er sich anschickt, die etwas komplizierten Spielregeln zu erläutert. Wer die Romanvorlage kennt, der kann sich vorstellen, dass sich Quidditch für Muggel – also Menschen ohne magische Fähigkeiten – nicht ganz einfach adaptieren lässt. Das Resultat präsentiert sich als eine Mischung aus Handball, Völkerball und Rugby.

Quaffle, Klatscher, Schnatz?

Gespielt wird auf einer Fläche von einem halben Fussballfeld. «Ziel des Spiels ist es, Punkte zu machen», erklärt Puntschuh. Alle Spieler müssen während der gesamten Partie ihren Besen zwischen den Beinen halten. «Das sieht schon etwas komisch aus», sagt Puntschuh, «auch wenn die Besen mittlerweile durch PVC-Stöcke ersetzt wurden. Damit können wir zwar nicht fliegen, aber er erschwert das Spiel ungemein, sowohl beim rennen, als auch beim fangen der Bälle.»

Es braucht viel Übung, wer ein guter Quidditch-Spieler sein will.

Es braucht viel Übung, wer ein guter Quidditch-Spieler sein will.

(Bild: pbu)

Sieht merkwürdig und konzeptlos aus, erfreut sich aber immer grösserer Beliebtheit: Quidditch.

Sieht merkwürdig und konzeptlos aus, erfreut sich aber immer grösserer Beliebtheit: Quidditch.

(Bild: pbu)

Pro Team gibt es sieben Spieler mit unterschiedlichen Rollen: Drei Jäger (im Fussball wären das die Stürmer) erzielen die Punkte, indem sie den Quaffle (einen Volleyball) durch einen der drei gegnerischen Ringe werfen. Zwei Treiber (Verteidiger) können sie dabei hindern, indem sie die Jäger mit Klatschern (zwei weitere Bälle) treffen. Der Hüter (Goalie) versucht schliesslich, seine Ringe sauber zu halten.

Ab Spielminute 18 kommen dann auch noch die Sucher (je einer pro Team) zum Zug. Diese sind dafür zuständig, den Schnatz zu fangen. In der Romanvorlage ist der Schnatz eine faustgrosse goldene Kugel, die ziellos durch die Lüfte fliegt. In der Muggelwelt verwandelt sich der Schnatz in einen Tennisball, der in einer Socke am Hosenbund eines unparteiischen Schnatz-Trägers hängt. Dieser wiederum rennt ab Minute 18 umher und versucht möglichst, sich den Schnatz nicht abluchsen zu lassen.

Erst Routine, dann Strategie

Wem das jetzt zu kompliziert war, darf sich trösten – den meisten Anwesenden geht es gleich. Deshalb schickt Puntschuh seine Aspiranten nach kurzen Aufwärmübungen auch schon aufs Feld. «Brooms up», ruft er den beiden Mannschaften zu. Das Spiel ist eröffnet.

Etwas verloren wirken sie schon, die Zauberlehrlinge in der Ufschötti, die mit ihren Kunststoffstangen zwischen den Beiden über den Rasen hüpfen. Mit den Inputs von Puntschuh kommt aber zusehends Strategie ins Spiel. Und auch die falschen Besen nimmt man als Zuschauer plötzlich nicht mehr als störendes Kuriosum wahr.

Kampfansage nach Zürich

«Mir gefällt das athletische am Quidditch», sagt Puntschuh nach Spielende, während sich die Spieler in den Schatten zurückziehen und ihren Durst löschen. «Es ist eine anspruchsvolle, strategische und junge Sportart mit tiefen Einstiegshürden.» Ebenso ist es ein Mannschaftssport, der viel aus dem Zusammengehörigkeitsgefühl schöpft. Deshalb ist nach dem Spiel gemeinsames «Chillen» angesagt. Mit Chips und Brainstorming, schliesslich muss noch ein adäquater Name für das Luzerner Quidditch-Team gefunden werden.

«Luzern braucht eine Quidditch-Mannschaft», ist Puntschuh überzeugt. Einzelne Teamkollegen nicken. Ihm gehe es zwar in erster Linie darum, Leute für den Sport zu begeistern, versichert der 25-jährige Student. Gleichzeitig möchte er diesen Sommer aber unbedingt das erste Schweizer Quidditch-Turnier veranstalten. Und dort gilt: «Wir wollen die Zürcher schlagen. Um jeden Preis.»

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