Interview mit FCL-Mittelfeld-Puncher Kryeziu

«Ich kam als anderer Spieler zurück»

Hekuran Kryeziu behauptet den Ball gegen drei Gegenspieler in einem Testspiel gegen den FC Biel. (Bild: Martin Meienberger)

Hekuran Kryeziu ist zu einer festen Grösse im Mittelfeld des FCL gereift. Nicht selbstverständlich, denn der ehemalige FCL-Junior schien bereits gescheitert und wechselte nach Vaduz. Nach einem Lehrjahr kehrte er allerdings zum FCL zurück: physisch robuster und menschlich gereift. Wird er den FCL die nächsten Jahre prägen?

Seit der Jahrtausendwende hat der FCL immer wieder spielstarke Mittelfeldspieler gross gemacht: Dazu gehören Pirmin Schwegler oder Fabian Lustenberger. Mit Hekuran Kryeziu ist ein nächster Spieler aus der Region – aus Küssnacht am Rigi – in die Rolle des Organisators im Mittelfeld des FCL geschlüpft. Der 23-Jährige mit den kosovarisch-albanischen Wurzeln vermag mit Passsicherheit und Zweikampfstärke zu überzeugen. Im Interview mit zentralplus erzählt Kryeziu, weshalb er die EM wohl vor dem TV verfolgt, was ihm die Leihe nach Vaduz brachte und in welchem Land er gerne einmal spielen würde.

zentralplus: Die Nationalspieler waren diese Woche bei ihren Teams und Sie sind hier auf der Allmend. Ist der albanische EM-Zug für Sie demnach abgefahren?

Hekuran Kryeziu: Ich weiss nicht, ob der EM-Zug überhaupt hier durchgefahren ist. (Schmunzelt) Ich glaube, im Moment ist die EM für mich kein Thema. Aber es kann im Fussball immer sehr schnell gehen.

zentralplus: Bald wird darüber entschieden, ob eine Auswahl des Kosovos an der Qualifikation für die WM 2018 mittun darf. Sie könnten die Nationalmannschaft wechseln. Haben Sie das vor?

Kryeziu: Ich bin im Kontakt mit dem kosovarischen Verband und dem Trainer. Sie rufen mich regelmässig an und informieren sich, wie es mir geht. Am 3. Mai sollte die Aufnahme in die FIFA erfolgen und dann ist eine Teilnahme bei der WM-Qualifikation möglich. Und ja, es ist sicher eine Option für den Kosovo zu spielen.

zentralplus: Kommen wir zum FC Luzern: Die Hinrunde ist super gelaufen – in der Rückrunde musste man fast alle Ambitionen auf Europa begraben. Wo liegt der Ursprung dieses Einbruchs?

Kryeziu: Wenn wir das wüssten, hätten wir es wahrscheinlich verhindert. Im Winter haben wir wichtige Spieler verloren, aber jeder Spieler ist ersetzbar – wir haben uns ja auch mit Neuzugängen verstärkt. Ich denke, bei jeder Mannschaft kommt irgendwann ein Tief. Bei uns war das Anfang Rückrunde. Jetzt haben wir genug Zeit, um uns wieder zu fassen und die restliche Rückrunde positiv zu gestalten. Ich glaube, wir haben in den letzten zwei Spielen einen guten Schritt vorwärts gemacht.

Nach dem ersten Sieg in der Rückrunde postete Kryeziu folgendes Bild:

U kthyem te fitoret pas disa ndeshjeve negative. Tani shpresojmë të bëjmë gjëra të mira. #HK31 #FCL Geht doch! Nach schwierigen Wochen wieder zum Siegern zurückgekehrt! #HK31

Posted by Hekuran Kryeziu on Sonntag, 13. März 2016

 

zentralplus: Es gab diese Diskussionen um die sportliche Führung. Sportchef Rolf Fringer und Assistenztrainer Roland Vrabec wurden entlassen – welchen Einfluss hatte dies auf die Mannschaft?

Kryeziu: Wir Spieler können nicht beeinflussen, was über uns passiert, das entscheiden andere. Klar wäre es schön, wenn man über gewisse Jahre Ruhe hätte.

zentralplus: Aber hat diese Unruhe das Team Anfang Rückrunde negativ beeinflusst?

Kryeziu: In meinen Augen hat das keine grosse Rolle gespielt. Es kann sein, dass vielleicht einzelne Spieler ein wenig verunsichert waren. Ich habe mich weiterhin auf meine Aufgaben konzentriert und wollte meine Leistung abrufen – obwohl ich die ersten Spiele krank war und gefehlt habe.

zentralplus: Sie haben Ihren Vertrag Anfang Februar um zwei weitere Jahre bis Sommer 2018 verlängert. Was waren die ausschlaggebenden Gründe dafür?

Kryeziu: Ich fühle mich einfach wohl in Luzern. Ich bin hier aufgewachsen, meine Familie und meine Kollegen leben hier. Seit Oktober habe ich Gespräche mit dem Verein geführt und mir alles genau überlegt, weil es die eine oder andere Offerte gab. Aber es war sicher nicht das dabei, was ich mir vorgestellt hätte. Zudem habe ich in der Vorrunde eine wichtige Rolle gespielt, darum war ein Wechsel nicht nötig.

Kryeziu postet das Bild zur erfolgreichen Vertragsverlängerung mit Präsident Ruedi Stäger auf Facebook:

Përshëndetje. Dua të ju njoftoj se kam vazhduar kontratën me klubin tim të zemrës Luzernin edhe për dy vite tjera….

Posted by Hekuran Kryeziu on Dienstag, 2. Februar 2016

 

zentralplus: Sie hatten also Angebote – von wem?

Kryeziu: Ich hatte Angebote aus der Super League und der zweiten Bundesliga.

zentralplus: Wäre es für Sie interessant, den FCL in absehbarer Zeit zu verlassen?

Kryeziu: Ich habe den Vertrag nicht verlängert, um so bald wie möglich wieder wegzugehen. Aber klar: Wenn ich die Chance erhalte, den nächsten Schritt zu machen, dann müsste es sicher fussballerisch und auch finanziell ein Schritt vorwärts sein. Man wird sehen, was in den nächsten zwei Jahren passiert.

zentralplus: Sie hatten ja bereits einen Auslandstransfer – die Saison 2014/15 wurden Sie nach Liechtenstein ausgeliehen. Wie waren Ihre Erfahrungen dort?

Kryeziu: (Schmunzelt) Ich hatte in Luzern ein schwieriges Jahr hinter mir. Das hatte weniger mit Fussball zu tun, sondern war mehr persönlich. Ich wollte unbedingt eine Veränderung, weil ich hier fast keine Rolle mehr spielte. Ich habe gemeinsam mit dem Verein nach einer Lösung gesucht. Da der FC Vaduz gerade aufgestiegen war und ich den Trainer kannte, war der Schritt nach Liechtenstein für mich ideal. In Vaduz erhielt ich viel Spielpraxis, was mir sichtlich gut getan hat. Der FC Vaduz spielt nicht um den Titel oder die Europaleague-Plätze, was sich auch auf den Spielstil auswirkt. Da dieser vom Kampf geprägt ist, musste ich physisch zulegen. In diesem Bereich habe ich einen grossen Schritt vorwärts gemacht. Ich wurde viel aggressiver und bin dem FC Vaduz und Trainer Giorgio Contini wirklich sehr dankbar für die Möglichkeit, die sie mir gegeben haben.

zentralplus: Aggressivität ist in diesem Kontext positiv besetzt – aber es gibt auch eine Kehrseite: Diese Saison haben Sie neun gelbe Karten geholt – also fast in jedem zweiten Spiel eine. Sind Sie ein Hitzkopf?

Kryeziu: Nein. Wäre ich ein Hitzkopf, hätte ich die eine oder andere rote Karte – aber die habe ich diese Saison nicht. Neben dem Platz bin ich ein ruhiger und sehr lieber Mensch. Aber auf dem Platz bin ich völlig anders – da habe ich Emotionen. Seit ich fünf Jahre alt bin, bin ich tagtäglich auf dem Fussballplatz. Für mich ist es nicht nur Fussball. Ich möchte jedes Spiel gewinnen und manchmal werde ich wütend, rufe aus. Ich spiele auch auf einer Position, auf der es viele Zweikämpfe gibt, oder mal ein taktisches Foul – und darum habe ich die eine oder andere gelbe Karte geholt.

Kryeziu kämpft um den Ball. Wenn's sein muss, packt er auch die Grätsche aus (Bild: Martin Meienberger).

Kryeziu kämpft um den Ball. Wenn’s sein muss, packt er auch die Grätsche aus (Bild: Martin Meienberger).

zentralplus: Stichwort: taktisches Foul. In letzter Zeit werden vermehrt Debatten darüber geführt, ob der Fussball «charakterlich verroht». Haben Sie in Ihrer fussballerischen Ausbildung auch schon erlebt, dass ein Trainer von den Spielern verlangt, einen bestimmten Gegenspieler besonders hart anzugehen?

Kryeziu: Klar gibt es Trainer, die sagen, dass bestimmte Spieler sich beeinflussen lassen oder wütend werden, wenn man ihnen «auf die Füsse steht». Aber nein, von unserem Trainer werden wir nicht darauf hingewiesen. Aber zur Diskussion: Bei mir ist’s eher das Meckern, wenn ich nicht einverstanden bin mit einem Foul. Es sind immer viele Emotionen dabei, da kann’s schon mal Gelb geben.

zentralplus: Sie sind jetzt 23 Jahre alt und seit über zehn Jahren beim FC Luzern. Werden Sie von den jungen Spielern als Vorbild wahrgenommen?

Kryeziu: Ich habe sicher einen gewissen Respekt bei den Jungen und sie können immer mit Fragen zu mir kommen. Das Jahr in Vaduz hat mir sehr gut getan. Als ich zurückkam, hatte ich plötzlich einen anderen Stellenwert im Team. Wenn man als Junger hochkommt, ist es extrem schwer, weil man der ehemalige Lehrling bleibt. Da ich weggegangen bin und dort einen grossen Schritt gemacht habe, kam ich als anderer Spieler zurück. Das wurde auch von den älteren Spielern wahrgenommen. Eine Vorbildfunktion habe ich vielleicht noch nicht, aber ich versuche, viel Verantwortung auf und neben dem Platz zu übernehmen.

zentralplus: Können Sie sich vorstellen, Ihre ganze Karriere beim FCL zu verbringen?

Kryeziu: Das ist sicher möglich, aber ich bin ein Spieler, der auf Veränderungen steht. Im Moment bin ich glücklich und ich plane mittel- und nicht langfristig. Ich hoffe einfach, dass meine Karriere so lange wie möglich dauert.

Hekuran Kryeziu am Ball im Spiel gegen den FC St. Gallen (Bild: Martin Meienberger).

Hekuran Kryeziu am Ball im Spiel gegen den FC St. Gallen (Bild: Martin Meienberger).

zentralplus: Was wäre Ihre Traumdestination, wenn Sie in eine andere Liga wechseln würden?

Kryeziu: Mit meiner Spielart und meinem Lifestyle – Spanien. Dort wird ein sehr schöner Fussball gespielt und auch das Leben dort, die Wärme gefällt mir.

zentralplus: Zu guter Letzt noch die Frage: Was muss geschehen, damit der FCL diese Saison wieder die Kurve kriegt und auf einem Europacup-Platz landet Ende Saison?

Kryeziu: Es wird sicher nicht einfach, aber es ist auch nicht unmöglich. Im Moment sind wir Siebte und zu Platz Vier, auf dem wir nach der Hinrunde waren, sind es nur zwei Punkte. Wir haben in den letzten zwei Matches gezeigt, dass es wieder aufwärtsgeht. Ich hoffe, dass das Tief weg ist und wir endlich den Knopf lösen konnten. Weiterhin ist die Teamleistung wichtig. Der FC Luzern ist nicht so der Verein, der über einzelne Spieler glänzen kann. Wenn wir Erfolg haben möchten, dann nur über eine super Mannschaftsleistung.

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