Ylfete Fanaj erklärt, warum Fangewalt-Initiative nichts bringt
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Mit der Fangewalt-Initiative will die Luzerner Mitte härter gegen gewalttätige Fussballfans vorgehen. Doch den Regierungsrat überzeugt die Initiative nicht. Sie sei schlicht nicht «zielführend».
Jede Initiative, die im Kanton Luzern eingereicht wird, muss einer juristischen Überprüfung standhalten. Geprüft wird dabei, ob sie rechtswidrig oder eindeutig undurchführbar ist – was die Ungültigkeit der Initiative zur Folge hätte.
Der Luzerner Regierungsrat kommt basierend auf einem externen juristischen Gutachten zu dem Schluss, dass die Fangewalt-Initiative teilweise ungültig ist. Dies, weil Teile der Initiative rechtswidrig seien. Die übrigen Teile seien zudem nicht «zielführend», um Fangewalt zu bekämpfen, weswegen der Regierungsrat einen Gegenvorschlag ausarbeiten will, wie aus dem Bericht und Antrag zur Initiative hervorgeht.
Daran happerts bei der Fangewalt-Initiative der Mitte
Mit ihrer Fangewalt-Initiative will die Luzerner Mitte das kantonale Polizeigesetz verschärfen. Neun Massnahmen sollen dort rein. Sie alle sollen dazu beitragen, dass die Polizei effektiver gegen gewalttätige und randalierende Fussballfans vorgehen kann (zentralplus berichtete).
Doch drei dieser neun Massnahmen sind gemäss dem externen Gutachten mit übergeordnetem nationalem Recht und mehreren Grundrechten nicht vereinbar, erklärt Justiz- und Sicherheitsdirektorin Ylfete Fanaj. Und die anderen sechs seien nicht «zielführend», um effektiver gegen gewalttätige und randalierende Fussballfans vorzugehen.
So würde die Fangewalt-Initiative das Polizeigesetz verändern
Den Initiativtext haben die Rechtsanwälte Patrice Zumsteg und Goran Seferovic als externe Gutachter aufgedröselt. Folgende Massnahmen will die Luzerner Mitte ins Polizeigesetz schreiben lassen:
- Identitätskontrollen beim Zutritt ins FCL-Stadion mit Speicherung und Herausgabe der Personaldaten an die Luzerner Polizei
- personalisierte Tickets
- Videoüberwachung der Identitätskontrollen
- Identitätskontrolle bei Fantransporten
- Modalitäten der Anreise und Rückreise der Gästefans
- Voraussetzungen des Zutritts für Fans
- Zutritt für Gästefans nur bei vorliegendem Konzept für die An- und Rückreise
- zusätzliche Auflagen für die Bewilligung der FCL-Heimspiele
- automatische Geisterspiele
Im Gutachten erklären die Rechtsanwälte ausführlich, dass drei der neun Massnahmen mit verfassungsmässigen Grundrechten unvereinbar und somit rechtswidrig sind.
So seien Identitätskontrollen beim Zutritt ins FCL-Stadion zwar möglich, nicht aber die Speicherung und Herausgabe der Personaldaten an die Luzerner Polizei. Ebenfalls rechtswidrig wäre die Einführung personalisierter Tickets und die automatische Anordnung von Geisterspielen.
«Konsequenterweise» habe der Regierungsrat darum beantragt, die Initiative teilweise ungültig zu erklären, sagt Fanaj gegenüber zentralplus.
Darum sollen Teile der Fangewalt-Initiative ungültig sein
Bei den Identitätskontrollen mit Speicherung und Herausgabe der Personaldaten an die Luzerner Polizei und der Einführung personalisierter Tickets liegt jeweils dasselbe Problem vor. Im Gesetz müsste die Aufbewahrung, die Dauer der Speicherung und der Gebrauch der Daten – allenfalls auch durch Dritte, etwa die Polizei – geregelt sein. Auch Prozesse zur Datensicherheit und zur Löschung müssten ins Gesetz rein, steht in dem externen Gutachten geschrieben.
Die Luzerner Mitte ging in ihrem Initiativtext aber nicht auf diese Punkte ein. Die blosse Erwähnung, dass das massgebende eidgenössische und kantonale Datenschutzrecht zu beachten sei, reiche nicht aus, sondern sei eine Selbstverständlichkeit.
Auch die automatischen Geisterspiele erklären die externen Gutachter für nicht vereinbar mit den Grundrechten. Wiederholen sich Sachbeschädigungen oder Ausschreitungen bei FCL-Heimspielen gegen eine bestimmte Mannschaft, soll es beim nächsten Aufeinandertreffen automatisch zu Sektorseperren oder Geisterspielen kommen, so die Mitte in ihrer Fangewalt-Initiative.
Von dieser Massnahme wäre nicht nur der FCL massiv in seiner Wirtschaftsfreiheit verletzt, heisst es im Gutachten. Betroffen wären auch Hunderte bis Tausende von Fans. Einen Automatismus, der Grundrechte derart stark verletzt, verbot das Bundesgericht aber in der Vergangenheit. Der jeweilige Einzelfall sei angemessen zu berücksichtigen, ein Automatismus nicht zulässig.
Initiativen verstossen nur selten gegen Grundrechte
Zu beurteilen, ob die Mitte gepfuscht hat, sei nicht Aufgabe des Regierungsrats, sagt Ylfete Fanaj. Sie erinnert sich aber an den letzten Fall, als im Kantonsrat eine Initiative für teilweise ungültig erklärt wurde. «Das war 2017, als es um eine Bildungsreform ging», sagt sie.
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Wie die Mitte damit umgeht, dass Teile ihrer Initiative gegen Grundrechte verstossen sollen, liest du im zentralplus-Interview mit Karin Stadelmann:
Darum will der Regierungsrat einen Gegenvorschlag ausarbeiten
Doch der Luzerner Regierungrsat beantragt dem Kantonsrat nicht nur die teilweise Ungültigerklärung der Fangewalt-Initiative. Er will auch ein Jahr mehr Zeit, um einen Gegenvorschlag auszuarbeiten. Denn der gültige Teil der Initiative führe ins Leere, findet der Regierungsrat.
«Die in der Fangewalt-Initiative vorgeschlagenen Massnahmen, welche rechtmässig und umsetzbar wären, werden grösstenteils heute schon umgesetzt», erklärt Ylfete Fanaj. Stattdessen prüfe der Regierungsrat darum andere Massnahmen, die er in einem allfälligen Gegenvorschlag einbringen würde. Dabei wolle er bestehende Massnahmen ausbauen, die den «bewährten Luzerner Weg» stärken.
Ob es überhaupt so weit kommt, wird der Kantonsrat entscheiden – voraussichtlich im Herbst (zentraplus berichtete).
Das tun Ylfete Fanaj und Co. bereits gegen Fangewalt
Bereits heute setze der Kanton Luzern auf einen Mix aus Prävention und Dialog sowie polizeilichen Massnahmen und nehme den FCL stark in die Verantwortung, sagt Fanaj. Die Rahmenbewilligung für die Heimspiele einer Saison enthalte immer viele Auflagen. Bei Hochrisikospielen müsse der FCL zudem Einzelbewilligungen einholen, die zusätzliche Auflagen enthalten.
Und dank der neuen Sicherheitsvereinbarung könnten dem FCL bis zu 80 Prozent der Sicherheitskosten überwälzt werden (zentralplus berichtete). Das sei so viel, wie nur an wenigen anderen Orten in der Schweiz, führt Fanaj aus.
Auch das Kaskandemodell, das auf Kollektivstrafen aufbaut, wird seit zwei Jahren umgesetzt. Die Verankerung dessen im Luzerner Polizeigesetz war ein weiteres Anliegen der Initiantinnen der Luzerner Mitte.
So funktioniert das Kaskadenmodell
Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD), der auch die Luzerner Regierungsrätin Ylfete Fanaj angehört, hat vor zwei Jahren beschlossen, mithilfe des sogenannten Kaskadenmodells gegen gewalttätige Fussballfans vorgehen zu wollen.
Das Kaskadenmodell ist kein Gesetz. Vielmehr haben sich die Mitglieder der KKJPD gemeinsam auf das Vorgehen entsprechend diesem Modell geeinigt und berufen sich auf bereits bestehende Gesetze.
Wenn es rund um ein Fussballspiel zu Ausschreitungen kommt, sitzen Mitglieder der KKJPD und andere Vertreter der Sicherheitsbehörden – so auch der Luzerner Polizeikommandant Adi Achermann – im Rahmen der sogenannten AG Bewilligungsbehörden zusammen und entscheiden, basierend auf der Schwere der Straftaten, wie auf diese reagiert werden soll.
Die konkrete Umsetzung der Massnahmen obliegt den Bewilligungsbehörden der einzelnen Kantone. Im Kanton Luzern ist dies die Luzerner Polizei (zentralplus berichtete). Die Details der Kollektivstrafen sind zwischen den Behörden und den Adressaten der Strafen zu besprechen.
- Telefonat mit Ylfete Fanaj, Justiz- und Sicherheitsdirektorin des Kantons Luzern
- Bericht und Antrag des Luzerner Regierungsrats
- Fangewalt-Initiative der Luzerner Mitte